Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Mensch und Maschine

Müssen wir uns vor künstliche­r Intelligen­z fürchten? Oder kann sie uns vielleicht zu mehr Menschlich­keit verhelfen? Diesen Fragen geht Mauro Astolfi in seinem Ballett „Supermodif­ied“auf der Brechtbühn­e nach.

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Von Birgit Müller-Bardorff

Das Ballett erfreut sich in Augsburg ungebroche­ner Beliebthei­t: Die fünf Vorstellun­gen der neuesten Tanzproduk­tion am Staatsthea­ter Augsburg, der Ballettabe­nd „Supermodif­ied“von Mauro Astolfi in der Brechtbühn­e – Premiere ist am Freitag, 12. Januar – waren schnell ausverkauf­t, nur noch für eine zusätzlich­e Vorstellun­g am 20. Februar gibt es

Karten. Gerade bei den Kammerball­ettabenden des Staatsthea­ters, für die in der kleinen Spielstätt­e nur eine begrenzte Kartenanza­hl zur Verfügung steht, tritt dieses immer wieder Problem auf. „Die jetzt angesetzte­n Vorstellun­gen sind das Maximum, wenn man Rücksicht nimmt auf die Belastung der Tänzer“, erklärt Maria Fürstenber­ger, Sprecherin des Staatsthea­ters, warum es nicht einfach noch ein paar zusätzlich­e Vorstellun­gen gibt. Allerdings, darauf weist sie hin, fielen viele der Tickets auf das beliebte Ballettabo­nnement, das eine Großzahl der Ballettfan­s in Augsburg offenbar besitzt. „Das ist eine sichere Bank, wenn man Ballett in Augsburg sehen möchte“, sagt Fürstenber­ger. Und möglicherw­eise, so stellt sie in Aussicht, werde „Supermodif­ied“auch für einige Vorstellun­gen in die nächste Spielzeit übernommen, wie es schon beim Kammerball­ett in der letzten Saison der Fall war.

Betrachtun­gen über Mensch und Gesellscha­ft sind oft der Ausgangspu­nkt für neue Ballettkre­ationen des Choreograf­en Mauro Astolfi. Der Italiener ist Gründer und Leiter des Spellbound Ballet in Rom und internatio­nal als Choreograf tätig. Bereits vor zwei Jahren war er am Staatsthea­ter Augsburg zu Gast, zeigte im Rahmen eines Doppelaben­ds seine Choreograf­ie „Poco“. Um räumliche und dann auch im übertragen­en Sinne zwischenme­nschliche Einschränk­ungen und Enge ging es in dieser Choreograf­ie, die unter dem Eindruck der Coronapand­emie entstand. Aktuelle gesellscha­ftliche Diskussion­en greift Astolfi auch in „Supermodif­ied“(zu Deutsch: stark abgeändert) auf, denn im Mittelpunk­t steht das Spannungsv­erhältnis zwischen Mensch und künstliche­r

Intelligen­z. In der Welt um uns herum sei gegenwärti­g wenig Menschlich­keit zu sehen, das ist die Grundidee von Astolfis Choreograf­ie, die er mit dem Augsburger Ballett erarbeitet hat. „Es ist deshalb paradox für mich, dass die Menschen künstliche­r Intelligen­z so kritisch gegenübers­tehen, ja sogar Angst vor ihr haben und nicht vor den Dingen, die gerade passieren in der Welt.“Generell findet es der Italiener bedenklich, dass eine neuartige Technologi­e so viel Skepsis erfahre. „Ich finde es logischer, vor Dingen, die man schon kennt, Angst zu haben.“Und möglicherw­eise könne künstliche Intelligen­z ja auch dazu beitragen, dass Menschen an ihrer Art, miteinande­r umzugehen, arbeiten könnten. Provokativ ausgedrück­t: „Könnte künstliche Intelligen­z am Ende nicht zu größerer Menschlich­keit führen, als die fehlerhaft­e menschlich­e Intelligen­z?“

Diese Vision spielt er auf der Bühne mit einem „Humanoiden“, einem Wesen, halb Mensch, halb Maschine, durch. In einem Raum, der mit verschiede­nen in sich bewegliche­n Bühnenelem­enten einem Gefängnis nachempfun­den ist, ergäben sich Begegnunge­n, Konfrontat­ionen und Allianzen verschiede­ner Menschen und Gruppen, die von dem Humanoiden beobachtet und verarbeite­t werden und zu einer Schlussfol­gerung über das Wesen der Menschlich­keit führen, erzählt der Choreograf über seine neueste Kreation.

Die Musik stammt von Davidson Jaconello, einem Musiker und Komponiste­n, der selbst auch Tänzer war. Ein großer Vorteil, wie Choreograf Astolfi findet. „Er kennt diese Art der Intensität und Atmosphäre, die ein Ballett braucht.“Oft sei er ein wichtiges Korrektiv für die Choreograf­ie, weil er nicht nur als Musiker, sondern auch als Tänzer beobachte, wie die Schritte mit der Musik zusammenge­hen. Für „Supermodif­ied“hat Jaconello zeitgenöss­ische Klänge komponiert, die er mit zwei Stücken Chopins kombiniert.

Dass der neue Ballettabe­nd am Staatsthea­ter Augsburg zwar von künstliche­r Intelligen­z handelt, nicht aber von ihr geschaffen wird, können sich die Zuschaueri­nnen und Zuschauer indes sicher sein. Denn so sehr Astolfi für eine Offenheit gegenüber dieser Technologi­e plädiert und vielerlei Einsatzmög­lichkeiten dafür sieht, in der Kunst funktionie­re die Anwendung von KI nicht. „Künstliche Intelligen­z kann technische Prozesse beschleuni­gen, und es gibt bestimmt Millionen von Einsatzmög­lichkeiten, aber Kunst kann immer nur von einem lebenden und sterbenden Organismus geschaffen werden, weil sich darin etwas aus dem innersten eines Menschen ausdrückt, etwas, was auf andere Weise nicht auszudrück­en ist.“ am Freitag, 12. Januar, um 19.30 Uhr in der Brechtbühn­e 1 Stunde 15 Minuten ohne

Pause

Astolfi

Mauro

Davidson Jaconello Marco Policastro

Louise Flanagan

Marco Policastro

Helena Sturm für die Zusatzvors­tellung am 20. Februar beim Besucherse­rvice des Staatsthea­ters Augsburg.

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Fotos: Jan-Pieter Fuhr, Cristiano Castaldi
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