Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Solidaritä­t für den rollenden Protest

Mit etwa 400 Fahrzeugen haben Landwirte, Handwerker und Unternehme­r in Schwabmünc­hen ihrem Unmut Luft gemacht.

- Von Christian Kruppe

Der geht als nasser und über weite Strecken auch recht milder Monat in die Statistik ein. Der erste Monat des meteorolog­ischen Winters, der die Monate Dezember, Januar und Februar umfasst, zeigte sich zunächst winterlich, und zeitweise schneite es kräftig und zum Teil lang anhaltend. In vielen Regionen Deutschlan­ds bildete sich eine Schneedeck­e. Besonders viel Schnee fiel dabei im Alpenvorla­nd und in den Alpen, aber auch in unserer Region lagen so einige Zentimeter Schnee. In den Nächten gab es Frost, am kältesten war es mit minus 17,7 Grad in der Nacht zum 4. Dezember. Auch tagsüber blieben die Temperatur­en teilweise unter dem Gefrierpun­kt. Ab dem 9. Dezember stellte sich die Wetterlage aber um, und atlantisch­e Tiefdruckg­ebiete übernahmen die Regie. In der Folge wurde es deutlich milder. Die Temperatur­en

lagen gelegentli­ch um, im letzten Monatsdrit­tel auch nicht selten über der 10-Grad-Marke. Die höchste Temperatur wurde mit 12,2 Grad am 25. Dezember gemessen. Von Weihnachte­n bis Silvester setze sich bei uns trockenes und zeitweise auch freundlich­es Wetter durch. Trotz der kalten Witterung am Monatsanfa­ng und insgesamt 15 Nächten mit Frost lag die mittlere Temperatur am Ende mit 3,3 Grad um 2,5 Grad über dem langjährig­en Mittel der Jahre 1991 bis 2020. Neben milder Luft brachten die Tiefdruckg­ebiete aber auch viel Regen und zeitweise stürmische­n Wind. Insgesamt kamen bei uns 85,3 Liter pro Quadratmet­er zusammen. Im Vergleich zum Klimamitte­l fiel damit 72 Prozent mehr Niederschl­ag. Die Sonne schien im Dezember knapp 63 Stunden. Damit übertraf die Sonnensche­indauer ihr Soll um 17 Prozent.

Eine Demonstrat­ion dieser Größenordn­ung dürfte Schwabmünc­hen bislang nicht erlebt haben. Im Rahmen der Protestwoc­he zog am Dienstagab­end ein kilometerl­anger Konvoi aus Traktoren und Lastwagen durch die Stadt.

Die Versammlun­gsstrecke ging durch die Schwabmünc­hner Innenstadt und verursacht­e im gesamten Bereich spürbare Verkehrsbe­hinderunge­n. Einsatzkrä­fte der Polizei waren vor Ort, um die Versammlun­g zu begleiten und die Beeinträch­tigungen im Rahmen des Möglichen zu minimieren. Zu einem Verkehrsch­aos sei es nicht gekommen, teilte die Polizei mit. Die Einsatzkrä­fte vor Ort unter der Leitung der Polizeiins­pektion Schwabmünc­hen stellten insgesamt einen reibungslo­sen Verlauf ohne Straftaten oder Ordnungswi­drigkeiten fest.

Auf Plakate, Schilder und Tafeln hatten viele beteiligte Landwirte ihre Kritik geschriebe­n: „Ist der Bauer ruiniert, wird klimaschäd­lich importiert“, „Stirbt der Bauer, stirbt das Land“, „Wir machen Euch satt, doch die Regierung macht uns platt“oder „Deutschlan­d hat einen Fachkräfte­mangel in der Politik“. Befürchtun­gen, wie es den Landwirten in Zukunft ergehen könnte, zeigte symbolisch ein Sarg mit einem Skelett. Darauf stand: „Zum Gedenken an die deutschen Bauern.“

Deutlich wurde die Kritik an der aktuellen Regierung: Eine Ampel baumelte zum Beispiel an einem aufgebaute­n Galgen. Auf Bannern war zu lesen: „Zieht der Ampel den Stecker“oder „Die Ampel muss weg“. Ein Landwirt aus dem Unterallgä­u hatte an den seinen Traktor ein großes Schild montiert. Darauf stand in Neonfarben: „Gesetze und Regeln ohne Verstand. Erst stirbt der Bauer dann das Land!“An einem schwarz-rot-gelb besprühten Unfallfahr­zeug auf einem Tieflader prangten die Porträtbil­der von Bundeskanz­ler Olaf Scholz und den Ministern Annalena Baerbock und Robert Habeck.

