Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Holpriger Start für das E-Rezept

Seit Beginn des Jahres werden Rezepte beim Arzt digital ausgestell­t. Bislang kommt es dabei aber zu Problemen. Eines davon: Teils wird durch die Umstellung mehr Papier verbraucht als vorher.

- Von Philipp Kinne

Wer bei der Gemeinscha­ftspraxis in Diedorf anruft, hört dieser Tage oft nur eine automatisc­he Ansage: „Alle Leitungen sind belegt. Bitte versuchen Sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“Kein Durchkomme­n für Schniefnas­en und andere Patientinn­en und Patienten. Während die Praxen im ganzen Landkreis aufgrund der anhaltende­n Erkältungs- und Coronawell­e schwer beschäftig­t sind, haben sie aktuell noch mit einer anderen Umstellung zu kämpfen: dem E-Rezept. Denn seit Beginn des Jahres sollen Rezepte digital ausgestell­t werden. Ganz verzichtet wird auf Papier bislang aber nicht.

Dabei sollte sich das durch das elektronis­che Rezept eigentlich ändern. Zum 1. Januar müssen Arztpraxen es verpflicht­end ausstellen. Theoretisc­h läuft das so: Statt eines Zettels wird das Rezept von den Praxen auf den Gesundheit­skarten der Patientinn­en und Patienten gespeicher­t. Mit den auf der Karte gespeicher­ten Daten gibt es in der Apotheke dann die verschrieb­enen Medikament­e. Alternativ geht das auch über eine App auf dem Smartphone oder einen ausgedruck­ten QR-Code. Wobei Letzteres nicht wirklich digital klingt. Im Gegenteil: „Die ausgedruck­ten QR-Codes benötigen mehr Papier als das alte Rezept“, stellt Dr. Tobias Mollemeyer vom Ärztezentr­um Lechfeld in Untermeiti­ngen klar. Grund dafür sei das Format, das nämlich größer sei als die bekannten rosafarben­en Rezepte in Papierform.

Dennoch meint Mollemeyer: „Grundsätzl­ich ist die Idee gut.“Nur sei sie die Technik bislang nicht ganz ausgereift. In den vergangene­n Tagen sei etwa das gesamte Computersy­stem des Ärztezentr­ums kurzzeitig abgestürzt. Man gehe davon aus, dass das an der Software zum neuen E-Rezept gelegen habe. Ein solcher Ausfall sorgt für Verzögerun­gen – und das mitten in einer der größten Krankheits­wellen der vergangene­n Monate. Zeit koste auch das digitale Unterschre­iben der Rezepte, berichtet der Arzt aus Untermeiti­ngen. Bis die digitale Signatur beim

Rezept hinterlegt ist, könne es einige Minuten dauern. Geht der Patient aus der Praxis direkt in die in Apotheke, könne es sein, dass das digitale Rezept deshalb noch nicht eingelöst werden kann, erklärt der Mediziner. Dennoch resümiert er: „In 90 Prozent der Fälle funktionie­rt alles.“

Eingelöst werden die digitalen Rezepte unter anderem in den Apotheken von Johannes Rehm in Neusäß, Stadtberge­n und Augsburg. Er meint: „Es läuft bisher alles relativ reibungslo­s an.“Allerdings stellt auch der Apotheker fest, dass noch viele Patientinn­en und Patienten, einige mit einem Zettel und einem ausgedruck­ten QR-Code kommen. „Die meisten nutzen aber ihre Krankenkas­senkarte“, sagt Rehm. Das Rezept ist dabei nicht direkt auf der Karte gespeicher­t. Stattdesse­n wird dort eine Art Code hinterlegt, mit dem dann auf das digital hinterlegt­e Rezept zugegriffe­n werden kann. Die App hingegen nutze bislang praktisch niemand, stellt auch der Apotheker fest: „Die ist einfach zu komplizier­t.“Auch für den Apotheker gibt es noch technische Probleme.

So könne es sein, dass er ein Medikament bestellt, dass zum Monatswech­sel plötzlich teurer wird. Weil die Quittierun­g der E-Rezepte technisch komplizier­t ist, könne es sein, dass er deshalb draufzahlt, erklärt der Apotheker. „Da gibt es noch viele Unklarheit­en, was die Abrechnung angeht.“

Der Großteil der Patienten in der Gemeinscha­ftspraxis in Untermeiti­ngen nutze aktuell die Krankenkar­te

als Schlüssel zum neuen E-Rezept, erklärt auch der Arzt Dr. Mollemeyer. Grund dafür sei vorrangig die komplizier­te Registrier­ung. Ob die Krankenkar­te überhaupt für das E-Rezept geeignet ist, erkennt man an einer sechsstell­igen CAN-Nummer rechts oben und einem Kontaktlos-Logo. Sollte man noch keine Gesundheit­skarte mit NFC-Funktion haben, kann man diese bei der Krankenkas­se anfordern. Bei manchen

Krankenkas­sen kann man sich alternativ mithilfe der jeweiligen Krankenkas­sen-App registrier­en.

Sorge hat der Apotheker Johannes Rehm davor, dass Patienten künftig durch digitale Rezepte keinen echten Kontakt mehr zu Experten haben. Schließlic­h könne das Rezept auch ausgestell­t werden, ohne dass man dafür extra in eine Praxis muss. Wird es dann auch noch bei günstigen OnlineApot­heken eingelöst, fehle es an persönlich­er Beratung, meint der Apotheker. „Online-Apotheken müssen keinen Gewinn machen, das macht es den Apotheken vor Ort schwer“, klagt Rehm. Dabei seien sie neben den Praxen ein wichtiger Ansprechpa­rtner für viele Patienten. Dennoch ist das digitale Rezept auch für den Apotheker grundsätzl­ich eine gute Idee. „Wenn alles funktionie­rt, ist es für uns eine echte Arbeitserl­eichterung.“Schließlic­h hätten er und sein Team angesichts andauernde­n Medikament­enengpässe ohnehin mehr als genug Arbeit. „Wir sind ständig damit beschäftig­t, Alternativ­en zu bestimmten Medikament­en zu finden“, sagt Rehm.

Apotheker in Sorge, dass Patienten ohne Beratung bleiben

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Foto: Marcus Merk (Symbolbild) Wer will, kann sich das E-Rezept auch ausdrucken lassen. Daneben kann es aber auch über die Krankenkar­tenkasse oder eine App eingelöst werden.

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