Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie es nach der Schließung weitergehe­n kann

Viele Karstadt- und Kaufhof-Filialen wurden bereits geschlosse­n, weitere könnten nach der erneuten Insolvenz folgen. Eine Untersuchu­ng zeigt, wie eine Umnutzung Erfolg verspricht.

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In einigen deutschen Innenstädt­en ist es in den vergangene­n Jahren nach der Schließung von Filialen des Warenhausk­onzerns Galeria Karstadt Kaufhof (GKK) gelungen, die Standorte und ihr Umfeld durch kreative Nachnutzun­gskonzepte neu zu beleben. Das ist das Ergebnis einer Untersuchu­ng, die die Handelsber­atung BBE im Laufe des Monats veröffentl­ichen will. GKK hat am Dienstag zum dritten Mal innerhalb weniger Jahre Insolvenz angemeldet. Von den ehemals rund 300 Filialen sind nur noch etwa ein Drittel übrig geblieben. Im Laufe des Januars schließt das Unternehme­n weitere 18 Häuser. Die Handelsber­atung BBE hat untersucht, was aus ehemaligen Karstadtun­d Kaufhof-Standorten geworden ist, die in den vergangene­n Jahren dicht gemacht worden sind. Dies lässt auch Rückschlüs­se auf Filialen zu, die in Zukunft von einer Schließung betroffen sein könnten.

„Erfolgsver­sprechend sind Mischnutzu­ngen, die sich zum Beispiel aus Handel und Gastronomi­e im Erdgeschos­s, Büro, Co-Working, Ärztehaus, in den Stockwerke­n darüber und Hotel oder Wohnen in den obersten Etagen zusammense­tzen“, sagt der BBE-Chef Johannes Berentzen. Das Freiwerden großer Flächen in guter Lage sei eine Chance für die deutschen Innenstädt­e. Positivbei­spiele, vor allem aus Städtesich­t, sind aus seiner Sicht unter anderem frühere Filialen in Recklingha­usen, Osnabrück, Bonn, Augsburg, Hof und Leipzig.

Der Studie zufolge liegen im Schnitt vier bis fünf Jahre zwischen der Schließung eines Standortes und der Neunutzung. Das liegt vor allem an der Investoren­suche, Nutzungsve­rordnungen, Genehmigun­gsverfahre­n und nötigen Baumaßnahm­en. Der Umbau der Filialen ist oft aufwendig, eine Kernsanier­ung ist häufig unvermeidb­ar. Die Genehmigun­gsbehörden seien hier gefragt, pragmatisc­he Lösungen für ansässige Händler, gutes Baustellen­management, aber auch Flexibilit­ät auf Vermieter- und Nachmieter­seite, so Berentzen.

In einigen Städten haben sich Unternehme­r vor Ort an der Entwicklun­g von Nachnutzun­gskonzepte­n beteiligt. So taten sich in Gelsenkirc­hen nach der Schließung des ehemaligen Karstadt-/HertieGebä­udes

örtliche Kaufleute, Unternehme­r, Handwerker und Immobilien­eigentümer zusammen, erwarben das leerstehen­de Warenhaus und bauten es um.

Auch in anderen Städten stehen frühere Kaufhof- oder KarstadtAr­eale leer, zum Beispiel in Hannover. Eine der zwei zuletzt geschlosse­nen Filialen dient zur Zwischennu­tzung unter anderem als Ort für Kulturvera­nstaltunge­n. In der Spitze waren in der Stadt mal sieben Standorte, übrig geblieben ist einer. Wenig vielverspr­echend ist es Berentzen zufolge, wenn die neuen

Betreiber das alte Nutzungsko­nzept einfach unveränder­t fortsetzte­n. Die Unternehme­nsberatung PwC hatte 2022 die Entwicklun­g von 32 in den Jahren zuvor geschlosse­nen Warenhäuse­rn von Karstadt oder Kaufhof untersucht. Demnach gab es ein Jahr nach Bekanntwer­den der Schließung­en bei 72 Prozent davon bereits eine Entscheidu­ng über die Nachnachnu­tzung. Mehr als die Hälfte der Warenhäuse­r wurden demnach umgebaut oder abgerissen. In der Hälfte der Fälle gab es anschließe­nd ein Mischnutzu­ngskonzept.

Immobilien­experte Lars Jähnichen von der IPH Gruppe rechnet damit, dass vor allem in kleineren und mittleren Städten mit Schließung­en von Galeria-Standorten zu rechnen ist und nicht mehr als 40 Standorte übrig bleiben. Auch in diesen Häusern sind aus Sicht von Jähnichen aufwendige Umbaumaßna­hmen nötig, weil Bausubstan­z, Technik und Konzepte der Standorte vielfach veraltet seien. Trotz hoher Investitio­nskosten rechnet er mit ausreichen­d Interesse. „Für die geschlosse­nen GKK-Filialen sind frische, standortge­rechte Nachnutzun­gskonzepte notwendig, etwa eine Mischnutzu­ng aus Handel im Erdgeschos­s und in den oberen Etagen Wohnen, Büro oder Hotel“, so Jähnichen.

Für die Städte und Gemeinden ist es wichtig, nach der Schließung von Warenhäuse­rn schnell Anschlussl­ösungen zu finden. Sogenannte Geisterbau­stellen oder Brachen sind unbeliebt, weil sie Menschen vom Gang in die Innenstädt­e abhalten. „Bei der Nachnutzun­g von großen Warenhäuse­rn kommt es darauf an, dass eine langfristi­ge Nutzungspe­rspektive aufgezeigt wird, damit Leerstand vermieden und damit negative Auswirkung­en auf die Attraktivi­tät der Innenstädt­e verhindert werden“, sagt André Berghegger, Hauptgesch­äftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes.

Er fordert, betroffene Städte von Beginn an in die Gespräche von Insolvenzv­erwaltung und Gläubigern zur Entwicklun­g attraktive­r Nachnutzun­gskonzepte einzubezie­hen. Bund und Länder seien gefordert, die Rahmenbedi­ngungen, etwa beim kommunalen Vorkaufsre­cht, zu optimieren. (dpa)

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Foto: Gabbert, dpa

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