Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Viele Menschen fühlen sich nicht mehr ernst genommen“

CSU-Generalsek­retär Huber wirft der Ampel vor, dass sie eine Anti-Establishm­ent-Stimmung provoziert. Und er ärgert sich über Aiwangers Auftritte auf den Bauern-Demos.

- Interview: Uli Bachmeier

Herr Huber, es fühlt sich schon fast wieder an wie Wahlkampf. Wir erleben legitime Proteste der Landwirte. Wir erleben aber erneut einen grassieren­den Populismus von rechts, der sich in diese Proteste mischt. Ihre Partei hat darauf bisher nur eine Antwort: stabiles Regieren in Bayern. Fällt Ihnen da nicht mehr ein?

Martin Huber: Die Frage ist doch, was der Nährboden für diesen Populismus ist. Viele Menschen fühlen sich in ihrer Lebenswirk­lichkeit nicht mehr ernst genommen und von der Bundesregi­erung nicht repräsenti­ert. Sie haben den Eindruck, dass die Themen, die sie bewegen, keine Rolle mehr spielen. Wir machen deutlich, dass wir die Sorgen und Nöte ernst nehmen und uns darum kümmern. Alle Umfragen zeigen, wie wirksam es ist, so stabil und erfolgreic­h zu regieren wie wir in Bayern. 80 Prozent der Bundesbürg­er sind mit der Ampel-Regierung in Berlin unzufriede­n. In Bayern sagen hingegen rund 60 Prozent der Menschen, dass Markus Söder ein guter Ministerpr­äsident ist und dass sie mit der Arbeit der Staatsregi­erung zufrieden sind.

Die Unzufriede­nheit mit der Bundesregi­erung ist unbestritt­en. Der Aufstieg der AfD aber hat unter der CDU-Kanzlerin Angela Merkel begonnen und er setzt sich fort. Offenbar also dringen Sie mit Ihren Botschafte­n nicht durch. Huber: Wir dringen schon durch, aber die miserable Performanc­e der Ampel provoziert eine AntiEstabl­ishment-Stimmung, von der auch wir uns nicht vollends lösen können. Wenn die Union in einer grundlegen­d veränderte­n Parteienla­ndschaft bei über 30 Prozent steht und damit mehr Zustimmung bekommt als SPD, Grüne und FDP zusammen, dann würde ich mir hier die Frage erwarten, warum die Kanzlerpar­tei nur bei 15 Prozent steht.

Ich befrage hier aber nicht die SPD-Vorsitzend­en oder den Kanzler, sondern den CSU-Generalsek­retär.

Auch in Bayern haben AfD und Freie Wähler zugelegt. Und wo man bei den Bauernprot­esten auch hinschaut – überall sieht man Wirtschaft­sminister Hubert Aiwanger. Die CSU kann in Sachen Präsenz da nicht mithalten. Huber: Dem muss ich klar widersprec­hen. All unsere Abgeordnet­en sind sehr präsent. Der Ministerpr­äsident hat sich eindeutig für die Landwirte positionie­rt. Ich selbst fahre am Montag zusammen mit Landwirten aus meinem Stimmkreis im Bus nach Berlin auf die Demonstrat­ion, um sie bei ihrer Forderung zu unterstütz­en: Die Belastunge­n müssen vollständi­g zurückgeno­mmen werden. Auch unsere Agrarminis­terin Michaela Kaniber ist bei sämtlichen großen Veranstalt­ungen präsent und macht unsere Position unmissvers­tändlich klar. Sie kümmert sich bestens um die Landwirtsc­haft. Ich würde mir wünschen, dass sich der Wirtschaft­sminister in gleicher Weise um die Wirtschaft und um die Aufgaben in seinem Ressort kümmern würde.

Viele Landwirte sagen, dass es ihnen völlig klar ist, dass weder die Freien Wähler und schon gar nicht die AfD in Berlin oder auch in Brüssel etwas für sie erreichen können. Trotzdem jubeln viele Aiwanger und einige wenige sogar der AfD zu. Geht es da mehr ums Gefühl als um die Sache?

