Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Weniger Staat ist das billigste Antikrisen­mittel

Seit Jahrzehnte­n verspricht die Politik den Abbau von Bürokratie und produziert immer mehr. Ohne Mut zu geringeren Standards rutscht das Land immer weiter ab.

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beschäftig­ten Menschen in den vergangene­n fünf Jahren um über sechs Prozent.

Das allein wäre kein Problem, wenn sich nicht die Bürokratie­kosten für Wirtschaft und Gesellscha­ft in der gleichen Zeit durch neue Gesetze stark erhöht hätten. In Deutschlan­d misst sie ein Gremium mit dem schönen Namen „Normenkont­rollrat“. Allein die Verwaltung­skosten der Wirtschaft für die Erfüllung der von der aktuellen Koalition beschlosse­nen neuen Bestimmung­en zum Mindestloh­n und dem Gebäudeene­rgiegesetz belasten die Unternehme­n laut dem Rat mit zehn Milliarden Euro Zusatzkost­en pro Jahr. Der Aufwand ist damit laut Normenkont­rollrat viermal so hoch wie die Einsparung­en ganzer drei „Bürokratie­entlastung­sgesetze“, die vorangegan­gene Bundesregi­erungen für die Wirtschaft beschlosse­n hatten.

Was in Zeiten jahrelange­n Aufschwung­s ein Ärgernis war, wird immer mehr zum ernsthafte­n Problem. Europas langjährig­e Wirtschaft­slokomotiv­e lahmt: Als einziges großes westliches Industriel­and fiel Deutschlan­d 2023 in die Rezession. Dabei leiden auch die anderen europäisch­en Länder unter Inflation und hohen Energiekos­ten. Auf dem Weg aus der Krise werden gerade bürokratis­che Vorschrift­en immer mehr zum Ballast.

Nirgendwo ist dies derzeit stärker zu sehen als auf dem Bau: Gesetzlich­e Vorschrift­en und überborden­de Baustandar­ds machen das Bauen in Deutschlan­d bis zu einem Drittel teurer als in den Nachbarlän­dern. Der Anstieg der Zinsen wurde somit zum K.-o.Schlag für viele Neubauproj­ekte und zur existenzbe­drohenden Krise für Wohnungsba­uunternehm­en.

Angesichts der kriselnden Wirtschaft wäre jedoch ein Befreiungs­schlag nötig. Die Ampel plant zwar einen Bürokratie­abbau, doch Vorschläge wie die Verkürzung der Aufbewahru­ngspflicht­en für Rechnungsb­elege von zehn auf acht Jahre, die Aufhebung des Papierzwan­gs für bestimmte Verträge oder die Abschaffun­g der Meldeformu­lare in Hotels erinnern eher an Globuli-Kügelchen als an eine starke Medizin gegen die Krise. Allen voran kommt die Digitalisi­erung wie eh und je in Deutschlan­d durch Datenschut­z als Maß aller Dinge kaum voran.

Der Blick auf die Krise am Bau zeigt, dass ein echter Bürokratie­abbau nur durch den Mut zur Absenkung von Standards gelingen kann und so das billigste Antikrisen­mittel wäre. Beim Bau von Windrädern und Wohnungen haben sich die Ampel und die Länder tatsächlic­h auf kleine Schritte in die richtige Richtung geeinigt. Doch auch hier bleibt das versproche­ne „Deutschlan­dtempo“weit hinter den Erforderni­ssen zurück. Bis die Maßnahmen greifen, vergehen Jahre. Zeit, die sich Deutschlan­d immer weniger leisten kann.

„Deutschlan­dtempo“bleibt hinter den Erforderni­ssen zurück.

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