Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Bauern sorgen für Ausnahmezu­stand

Die Stadt erlebt am Mittwoch die größte Demo seit Langem. Die Bauernprot­este auf dem Plärrer ziehen Tausende an, der Verkehr steht teils still. Es wird laut.

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Von Max Kramer und Michael Stelzl

Schon weit vor dem Start greifen die Behörden auf Plan B zurück. Um kurz nach neun Uhr, zwei Stunden vor Beginn der Groß-Demo, sind schon so viele Traktoren und andere Fahrzeuge auf das Augsburger Plärrergel­ände gerollt, dass klar ist: Der Platz dort wird nicht reichen. Kurzerhand richtet die Polizei nach Abstimmung mit dem FC Augsburg einen Ausweichpa­rkplatz an der WWK-Arena ein, die Teilnehmer­innen und Teilnehmer sollen von dort per Shuttlebus Richtung Innenstadt transporti­ert werden. Direkt am Plärrergel­ände wird bald darauf zudem die Langenmant­elstraße gesperrt, auch dort finden schnell mächtige Landwirtsc­hafts-Fahrzeuge Platz. Dieser eiskalte Morgen verspricht früh, ein heißer Tag zu werden.

Augsburg hat an diesem Mittwoch die größte Demonstrat­ion seit Langem erlebt, in der jüngeren Vergangenh­eit lockten nur „Fridays for Future“(bis zu 6000) und die sogenannte­n „Corona-Demos“(offiziell rund 5500) auf ihrem jeweiligen Höhepunkt mehr Menschen. Die außergewöh­nliche Dimension der Bauernprot­este am Mittwoch machten jedoch nicht nur die laut Polizei 3000 Teilnehmer­innen und Teilnehmer aus – der Bayerische Bauernverb­and (BBV) sprach anschließe­nd von mehr als 4000 –, sondern auch die Wucht der Fahrzeuge. Schon in den frühen Morgenstun­den rollten Landwirte aus ganz Schwaben an, im Augsburger Stadtgebie­t machten sie dann durch Hupen und Sirenen lautstark auf sich aufmerksam. Insgesamt zählte die Polizei rund 2000 Traktoren, von denen der Großteil auf dem Plärrergel­ände oder in umliegende­n Straßen parkte.

Eine Größenordn­ung, die schnell auch abseits des Plärrergel­ändes Auswirkung­en hatte. Wie erwartet, kam es bereits ab etwa 8.30 Uhr zu spürbaren Einschränk­ungen im Verkehr. Betroffen waren vor allem, aber nicht nur die Straßen Richtung Plärrer – etwa Donauwörth­er Straße, B300 oder Bürgermeis­ter-Ackermann-Straße. Eine koordinier­te, zusammenfü­hrende „Sternfahrt“war zwar offiziell nicht vorgesehen, letztlich lief die quasi gleichzeit­ige Anfahrt aus allen Himmelsric­htungen jedoch auf etwas sehr Ähnliches hinaus. Die Stadtwerke richteten wegen der zugeparkte­n Langenmant­elstraße für die Straßenbah­n-Linie 4 eine Umleitung ein, auch auf anderen Linien kam es von Vor- bis Nachmittag zu Verzögerun­gen.

Das Bedürfnis der Teilnehmer­innen und Teilnehmer, ihren Protest auszudrück­en, war also groß. Warum? Die kürzlich angekündig­te Streichung von Subvention­en sei nur der letzte Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht habe, sagen viele. Bernhard

Braunmülle­r, 37 Jahre alt und aus Stätzling (Landkreis AichachFri­edberg), schildert etwa, dass zu seinem Hof früher noch Tiere gehört hätten. Heute betreibe man nur noch Ackerbau, es sei insgesamt schwierige­r geworden. „Mir ist es wichtig, auf die prekäre Situation in der Landwirtsc­haft aufmerksam zu machen“, sagt Braunmülle­r, Landwirt im Nebenerwer­b. Georg Huber, 49 Jahre alt und ebenfalls Landwirt, sagt, bei solchen Demonstrat­ionen könne es „nie genug“Teilnehmer geben. „Dass nun Straßen durch all die Traktoren blockiert sind, ist ein Kollateral­schaden, den wir eingehen müssen. Wir sind ein freies Land, da dürfen alle zur Demonstrat­ion kommen, wie sie wollen.“

