Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Holpriger Start für das E-Rezept
Seit Beginn des Jahres werden Rezepte beim Arzt digital ausgestellt. Bislang kommt es dabei aber zu Problemen. Eines davon: Teils wird durch die Umstellung mehr Papier verbraucht als vorher.
Wer bei der Gemeinschaftspraxis in Diedorf anruft, hört dieser Tage oft nur eine automatische Ansage: „Alle Leitungen sind belegt. Bitte versuchen Sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“Kein Durchkommen für Schniefnasen und andere Patientinnen und Patienten. Während die Praxen im ganzen Landkreis aufgrund der anhaltenden Erkältungs- und Coronawelle schwer beschäftigt sind, haben sie aktuell noch mit einer anderen Umstellung zu kämpfen: dem E-Rezept. Denn seit Beginn des Jahres sollen Rezepte digital ausgestellt werden. Ganz verzichtet wird auf Papier bislang aber nicht.
Dabei sollte sich das durch das elektronische Rezept eigentlich ändern. Zum 1. Januar müssen Arztpraxen es verpflichtend ausstellen. Theoretisch läuft das so: Statt eines Zettels wird das Rezept von den Praxen auf den Gesundheitskarten der Patientinnen und Patienten gespeichert. Mit den auf der Karte gespeicherten Daten gibt es in der Apotheke dann die verschriebenen Medikamente. Alternativ geht das auch über eine App auf dem Smartphone oder einen ausgedruckten QR-Code. Wobei Letzteres nicht wirklich digital klingt. Im Gegenteil: „Die ausgedruckten QR-Codes benötigen mehr Papier als das alte Rezept“, stellt Dr. Tobias Mollemeyer vom Ärztezentrum Lechfeld in Untermeitingen klar. Grund dafür sei das Format, das nämlich größer sei als die bekannten rosafarbenen Rezepte in Papierform.
Dennoch meint Mollemeyer: „Grundsätzlich ist die Idee gut.“Nur sei sie die Technik bislang nicht ganz ausgereift. In den vergangenen Tagen sei etwa das gesamte Computersystem des Ärztezentrums kurzzeitig abgestürzt. Man gehe davon aus, dass das an der Software zum neuen E-Rezept gelegen habe. Ein solcher Ausfall sorgt für Verzögerungen – und das mitten in einer der größten Krankheitswellen der vergangenen Monate. Zeit koste auch das digitale Unterschreiben der Rezepte, berichtet der Arzt aus Untermeitingen. Bis die digitale Signatur beim
Rezept hinterlegt ist, könne es einige Minuten dauern. Geht der Patient aus der Praxis direkt in die in Apotheke, könne es sein, dass das digitale Rezept deshalb noch nicht eingelöst werden kann, erklärt der Mediziner. Dennoch resümiert er: „In 90 Prozent der Fälle funktioniert alles.“
Eingelöst werden die digitalen Rezepte unter anderem in den Apotheken von Johannes Rehm in Neusäß, Stadtbergen und Augsburg. Er meint: „Es läuft bisher alles relativ reibungslos an.“Allerdings stellt auch der Apotheker fest, dass noch viele Patientinnen und Patienten, einige mit einem Zettel und einem ausgedruckten QR-Code kommen. „Die meisten nutzen aber ihre Krankenkassenkarte“, sagt Rehm. Das Rezept ist dabei nicht direkt auf der Karte gespeichert. Stattdessen wird dort eine Art Code hinterlegt, mit dem dann auf das digital hinterlegte Rezept zugegriffen werden kann. Die App hingegen nutze bislang praktisch niemand, stellt auch der Apotheker fest: „Die ist einfach zu kompliziert.“Auch für den Apotheker gibt es noch technische Probleme.
So könne es sein, dass er ein Medikament bestellt, dass zum Monatswechsel plötzlich teurer wird. Weil die Quittierung der E-Rezepte technisch kompliziert ist, könne es sein, dass er deshalb draufzahlt, erklärt der Apotheker. „Da gibt es noch viele Unklarheiten, was die Abrechnung angeht.“
Der Großteil der Patienten in der Gemeinschaftspraxis in Untermeitingen nutze aktuell die Krankenkarte
als Schlüssel zum neuen E-Rezept, erklärt auch der Arzt Dr. Mollemeyer. Grund dafür sei vorrangig die komplizierte Registrierung. Ob die Krankenkarte überhaupt für das E-Rezept geeignet ist, erkennt man an einer sechsstelligen CAN-Nummer rechts oben und einem Kontaktlos-Logo. Sollte man noch keine Gesundheitskarte mit NFC-Funktion haben, kann man diese bei der Krankenkasse anfordern. Bei manchen
Krankenkassen kann man sich alternativ mithilfe der jeweiligen Krankenkassen-App registrieren.
Sorge hat der Apotheker Johannes Rehm davor, dass Patienten künftig durch digitale Rezepte keinen echten Kontakt mehr zu Experten haben. Schließlich könne das Rezept auch ausgestellt werden, ohne dass man dafür extra in eine Praxis muss. Wird es dann auch noch bei günstigen OnlineApotheken eingelöst, fehle es an persönlicher Beratung, meint der Apotheker. „Online-Apotheken müssen keinen Gewinn machen, das macht es den Apotheken vor Ort schwer“, klagt Rehm. Dabei seien sie neben den Praxen ein wichtiger Ansprechpartner für viele Patienten. Dennoch ist das digitale Rezept auch für den Apotheker grundsätzlich eine gute Idee. „Wenn alles funktioniert, ist es für uns eine echte Arbeitserleichterung.“Schließlich hätten er und sein Team angesichts andauernden Medikamentenengpässe ohnehin mehr als genug Arbeit. „Wir sind ständig damit beschäftigt, Alternativen zu bestimmten Medikamenten zu finden“, sagt Rehm.
Apotheker in Sorge, dass Patienten ohne Beratung bleiben