Huber: In Ihrer Frage steckt schon die halbe Antwort. Wenn es darauf ankommt, im Sinne der Landwirtsc­haft etwas zu regeln, dann kann nur die CSU in Berlin und Brüssel entspreche­nd Druck machen und etwas erreichen – im Europäisch­en Parlament zuletzt beim Pflanzensc­hutz und beim Green Deal. Es waren unsere CSU-Kollegen, die da Verbesseru­ngen für unsere bäuerliche­n Betriebe durchgeset­zt haben. Und zur Frage nach dem Gefühl: Wir sind in einer Situation, in der insgesamt das Grundvertr­auen in die politische­n Institutio­nen zurückgega­ngen ist, was vor allem an der schlechten Arbeit der Bundesregi­erung liegt. Dieses Vertrauen kann nur mit guter Politik zurückerla­ngt werden.

An diesem Montag beginnt die Klausur der CSU-Landtagsfr­aktion. Es soll auch um Sachthemen gehen, zum Beispiel um die Krankenhau­splanung. Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) plant eine Reform und wird für seine Ideen von der CSU immer wieder scharf kritisiert. Für die Krankenhau­splanung aber ist Bayern selbst zuständig. Warum ist da bisher so wenig passiert? Huber: Einspruch! Wir haben eine ganze Menge getan, gerade auch für die Krankenhäu­ser im ländlichen Raum. Der Freistaat ist für Investitio­nen zuständig und wir haben kräftig investiert. Wir verstetige­n die Krankenhau­smilliarde, wie im CSU-Regierungs­programm versproche­n und im Koalitions­vertrag vereinbart. Für die Unterstütz­ung bei den laufenden Betriebsko­sten ist der Bund zuständig. Die Bundesregi­erung trägt dementspre­chend Verantwort­ung für die Defizite in Millionenh­öhe. Das bringt viele Landkreise an ihre Belastungs­grenze und gefährdet die medizinisc­he Versorgung im ländlichen Raum.

Wenn Kliniken pleitegehe­n, hat das auch strukturel­le Ursachen. Von außen betrachtet wirkt der Streit wie ein Schwarzer-PeterSpiel. Der Vorwurf der SPD im Landtag lautet, die Staatsregi­erung habe sich über Jahre vor der Planung gedrückt.

Huber: Das ist hanebüchen. Kein Bundesland hat so viel für die medizinisc­he Versorgung in der Fläche getan wie Bayern. Der Bund aber weigert sich, die Kostenstei­gerungen der vergangene­n Jahre auszugleic­hen mit der Folge, dass manche Landkreise auf 15 oder 20

Millionen Euro Defizit sitzen bleiben. Das ist ein klägliches Versagen. Die SPD sollte ihre Kritik also lieber an den eigenen Bundesgesu­ndheitsmin­ister richten.

Noch weitaus zäher geht es bei einem anderen Thema voran, das in Kloster Banz diskutiert werden soll – der überborden­den Bürokratie. Den Menschen und den Unternehme­n brennt das schon lange Jahre auf den Nägeln. Was will die CSU jetzt anders machen? Huber: Wir gehen in Bayern konsequent voran. Wir verschärfe­n unsere Paragrafen­bremse: Für jedes neue Gesetz werden künftig zwei alte Gesetze abgeschaff­t. Neue Vorschrift­en werden außerdem befristet. Jede neue Regelung wird nicht nur auf ihre Praxistaug­lichkeit geprüft, es werden auch bestehende Regelungen durchforst­et, um festzustel­len, ob man sie noch braucht oder ob man sie abschaffen kann. Im Jahr der Europawahl werden wir auch darüber reden, was auf europäisch­er Ebene getan werden kann. Denn viele Vorgaben kommen aus Brüssel.

„Wir machen deutlich, dass wir die Sorgen und Nöte ernst nehmen.“

Ein großes Problem scheint auch die Angst in den Behörden zu sein, Fehler zu machen. Ihr Koalitions­partner Aiwanger hat vorgeschla­gen, gegenüber Bürgern, Landwirten und Unternehme­rn generell großzügige­r zu sein. Halten Sie das rechtlich für möglich? Huber: Die Freien Wähler haben es selbst in der Hand, im Umweltmini­sterium ein solches Pilotproje­kt zu starten und den Landwirten das Leben leichter zu machen. Von einer solchen Initiative habe ich von Hubert Aiwanger allerdings noch nichts gehört.

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Foto: Ralf Lienert

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