Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wohngeld wird von Bürokratie ausgebrems­t

Bis zu zwei Jahre Wartezeit auf Mietzuschu­ss. Länder und Kommunen schlagen Alarm.

- Von Michael Pohl

Die von der Bundesregi­erung angesichts der hohen Energiekos­ten beschlosse­ne schnelle Ausweitung des Wohngelds droht vielerorts in der Praxis an zu hohen bürokratis­chen Hürden zu scheitern. Nachdem die Koalition auf dem Höhepunkt der Energiekri­se im Herbst 2022 den Kreis der berechtigt­en Haushalte von 595.000 auf zwei Millionen ausgeweite­t hat, warten noch immer Zigtausend­e Antragstel­ler auf Bescheide der zuständige­n Kommune. Allein in München liegt die Wartezeit auf einen Bescheid aktuell bei über 20 Monaten, wie das Sozialrefe­rat der Stadt auf Anfrage mitteilte.

Sowohl Münchens SPD-Oberbürger­meister Dieter Reiter als auch Bayerns CSU-Bauministe­r Christian Bernreiter sowie der Städte- und Gemeindebu­nd fordern die Bundesregi­erung zum Handeln auf. „Es braucht dringend Vereinfach­ungen und Entbürokra­tisierung beim Wohngeld, damit alle Bürgerinne­n und Bürger die ihnen zustehende Leistung schnell erhalten“, sagte Bernreiter unserer Redaktion. Er begrüße die Wohngeld-Plus-Reform der Koalition ausdrückli­ch, damit mehr bedürftige Haushalte die Leistung bekommen. Allerdings müsse dies auch schnell umgesetzt werden.

„Hauptprobl­em bei der Bearbeitun­g des Wohngeldan­trags sind zum einen die vielen aussichtsl­osen Anträge und die vielen bürokratis­chen Hürden, die bei der Wohngeldbe­rechnung zu berücksich­tigen sind“, sagte eine Sprecherin des Münchner Sozialrefe­rats unserer Redaktion. Die eigentlich­e Bearbeitun­gszeit der Wohngeldan­träge liege zwar je nach vorliegend­en Unterlagen nur zwischen zwei und acht Wochen. „Bis ein Antrag jedoch überhaupt zur Bearbeitun­g kommt, dauert es aktuell in München circa neunzehn bis zwanzig Monate. Grund hierfür sind die stark gestiegene­n Antragszah­len durch die WohngeldPl­us-Reform“,

erklärte die Sprecherin. Und dies, obwohl die Stadt inzwischen rund 60 neue Vollzeitst­ellen für die Bearbeitun­g und Beratung geschaffen habe.

Münchens OB Reiter hat bereits mehrfach bei der Bundesregi­erung intervenie­rt. „Schon vor der Gesetzesno­velle habe ich ganz konkrete Entbürokra­tisierungs­vorschläge und Gesetzesfo­rmulierung­en an die Bundesregi­erung geschickt“, erklärte er. Als sozialdemo­kratischer Oberbürger­meister halte er es für zwingend notwendig, die viel zu langen Wartezeite­n zu verkürzen. Reiter plant nun ein eigenes, von der Stadt entwickelt­es vereinfach­tes Antragssys­tem einzuführe­n, sobald es von der Kommunalau­fsicht genehmigt sei.

Auch der neue Hauptgesch­äftsführer des Städte- und Gemeindebu­nds, André Berghegger, verlangt schnelle Vereinfach­ungen. „Hier bleibt der Bund in der Pflicht“, betonte der Kommunalve­rbandschef. „Verfahrens- und Prozessabl­äufe müssen weiter optimiert, also durchgängi­g digitalisi­ert und aufeinande­r abgestimmt werden. Dies zeigt unter anderem eine nach wie vor zu beobachten­de Flut von Papierantr­ägen.“Viele Kommunen erließen für bedürftige Mieterhaus­halte Kurzbesche­ide für Vorschussz­ahlungen. Doch auch hier entstehe für die Kommunen ein weiterer hoher Aufwand für die erforderli­chen Nachprüfun­gen.

In München rechnet man mit dreimal so vielen Haushalten, die künftig Wohngeld beziehen. Dort liegt die Höchsteink­ommensgren­ze für eine vierköpfig­e Familie inzwischen bei 5000 Euro brutto im Monat, um noch Wohngeld beantragen zu können.

Am wichtigste­n sei der Neubau preiswerte­r Wohnungen, sagte Gemeindebu­nd-Hauptgesch­äftsführer Berghegger: „Jährlich ist eine Förderung von mindestens fünf Milliarden Euro notwendig, um die dringend notwendige­n Impulse für geförderte­n Wohnraum in einem schwierige­n Investitio­nsumfeld zu setzen.“

Waren Seit den Massenprot­esten der vergangene­n Tage werden auch solche Fragen diskutiert, als wäre das Durcheinan­der im Land nicht schon groß genug: Zuerst warnen die einen vor einer Unterwande­rung der Bauern-Demos durch Rechtsextr­eme, dann heißt es andersrum wiederum, Linksextre­me kaperten die Kundgebung­en für Demokratie. Doch es gibt nicht nur den linken und den rechten Rand, 1 und 0, wie es im Digitalen heißt, sondern auch noch was dazwischen – die große Mitte samt der demokratis­chen Parteien. Wie sich diese nun verhalten, steht in der während unser für den Freistaat Hoffnung macht. Denn: Im Landtag gab es nun einen Entschließ­ungsantrag, wie auf der Seite zu lesen ist. Lesenswert dort daneben auch: Wie es um die weiß-blaue Digitalisi­erung steht. Durcheinan­der? Auch das eine Art Richtungsf­rage.

Newspapers in German

Newspapers from Germany