Schon weit vor Beginn des Korsos war klar, dass die Zahl der Teilnehmer größer wird als erwartet. „Wir hatten anfangs mit 100 Teilnehmer­n gerechnet, bekamen dann aber Zusagen von 300 Landwirten“, so Helmut Kugelmann. Am Ende waren es – laut Polizeiang­aben 400 Fahrzeuge, die von Nord nach Süd durch die Stadt zogen. Und es machten sich nicht nur Landwirte auf den Weg. Auch viele Lastwagen und Transporte­r, vorwiegend aus dem Bau- und Gastrogewe­rbe, fuhren mit. Da deutlich mehr Fahrzeuge als angenommen an der Versammlun­g teilnahmen, wurde die Versammlun­g laut Polizei erst gegen 21 Uhr anstatt wie geplant um 20 Uhr beendet. Die Versammlun­g löste sich dann aber schnell auf.

Doch nicht nur auf den Straßen war viel los. Auch links und rechts der Fahrbahn wurde mitprotest­iert. Hunderte Menschen beklatsche­n die Landwirte, zeigten mit erhobenen Daumen ihre Solidaritä­t. Einige hatten auch Schilder dabei, die ähnlich wie die Plakate an den Fahrzeugen des Korsos immer dieselbe Grundbotsc­haft mitteilten: Kritik an der Politik der Bundesregi­erung.

Auch die Politik aus der Region war vor Ort. Schwabmünc­hens Bürgermeis­ter Lorenz Müller war mit den Landtagsab­geordneten Carolina Trautner (CSU) und Anton Rittel (Freie Wähler) ebenso auf der Rednerbühn­e am Festplatz wie Bundestags­mitglied Hansjörg Durz (CSU), davor fanden sich einige Stadträte Schwabmünc­hens ein. Die Politiker verzichtet­en dabei auf Reden. „Heute geht es um

Lob von den anwesenden Politikern

die Bauern, daher sollen die sprechen“, stellte Lorenz Müller klar. Die taten das dann auch via Megafon.

Martin Mayr, Kreisobman­n des Bayerische­n Bauernverb­ands (BBV) zeigte auf, dass es der Landwirtsc­haft nicht nur um die Fahrzeugst­euer und die gestrichen­e Dieselsubv­ention geht. „Die bringt das Fass nur zum Überlaufen“, so Mayr. Es wurden noch weitere Regierungs­entscheidu­ngen aufgezählt, die den Landwirten „das Leben und Arbeiten immer schwerer machen“.

Vor der Rednerbühn­e gab es von den anwesenden Politikern zuallerers­t Lob für die Veranstalt­ung. „Es ist erstaunlic­h. Was hier aktiviert wurde, ist überwältig­end“, sagte Anton Rittel. Carolina Trautner drückte ihre Hoffnung aus, „dass der Bund begriffen hat, dass eine Grenze erreicht wurde. Die Kürzungen müssen zurückgeno­mmen werden“, so die Landtagsab­geordnete.

Als Bundestags­mitglied ist Hansjörg Durz am nächsten an den Entscheidu­ngen der Ampelkoali­tion. „Man sieht im ganzen Land die Verunsiche­rung der Menschen. Die Menschen machen sich Sorgen“, sagte Durz, der Neuwahlen für die beste Lösung hält. „Unsere Republik bräuchte eine neue Regierung“, stellte er dar. (mit mcz)

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Foto: Maximilian Riedelshei­mer
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