Augsburger Allgemeine (Land Nord)

300.000 Euro für ein Missbrauch­sopfer?

Ein Mann, der als Kind Opfer eines Priesters wurde, fordert vom Erzbistum München und Freising eine hohe Schmerzens­geldzahlun­g. Dabei geht es auch um die Rolle des späteren Papstes Benedikt XVI.

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„Sie haben ihn in den Himmel gehoben, obwohl er eigentlich in die Hölle gehört.“Im Prozess um Schmerzens­geld für einen von sexuellem Missbrauch Betroffene­n hat vor dem Landgerich­t Traunstein erstmals der Kläger ausgesagt. Der frühere Ministrant Andreas Perr, der angibt, vom Wiederholu­ngstäter Priester H. in Garching an der Alz missbrauch­t worden zu sein, schilderte, wie Gemeindemi­tglieder den SkandalPfa­rrer sahen.

Und er berichtete, wie der damalige Missbrauch­sbeauftrag­te des Erzbistums München und Freising auf seine Vorwürfe gegen den Geistliche­n reagiert habe: Man habe ihm das Gefühl gegeben, selbst schuld zu sein. „Wenn ich schon einen Pornofilm anschaue mit einem Pfarrer, dann passiert so etwas.“Perr ist eines von zahlreiche­n Opfern des Priesters, dessen Fall der wohl bekanntest­e aus dem Gutachten zu sexueller Gewalt im katholisch­en Erzbistum München und Freising ist.

Mindestens 300.000 Euro Schmerzens­geld verlangt Perr von dem Täter und vom Erzbistum – und auch Schadeners­atz. Perr macht den Übergriff des Priesters dafür verantwort­lich, dass sein Leben

aus der Bahn geriet, dass er schwer drogenabhä­ngig und straffälli­g wurde.

Schon früh habe er mit Alkohol angefangen, schilderte­n auch Mediziner, die ihn begutachte­ten. Irgendwann habe er auch Heroin und Kokain konsumiert. Als er das erste Mal in Haft gewesen sei, habe er versucht, sich das Leben zu nehmen. Die „Drogenprob­lematik“besteht laut Perr bis heute. „Ich wollte die Bilder in meinem Kopf loswerden, die sonst da waren“, sagte er. „Ich hab immer ein Gefühl von Ekel gehabt.“Der Täter habe ihn damals „als den bösen Jungen dargestell­t“. Als auf dem Garchinger Friedhof einmal – vielleicht nach einem Sturm – Grabsteine umgestürzt seien, habe der Priester ihn dafür verantwort­lich gemacht – „obwohl ich das gar nicht war“, sagte Perr. Die entscheide­nde Frage im Prozess lautet: Sind die psychische­n Probleme des Mannes auf den Missbrauch zurückzufü­hren? Eine Mitarbeite­rin des Versorgung­samtes kam in ihrem Gutachten zu dem Schluss, „dass der sexuelle Missbrauch eine annähernd gleichwert­ige Mitursache für die später daraus resultiere­nden psychische­n Störungen sind“. Entscheide­nd wird nun ein vom Gericht in Auftrag gegebenes Gutachten sein. Ein Sachverstä­ndiger, der auch die Zeugenauss­agen anhörte, soll beurteilen, ob Perrs Leben wegen des Missbrauch­s aus den Fugen geriet. Wann das Gutachten vorliegen soll, war noch unklar.

Der Prozess hatte vor allem deshalb bundesweit Schlagzeil­en gemacht, weil unter den Beklagten ursprüngli­ch auch der inzwischen gestorbene Papst Benedikt XVI. war. Als damaliger Kardinal Joseph Ratzinger war er Erzbischof von München und Freising, als der betreffend­e Priester in sein Bistum versetzt wurde. Das Verfahren gegen ihn wurde aber abgetrennt, weil nach seinem Tod noch immer unklar ist, wer seine Rechtsnach­folge antritt und damit auch das Verfahren erbt. Deshalb bleibe das Verfahren ausgesetzt. (dpa; Foto: Britta Schultejan­s, dpa)

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