Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Das Land legt sich selbst ein Ei“
Auch Biobauern aus dem Augsburger Land beteiligen sich an den Protesten der Landwirte. Über Gemeinsamkeiten, Unterschiede und die Verantwortung der Verbraucher.
Sebastian Rotter war bisher bei jedem Protest der Landwirte dabei – wenn es ihm zeitlich möglich war. Er ist Landwirt in vierter Generation, betreibt den „Hafnerbauer“-Hofladen am Ortsrand von Gablingen. Mit anderen Bauern demonstriert er gegen politische Entscheidungen, wie den Wegfall der Agrardiesel-Rückvergütung. Und tatsächlich betrifft der Dieselpreis Biobauern teils mehr – weil sie öfter unterwegs sind.
Am Freitag schloss sich Rotter, der 2016 auf Bio umstellte, einer Aktion in Dillingen an, „aus Solidarität“. Tags darauf organisierte er selbst ein Mahnfeuer in Langweid. Am Sonntag wurde ein weiteres Mahnfeuer bei Diedorf entzündet. Dass „Bios nicht auf die Straße gingen“, sei Quatsch. Konventionelle und Öko-Landwirte setzten sich für dieselbe Sache ein. „Als Bio ist man oft Einzelkämpfer“, sagt Rotter.
Doch in der aktuellen Situation werde innerhalb der Streikenden nicht unterschieden. Wie die anderen protestierenden Bauern ist Rotter unzufrieden mit dem Kurs der Ampel-Regierung. Aber nicht nur.
Die Streikenden wollen nicht nur mehr Geld, sondern Veränderungen – auch über die Politik hinaus. Rotter wünscht sich, dass ein Ruck durchs Land geht. „Jeder kann seinen Beitrag leisten. Wenn mein Beitrag ist, die Diesel-Rückversteuerung abzugeben, okay, aber dann muss jeder was tun und nicht nur unsere Branche immer noch etwas“, sagt der Gablinger Landwirt. Vom Verbraucher wünscht er sich statt Lippenbekenntnisse auch Taten. „Viele sagen, wie toll unser Hofladen ist.“Auf den Umsatz schlage sich das nicht nieder. Stattdessen merke er seit einem guten halben Jahr einen Rückgang der Kaufkraft, zu den guten Stammkunden kämen zu wenig neue.
Auch im Hofladen des Schwabmünchner Pfänderhofs habe man nach einem Anstieg in den Coronajahren 2023 einen merklichen Rückgang der Kundschaft gespürt, sagt Katharina Pfänder. Das liege nicht nur an der Konkurrenz im Einzelhandel, der mit Billigangeboten die Preise drücke. Für den Bio-Landwirt komme die zusätzliche Preissensibilität beim Verbraucher erschwerend hinzu. Die einzige Lösung sieht sie darin, dass weniger Preisangebote gemacht und alte Denkmuster aufgebrochen würden. „Die Mehrheit leistet sich nach wie vor das teure Handy, die teuren Schuhe und den teuren Urlaub. Gespart wird beim Essen.“Wer selbst und relativ einfach kocht, könne sich aber sehr günstig bio ernähren.
„Wir haben flächenmäßig keinen so großen Betrieb und im Gemüsebau erfolgen nach wie vor viele Arbeiten in Handarbeit“, so Pfänder. Trotzdem treffe sie die angekündigte Streichung der Agrardiesel-Rückvergütung. Man habe im Jahr 2022 gesamtbetrieblich ungefähr 28.000 Liter Diesel benötigt. Davon entfallen etwa 13.000 Liter auf die ökologische Landwirtschaft, der Rest auf das Gewerbe. Hier sei es wichtig zu wissen, dass es die AgrardieselRückvergütung für allen gewerblich verbrauchten Sprit nicht gebe. „Bei uns fallen außerdem noch weitere Punkte ins Gewicht: Insoweit wir Sprit für die Auslieferung des Gemüses brauchen, betrifft uns auch die Erhöhung der LkwMaut.“
Für Rotter dagegen bedeute es Einbußen von 6500 Euro jährlich, wenn die Rückvergütung von 21
Cent pro Liter in zwei Jahren komplett wegfällt, rechnet der Landwirt vor. Bei der Kfz-Steuerbefreiung ist die Regierung zurückgerudert, sie bleibt vorerst bestehen. „Wenn die noch wegfällt, fehlen mir gute 10.000 Euro im Jahr.“Braucht der Bio-Landwirt durch den Verzicht auf Chemie mehr Treibstoff? „Gegenüber Getreide hat der biologische Anbau schon mehr Aufwand an Zeit und Sprit. Der Konventionelle fährt mit der Spritze ein bis drei Mal aufs Feld, wir müssen mit Hacke und Striegel ein paar Mal öfter fahren, um das Beikraut im Zaum zu halten.“
Man sage sogar, dass in der ökologischen Landwirtschaft pauschal 30 Liter mehr Sprit je Hektar benötigt wird. Beim Kartoffelfeld etwa sei es das Doppelte bis Dreifache.
Die Entscheidung auf Bio umzustellen hat Rotter nie bereut. Er hätte sie nur gern früher getroffen. Die biologische Landwirtschaft sei die letzten zwanzig Jahre gefördert worden, jetzt werde sie zusätzlich erschwert. Mit so einer Politik lege sich das Land selbst ein Ei. Er betont, die Bauern würden schon immer alles hinnehmen, wie voriges Jahr die verpflichtende vierprozentige Stilllegung der Ackerfläche, an die sich jeder halten müsse. Ihn stört, dass alles an seiner Branche ausgetragen werde.
Alfred Hausmann bewirtschaftet in Ehingen rund 130 Hektar Fläche. Der Bio-Landwirt, der einen Hofladen mit Direktvermarktung und eine Hofbäckerei betreibt, sieht das genauso. „Es geht vielleicht nicht um meine Existenz. Aber irgendwann, nach Punkt Nummer 14 von der Regierung hat der Hausmann auch 50.000 Euro gelassen“, sagt der Landwirt ironisch. Die Bio-Landwirte stört die fehlende Planungssicherheit am meisten. Rotter: „Ein Landwirt muss auf 20 Jahre planen und die Politik schafft es nicht, auf drei Jahre zu planen.“Die Politik sei schreckhaft, sie reagiere nur noch auf Probleme.
Durch die aktuellen Proteste rechnen sich auch die Biobauern Chancen aus. Rotter lobt, dass die Politik jetzt das Gespräch mit den Landwirten sucht. „Nichts machen ist auch keine Lösung.“
Bio wurde erst gefördert, jetzt eher erschwert.