Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Eine Japanerin zeigt, wie man Sushi rollt
In unserer Kochserie „Erzähl-Mahl“verrät Katsuko Yabuki-Schmid aus Leitershofen, wie man eine Suppe mit Stäbchen isst – und wie sie ein Tanz in den Landkreis Augsburg führte.
Es gibt ein japanisches Sprichwort, das Katsuko YabukiSchmid besonders gern mag. Sie sagt es mehrmals, als unsere Redaktion zum Kochen zu Besuch ist. Das Sprichwort heißt so viel wie: Es gibt alles im Leben nur einmal, nicht zweimal. Es geht darum, im Moment zu leben. Carpe diem auf Japanisch, könnte man sagen.
Die gelernte Zahnhygienikerin ist in Fukushima aufgewachsen. Mittlerweile lebt die 79-Jährige zusammen mit ihrem ein Jahr älteren Mann Franz seit über 40 Jahren im Stadtberger Stadtteil Leitershofen. Ihre Herkunft sticht Besuchern aus allen Ecken des Hauses ins Auge. Die Stäbchen, die schon sorgfältig an jedem Sitzplatz am Tisch platziert sind. Die kleinen Figuren, die sich auf den Regalen an der Wand tummeln. Die Origami-Kraniche, die von der Decke hängen.
Yabuki-Schmid steht mit rosafarbenem Kopftuch und einer geblümten Kochschürze in ihrer kleinen Küche. Es gibt Sushi. Den Reis dafür hat Yabuki-Schmid bereits gekocht. Nun wischt sie mit einem Stück Nori-Alge über die noch warme Herdplatte. So kann man die Alge gleich besser formen. Yabuki-Schmid legt die Alge auf eine Holzmatte. Dann verteilt sie Reis, Rührei und Rettich darauf und rollt die Alge sorgfältig zusammen.
In Japan lernen schon die Kinder, Sushi zu rollen, erzählt Yabuki-Schmid. Sie hat es von ihrer Mutter gelernt. „Am Anfang hatte ich Probleme, überall war Reis“, gesteht sie. Wichtig ist, dass man die Algen eng rollt, dass sie später nicht auseinanderfallen. Und es hilft, wenn man die Finger vorher nass macht. „Das ist meine Technik, mein Geheimnis“, sagt YabukiSchmid.
Ihren Mann Franz lernte sie kennen, als dieser in den 1970er-Jahren mit einer Reisegruppe aus Stadtbergen zu Gast in Fukushima war. Im Rathaus wurde die Gruppe feierlich empfangen. Es war Kirschblütenzeit, alle Frauen trugen einen Kimono – bis auf zwei. Eine war Katsuko YabukiSchmid. Sie war direkt von der Arbeit gekommen und hatte sich nicht mehr umgezogen. Franz Schmid forderte sie zum Tanz auf – und die beiden verliebten sich ineinander.
Er ging allerdings zurück nach Deutschland, sie blieb zunächst in Japan. Über zwei Jahre schrieben sich die beiden Briefe. Bis eine Antwort kam, dauerte es manchmal mehrere Wochen. Schließlich entschied sich Katsuko YabukiSchmid, nach Deutschland zu gehen. Die beiden heirateten zweimal, einmal schintoistisch, einmal katholisch. Die beiden Söhne sind längst erwachsen.
Zum Sushi gibt es Miso-Suppe mit Kartoffeln, Karotten und Tofu. Die Suppe hat Yabuki-Schmid schon vorbereitet. Einen Löffel sucht man auf dem Tisch vergeblich, stattdessen liegen an jedem Platz Essstäbchen. Eine Suppe mit Stäbchen? Kein Problem für Yabuki-Schmid, die unserer Redaktion zeigt, wie es geht. Mit einer Hand greift sie die Stäbchen, mit der anderen führt sie die kleine Schüssel zum Mund. Zuerst nimmt sie einen Schluck aus der Schüssel, dann pickt sie mit den Stäbchen ein Stück Tofu heraus.
Ihre Stäbchen hat YabukiSchmid schon seit 45 Jahren. Dass sie so lange halten, liegt daran, dass sie mit einem speziellen Lack bestrichen wurden. Wenn das Paar ins Restaurant geht, sind für Yabuki-Schmid allerdings auch Messer und Gabel kein Problem. An die kulinarischen Unterschiede zwischen Deutschland und Japan musste sich ihr Mann Franz erst gewöhnen. „In Japan ist das Frühstück, das Mittagessen und das Abendessen ähnlich“, sagt er. Auch morgens gebe es dort schon Reis und Miso-Suppe.
Ein einschneidendes Erlebnis im Leben von Katsuko YabukiSchmid war die Reaktorkatastrophe von Fukushima im Jahr 2011. In den Tagen danach habe sie jeden Tag verzweifelt versucht, Verwandte und Freunde zu erreichen. Von ihrer Schwester bekam sie erst nach zwei Tagen ein Lebenszeichen. Eine Freundin von ihr kam bei dem Unglück ums Leben. „Eine Katastrophe“war das damals, sagt Yabuki-Schmid. Wenn Leute erfahren, dass sie aus Fukushima kommt, reagieren sie bis heute betroffen.
Heimweh hat Yabuki-Schmid keins, „leider nicht mehr“, sagt sie. „Ich habe so viel zu tun.“Wenn sie nicht gerade Zeit mit ihrem Enkel verbringt, bietet sie OrigamiWorkshops an. Im Sommer wurde sie dabei von einer Gruppe jüngerer Leute gefragt, wie alt sie sei. Dass sie fast 80 ist, hätten sie nicht glauben können. „Sie haben gesagt, ich schaue aus wie 40“, erzählt Yabuki-Schmid und lacht schallend. „Das hat mir Freude gemacht.“
Zum Abschied schenkt YabukiSchmid unserer Redaktion ein Windspiel aus blauen Kranichen, die sie selbst gefaltet hat. Der Kranich ist ihre Lieblings-Origami-Figur, sagt Yabuki-Schmid. Er steht für Glück.
Für unsere Kochserie „ErzählMahl“haben wir mit Menschen aus dem Landkreis Augsburg ein Gericht aus ihrem Herkunftsland zubereitet. Wie haben mit ihnen über ihre Heimat gesprochen und wie sie in der Region gelandet sind. Alle Texte, Videos und Rezepte zur Serie finden Sie unter www.augsburgerallgemeine.de.