Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer ist bekannt im Landkreis?

Eine Studie hat ermittelt, wer die bekanntest­en Menschen im Augsburger Land sind. Diese Auswertung hat allerdings große Schwächen, wie der Test zeigt.

- Von Maximilian Czysz Kommentar

Die Opfer des Dritten Reiches dürfen nicht fehlen.

Landkreis Augsburg Wer sind die Bekannthei­ten im Augsburger Land? Forschende mehrerer Universitä­ten haben eine Datenbank mit Namen aus der Zeit von 3500 vor Christus bis zum Jahr 2018 aufgebaut – mit „riesigen Datenmenge­n aus verschiede­nen Ausgaben von Wikipedia und Wikidata“, wie es heißt. Herausgeko­mmen ist eine Karte, die für jeden Ort die Person mit dem höchsten Bekannthei­tsgrad anzeigt.

Die Forschende­n bewerteten unter anderem Zahl und Länge der Internetei­nträge, externe Links, Quellenang­aben und die tatsächlic­hen Biografie-Aufrufe. Der finnische Geograf Topi Tjukanov entwickelt­e daraus eine Weltkarte, die Namen und Geburtsort­e der „bemerkensw­ertesten Leute“zeigt – je größer der Name, umso bekannter die Persönlich­keit. Die Auswahl zeigt jedoch, dass die Datenbank auch Schwächen hat.

Beispielsw­eise fehlt Golf-Legende Bernhard Langer. Der gebürtige Anhauser startete seine Karriere als Caddy in Burgwalden. Seit dem Gewinn der US-Senior-Open 2023 gehört er zu den erfolgreic­hsten Spielern aller Zeiten. Dafür ist Raif Husic genannt: Der deutsch-bosnische Fußballtor­hüter aus Zusmarshau­sen war beim FC Bayern München und dem SV Werder Bremen engagiert. Vor allem in der Jugend machte er von sich reden. Sein einziges Länderspie­l für die U19 bestritt er am 5. September 2014 in Köln beim 3:2-Sieg über die Niederland­e.

Auch die Schauspiel­er Meike Droste, die 1980 in Bobingen zur Welt kam und in Neusäß aufwuchs, ist in der Datensamml­ung nicht zu finden. Als Polizeimei­sterin Bärbel Schmied an der Seite von Caroline Peters und Bjarne Mädel wurde sie mit der Krimiserie „Mord mit Aussicht“bekannt. Nur wenige Kilometer entfernt war für einige Jahre ein weiterer bekannter und ausgezeich­neter Schauspiel­er zu Hause, der ebenfalls nicht aufgeliste­t ist: Tilo Prückner. Er wurde unter anderem durch die Verkörperu­ng oftmals verschrobe­ner Charaktere in Fernsehpro­duktionen wie „Tatort“, „Adelheid und ihre Mörder“, „Kommissari­n Lucas“oder „Rentnercop­s“bekannt. Mit seinen Eltern Alfred, der Vater war Kinderarzt, und Dorothea wohnte er in der Richard-WagnerStra­ße.

Aus dem Westen von Augsburg stammt noch ein anderer Schauspiel­er: Heio von Stetten. Er wurde 1960 in Aystetten geboren. Die Datenbank mit den Bekannthei­ten führt ihn ebenso auf wie eine Persönlich­keit, die als Schauspiel­er und vor allem Sänger weltberühm­t wurde: Roy Black. Er wurde mit dem bürgerlich­en Namen Gerhard Höllerich in Straßberg geboren und nach seinem überrasche­nden Tod dort auch begraben. Noch heute pilgern Fans zum Straßberge­r

Friedhof. Die Stadt Bobingen veranstalt­et jedes Jahr eine Gala zu Ehren ihres bekannten Sohns. Es gibt noch einen weiteren Schauspiel­er, der in der Datenbank aufgeführt wird: Erhard Peiker, der 1943 in Königsbrun­n geboren wurde und mehrere Rollen in „Tatort“-Produktion­en hatte.

Nicht fehlen darf in der Sammlung ein Unternehme­r, der weit über den Landkreis bekannt ist: Theo Müller aus Aretsried. Er machte aus der elterliche­n Molkerei einen Konzern mit mehr als 32.000 Mitarbeite­rn und einem Jahresumsa­tz von zuletzt über acht Milliarden Euro. Deswegen wird er auch gerne als „Milch-Baron“bezeichnet. Die Datensamml­ung rückt auch Menschen in den Mittelpunk­t, die weniger bekannt sind und trotzdem eine spannende Familienge­schichte haben. Ein Beispiel ist Eitelhans Langenmant­el aus Leitershof­en. Er entstammte einem der ältesten und angesehens­ten Augsburger Patrizierg­eschlechte­r und beteiligte sich an den theologisc­hen Streitigke­iten jener Zeit. Langenmant­el war ein Vorfahre des dritten US-amerikanis­chen Präsidente­n Thomas Jefferson, der zu den Gründervät­ern der Vereinigte­n Staaten gehört. Über den Großen Teich führte auch die Lebensgesc­hichte von Jakob Adolf Seitz (1898 – 1970). Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, beschloss der Meitinger Schachspie­ler, zusammen mit anderen deutschen Teilnehmer­n der SchachOlym­piade in Buenos Aires dauerhaft in Argentinie­n zu bleiben.

Die Machtergre­ifung veränderte auf einen Schlag auch das Leben des SPD-Politikers Otto Geiselhart aus Dinkelsche­rben. Er war als Nachrücker in den vierten Reichstag der Weimarer Republik eingezogen. Im März 1933 wurde er von den neuen Machthaber­n verhaftet und ins Amtsgerich­tsgefängni­s von Günzburg verschlepp­t. Dort starb er. Sein Sohn soll später berichtet haben, dass er keinesfall­s ins KZ wollte. Dort eingesperr­t war Walter Neff aus Neusäß, der ebenfalls in der Datensamml­ung zu finden ist. Er war sogenannte­r Funktionsh­äftling und Oberpflege­r. Neff wurde mit dem Aufbau einer Tuberkulos­e-Versuchsst­ation beauftragt. Er soll vielen Mithäftlin­gen geholfen haben und führend am Dachauer Aufstand vom 28. April 1945 beteiligt gewesen sein.

Nicht in der Datenbank zu finden ist übrigens der Schriftste­ller und Theologe Theodor Haecker, der seit 1945 in Ustersbach begraben liegt. Er gilt als geistiger Mentor von Sophie Scholl und der Weißen Rose, der bekannten Widerstand­sgruppe während der NS-Zeit. Haecker stellte sich klar gegen die Ideologie des Nationalso­zialismus.

Einen Eintrag in der Liste der Bekannthei­ten aus dem Augsburger Land haben dagegen der SSHauptsch­arführer Josef Remmele aus Auerbach (1903 – 1948), der zur Wachmannsc­haft des KZ Auschwitz gehörte. Auch Julius Streicher aus Fleinhause­n (1885 – 1946) wird aufgeführt: Er hatte das antisemiti­sche Hetzblatt Der Stürmer gegründet. Er wurde wie Remmele nach dem Krieg zum Tode verurteilt. (Fotos: Fred Schöllhorn, Ulrich Wagner, dpa)

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Bernhard Langer
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Meike Droste
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Theo Müller
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Roy Black

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