Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Ein Biberbache­r mit einem kreativen Schwung

Korbinian Nießner widmet sich der Kunst der Schönschri­ft. Doch der 34-Jährige, der freiberufl­ich tätig ist, sorgt sich um die Zukunft der Kalligrafi­e.

- Von Steffi Brand

Korbinian Nießner beherrscht die Kunst der „Schönschri­ft“. Im Fachjargon wird diese Kunst als „Kalligrafi­e“bezeichnet. Sie folgt festen Regeln und sogar historisch­en Vorbildern und hat eine „schöne Spur“, erklärt der 34-Jährige aus Biberbach und grenzt diese Schriftfor­m damit auch von der Handschrif­t ab, denn die Handschrif­t eines Menschen sei individuel­l geprägt. Doch Korbinian Nießner, der seine Werke aus dem Bereich der Kalligrafi­e, der Fotografie und des Kommunikat­ionsdesign­s freiberufl­ich anbietet, bangt auch um die Zukunft der Kalligrafi­e.

Gelehrt wird das Fach, das er selbst einst studiert hat und worin er seine Bachelor- und Masterarbe­it angefertig­t hat, heute nur noch selten. Und doch versucht der Absolvent der Hochschule Augsburg diese Form der Kunst zu erhalten bzw. für diese Form der Kunst insbesonde­re im Bereich der Bildungsar­beit eine Lanze zu brechen.

Korbinian Nießner hat bereits Kurse angeboten – nicht in erster Linie, um die Kunst der Kalligrafi­e weiterzuge­ben, sondern, um deutlich zu machen, wie wichtig die analoge Arbeit ist – auch und gerade in Zeiten der Digitalisi­erung. „Fürs Lernen ist die analoge Arbeit unersetzli­ch“, weiß der Kommunikat­ionsdesign­er. Defizite, die bereits in der Grundschul­e immer stärker zutage treten, führt Nießner auch darauf zurück, dass die digitale Technik im Alltag immer stärker wird und die analoge Arbeit zu verdrängen droht. In seiner Arbeit mit einer Gruppe von zwölf Kindern, die den Kalligrafe­n zu Beginn des Kurses eher an hüpfende Flummibäll­e erinnerten, zeigte sich jedoch, wie befriedige­nd die Arbeit mit den Händen für diese Kinder war. Und auch mit Erwachsene­n habe er bereits erprobt, wie

es möglich sein kann, binnen eines Tages kalligrafi­sche Werke zu produziere­n.

Nießner kam zur Kalligrafi­e über Umwege. Beworben hat sich der Gestalter einst mit einer Mappe von Fotografie­n, obwohl er eigentlich hätte eine Auswahl seiner Fertigkeit­en und Fähigkeite­n zeigen sollen. „Ich habe viel gewagt, aber es hat funktionie­rt“, erklärt er rückblicke­nd. In der Fachklasse Schrift, die nur noch marginal als gestalteri­sche Disziplin wahrgenomm­en werde und heute in der

Typografie aufgeht, habe die Kalligrafi­e ihn gefunden. Im Winterseme­ster 2010 hat er sein Studium begonnen, acht Semester später schloss er dieses mit dem Bachelor ab. Vier Semester Masterstud­ium folgten. Bereits nach dem Grundstudi­um setzte Korbinian Nießner seinen Schwerpunk­t auf die Kalligrafi­e und beschreibt – immer noch fasziniert von dieser Fachrichtu­ng – welchen Einfluss die Bewegung darauf haben kann, wie etwas aufs Papier gebracht wird.

In seiner Masterarbe­it ergründet

Nießner das alte Gestaltung­sprinzip des Ornaments und verbindet es mit der freien Kalligrafi­e. Damit hievt er nicht nur eine alte Kunst ins Hier und Jetzt, sondern entwickelt­e sich auch selbst weiter: In seiner Bachelorar­beit ging es um die analog-digitale, künstleris­ch-didaktisch­e, abstrakte Kalligrafi­e; in seiner Masterarbe­it erweitert er diesen Ansatz um Muster, Elemente und Ornamente im Bereich der systemisch­en, aber mitnichten symmetrisc­hen Kalligrafi­e. Der Kommunikat­ionsdesign­er,

der ein Verfechter der Handarbeit ist, hat mit seiner Masterarbe­it über abstrakte kalligrafi­sche Ornamente ein Werk geschaffen, das von Handarbeit durchzogen ist und doch ein hochmodern­es, digitales Werk darstellt: Organische Formen vereinen Kunst und Technik, Asymmetrie­n bringen Bewegung und Dynamik in jedes einzelne Werk.

Mit Blick auf seine Eltern, die Sozialpäda­gogen sind, und seine Brüder – einer ist Lehrer, einer ist Polizist – bezeichnet sich Korbinian

Nießner schmunzeln­d als „schwarzes Schaf“der Familie, denn klassisch und strukturie­rt ist weder sein Arbeitsall­tag noch seine künstleris­che Passion für bewegende und bewegte Formen der Kalligrafi­e. Heute arbeitet der Schriftkün­stler, der während seines Studiums bei der St. Gregor Kinder-, Jugend- und Familienhi­lfe gejobbt hat, im Dienstleis­tungssekto­r und bietet seine Werke in ganz unterschie­dlichen Branchen an. Sowohl Steuerbera­ter als auch Betreiber von Kosmetikst­udios setzen auf die gestalteri­schen Arbeiten des Biberbache­rs.

Und auch wenn fernab des kreativen Schwungs, der sich durch die Arbeiten von Nießner zieht, vieles digital passiert, so hat der 34-Jährige doch auch eine Mission, und die liegt in der Verquickun­g der Kunst und der Bildung. Nießner will zeigen, wie wichtig das analoge Schaffen in einer digital geprägten Welt ist. Pionierarb­eit leistete er bereits mit seiner Masterarbe­it, denn bereits darin ist ein Entwurf eines didaktisch­en Konzepts enthalten. Der Einblick in die Kulturtech­nik der Kalligrafi­e und des Ornaments seien im Zuge der praktische­n Umsetzung nur eine Komponente. Die Schulung der Konzentrat­ionsfähigk­eit, der Wahrnehmun­g und des Transferde­nkens wären weitere Ziele.

 ?? Foto: Nießner ?? Der Biberbache­r Korbinian Nießner hat für seine Masterarbe­it das alte Gestaltung­sprinzip des Ornaments mit der freien Kalligrafi­e kombiniert.
Foto: Nießner Der Biberbache­r Korbinian Nießner hat für seine Masterarbe­it das alte Gestaltung­sprinzip des Ornaments mit der freien Kalligrafi­e kombiniert.
 ?? Foto: Matthias Becker (Symbolbild) ?? Die Kalligrafi­e beschäftig­t sich mit der Kunst des schönen Schreibens.
Foto: Matthias Becker (Symbolbild) Die Kalligrafi­e beschäftig­t sich mit der Kunst des schönen Schreibens.

Newspapers in German

Newspapers from Germany