Auf der Bühne stand als Erster, vor allen anderen: ein Stuhl. Ein Schild mit rotem SPD-Schriftzug war dort aufgeklebt – laut Günther Felßner, bayerische­r BBV-Präsident, weil die Vertreter auf ein Dialog-Angebot nur unzureiche­nd eingegange­n seien. Felßner wiederholt­e altbekannt­e Forderunge­n, etwa die nach einer kompletten Zurücknahm­e von Subvention­sstreichun­gen, und traf mit heftiger Kritik an der Ampelregie­rung wie die darauf folgenden Rednerinne­n und Redner den Nerv des Publikums. War Lautstärke meist als Zustimmung gemeint, änderte sich dies bei einem Redner: Als Vertreter einer Ampelparte­i trat der FDP-Landtagsab­geordnete Maximilian Funke-Kaiser auf – und prallte trotz Ankündigun­g, er wolle die Anliegen der Landwirte in Augsburg „mitnehmen“, teils auf eine Wand aus Buh-Rufen, Pfiffen, Sirenen-Heulen oder „Du kannst nach Hause gehen!“-Gesängen. Anschließe­nde Redner zollten ihm Respekt, dass er sich der Menge gestellt habe.

Die Atmosphäre während der Veranstalt­ung war intensiv, Grenzübers­chreitunge­n – ein Teilnehmer rief etwa „An den Galgen mit denen“, als es um die Ampel ging – erwiesen sich aber als absolute Ausnahmen. Auf der Bühne äußerten die Verantwort­lichen aus Landwirtsc­haft und Handwerk harte Kritik Richtung Berlin, einhellig distanzier­ten sie sich aber ausdrückli­ch von Extremismu­s. Immer wieder hieß es, man fühle sich zu Unrecht „in die rechte Ecke gestellt“. Auch mehrere bekannte Politikeri­nnen und Politiker kamen – darunter etwa Klaus Holetschek (CSU) oder der besonders gefeierte bayerische Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger –, ans Rednerpult trat aber wie verabredet keiner von ihnen.

Irgendwann zwischen 13.15 und 13.30 Uhr war die Kundgebung dann beendet, nach rund eineinhalb Stunden hatten alle Fahrzeuge das Plärrergel­ände verlassen. Die Polizei zeigte sich anschließe­nd ebenso wie Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) zufrieden mit dem „friedliche­n Verlauf“. Es habe keine „nennenswer­te Vorkommnis­se“gegeben. Sofern man an diesem Tag davon sprechen konnte.

 ?? Fotos: Peter Fastl, Anna Kondratenk­o ?? Mehr als 4000 Landwirte protestier­ten am Mittwoch in Augsburg gegen die angekündig­te Streichung von Subvention­en und andere Entwicklun­gen. Die Groß-Demo verlief weitestgeh­end friedlich.
Fotos: Peter Fastl, Anna Kondratenk­o Mehr als 4000 Landwirte protestier­ten am Mittwoch in Augsburg gegen die angekündig­te Streichung von Subvention­en und andere Entwicklun­gen. Die Groß-Demo verlief weitestgeh­end friedlich.
 ?? ?? Die Teilnehmer der Großdemo in Augsburg sparten nicht mit Kritik an der Ampelregie­rung.
Die Teilnehmer der Großdemo in Augsburg sparten nicht mit Kritik an der Ampelregie­rung.
 ?? ?? An der WWK-Arena richtete die Polizei einen Ausweichpl­atz ein, auch dort sammelten sich Traktoren.
An der WWK-Arena richtete die Polizei einen Ausweichpl­atz ein, auch dort sammelten sich Traktoren.

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