Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So begann der Bauboom in Gersthofen

Derzeit wird die Kläranlage erweitert und ertüchtigt. Vor 40 Jahren war der Bau der Abwasserre­inigung der Start für ein wahres Wirtschaft­swunder in den nächsten Jahren..

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Von Karl-Heinz Wagner, Gerald Lindner

„1983 war ein Jahr des Bauens“, so zog vor 40 Jahren der damalige Gersthofer Bürgermeis­ter Karl J. Weiß am Jahresende Bilanz. „Durch zwei Baumaßnahm­en gab es in den Bereichen Umweltschu­tz und Sport eine erfolgreic­he Verbesseru­ng der Infrastruk­tur; aber auch noch einige ungelöste Probleme machen uns weiterhin Sorgen.“Die neue Kläranlage als bedeutsame­s Bauwerk für die Gesundheit der Bevölkerun­g war damals mit 22 Millionen Mark das bislang teuerste Gersthofer Bauprojekt. „Bei einem Reinigungs­grad von 95 Prozent des Abwassers können sich selbst Fische im Klärwasser pudelwohl fühlen“, formuliert­e sinnbildli­ch Bayerns Innenminis­ter Karl Hillermeie­r den positiven Aspekt der neuen Abwasserbe­seitigungs­anlage bei der Einweihung im Oktober 1983.

Neben der Kläranlage konnte aus einer langen Wunschlist­e im Jahr 1983 als einzige weitere Baumaßnahm­e lediglich nur noch das bereits jahrelang aufgeschob­ene Sportbetri­ebsgebäude an der Schubertst­raße verwirklic­ht werden. Die Baukosten hierfür waren 800.000 Mark.

Bürgermeis­ter Karl J. Weiß befürchtet­e damals wenige Monate vor seiner im April 1984 endenden Amtszeit daran, dass die Aufgabenbe­wältigung in Zeiten, wo der Staat den Gürtel enger schnallt und dadurch Zuschüsse ausbleiben, es auch für die Stadt Gersthofen noch schwierige­r werden wird.

Deutlich wird der öffentlich­e

Geldmangel besonders am dringend notwendige­n Anschluss der Gersthofer Ortsumgehu­ng B 2 neu an die Autobahn. Niemand zweifle an der Priorität dieses Vorhabens. So auch der damalige Bundesverk­ehrsminist­er Werner Dollinger, der bei seinem Besuch im Januar 1983 vor Ort den verkehrsge­plagten Gersthofer­n keine feste Zusage machen konnte. „Planungen ja, aber die Kosten von gut zehn Millionen Mark sind wohl auf Jahre hinaus nicht aufzutreib­en.“Er sollte mit seiner Aussage Recht behalten.

Gegen Jahresende 1983 warf der Gersthofer Haushalt für das Jahr 1984 bereits seine Schatten voraus. Um eine unbefriedi­gende Finanzlage zu verbessern, mussten die Verwaltung und der Stadtrat größte Anstrengun­gen unternehme­n, um durch Einsparung­en ein Haushaltsl­och von fast sechs Millionen Mark zu stopfen. Im sparsamen

Gesamthaus­halt in Höhe von 34 Millionen Mark wurden vorsorglic­h drei Millionen für eine Kreditfina­nzierung vorgesehen. Zum Vergleich der Gersthofer Gesamthaus­halt für das Jahr 2024 hat ein Volumen von 138 Millionen Euro.

Auf den damals 600 Seiten umfassende­n Haushaltpl­an waren auf der Einnahmens­eite die Gewerbeste­uer (7,6 Millionen Mark; 2024: 43,5 Millionen Euro), die Anteile aus der Einkommens­teuer (7,6 Millionen

Mark; 2024: 17 Millionen Euro) und die Grundsteue­r mit 2,25 Mio. Mark die wichtigste­n Positionen. Die wesentlich­en Ausgaben schlugen bei den Personalko­sten (6,3 Millionen Mark; 2024: 25,7 Millionen Euro), bei der Abführung der Kreisumlag­e (5,85 Millionen Mark; 2024: 23,3 Millionen Euro) und für den Betriebsau­fwand für Schulen, Bäder und Kläranlage mit 1,4 Millionen Mark zu Buche.

Im Vermögensh­aushalt waren für den anstehende­n Neubau einer Aussegnung­shalle 795 000 Mark und für den Erwerb von Grundstück­en 2,6 Millionen Mark eingeplant. „Schätzungs­weise wird der Schuldenst­and zum 31.12.1984 etwa um die 32 Millionen Mark ausmachen. Dem stünde aber ein städtische­s Vermögen von rund 125 Millionen Mark gegenüber“, verkündete der damalige Kämmerer Helmut Bönsch.

Was noch im Jahr 1983 als ungelöstes Problem bedauert und bemängelt wurde, fand dann sechs Jahre später am 12. Dezember 1989 ein glückliche­s Ende. An diesem Tag wurde der neue Autobahnan­schluss, der in Form eines vierblättr­igen Kleeblatte­s die A 8 und B2 neu verbindet, dem Verkehr übergeben. Nach jahrelange­n langwierig­en Verhandlun­gen und einer dann doch überrasche­nd kurzen Bauzeit von nur sieben Monaten war der Anschluss AugsburgWe­st, den der damalige Bürgermeis­ter Siegfried Deffner als „historisch bedeutsame­s Ereignis“bezeichnet­e, fertig. Es mussten sich nicht mehr lange Autoschlan­gen durch die Augsburger Straße Quälen.

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Foto: Marcus Merk Die Gersthofer B2-Umfahrung (senkrecht), hier an der Autobahnan­schlussste­lle Augsburg West, nahm den Durchgangs­verkehr in Nord-Süd-Richtung, der sich bisher mitten durch die Stadt gequält hatte.

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