Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Welcher Tannenbaum fliegt am weitesten?

Die meisten Christbäum­e machen schon an Heilig Drei König den Abflug. In Augsburg kamen am Sonntag einige Bäumchen bei einer Meistersch­afts-Premiere noch einmal zu einer besonderen Ehre.

- Von Katharina Indrich

Es ist das harte Los eines jeden Christbaum­s. Erst feierlich geschmückt und andächtig besungen, dann mancherort­s mit viel Schnaps in den Himmel gelobt, sinkt der Stellenwer­t des guten Stücks nach den Weihnachts­feiertagen mit jeder Nadel, die zu Boden rieselt. Viele fliegen schon zu Heilig Drei König aus dem Fenster, so mancher darf noch bis Lichtmess bleiben. Dann aber fristen die vertrockne­ten einstigen Stars des Weihnachts­fests ein trauriges Dasein am Straßenran­d, bis die Stadt sie ihrer letzten Bestimmung zuführt. Einige wenige Weihnachts­bäume hatten in Augsburg am Sonntag dagegen noch einmal ihren großen Auftritt. Als Sportgerät bei der ersten Augsburger Weihnachts­baumweitwu­rf-Meistersch­aft, an der knapp 70 Menschen teilnahmen.

Als einer der Ersten schreitet der fünfjährig­e Haru zur Tat. Mit festem Griff umklammert er das stachelige Bäumchen für die Altersklas­se U8, das ihn um einige Zentimeter überragt, und schleudert es dann mit Leibeskräf­ten auf die Wiese neben der Sportanlag­e Süd. Die Kampfricht­erin zückt das Maßband und misst. Drei Meter und drei Zentimeter im ersten Versuch. Ein guter Anfang, doch damit will sich Haru noch nicht zufriedeng­eben. Beim dritten und letzten Anlauf holt er mächtig Schwung und schleudert sein Wurfgerät in einem weiten Bogen in die Luft. 4,20 Meter weit fliegt es diesmal. Und Haru reckt stolz die Hände in Siegerpose nach oben. Warum er heute hergekomme­n ist? Für den Fünfjährig­en ist das sonnenklar: „Weil ich einen Preis gewinnen will“, sagt er keck.

Schließlic­h winkt dem Sieger der ersten Auflage der Weihnachts­baumweitwu­rfmeisters­chaft ein Gutschein für einen echten Weihnachts­baum für das Fest in elf Monaten. Und natürlich ewiger Ruhm und Ehre. Dafür unterbrich­t so mancher Augsburger den Sonntagssp­aziergang, krempelt die Ärmel hoch und schnappt sich einen Weihnachts­baum. An mehreren Stationen fliegen die Bäumchen, die in diesem Jahr im Augsburger Rathaus ihren Dienst als Christbaum taten, durch die Luft. Kleinere für die Kinder, mittlere für die Damenwelt und die ganz dicken Brummer für die Herren der Schöpfung. Die halten sich zu Beginn der Veranstalt­ung allerdings noch vornehm zurück. Da greifen noch hauptsächl­ich Frauen zum Baum. So wie die Mama von Haru oder aber die 75-jährige Christa. Sie sei gewisserma­ßen von ihrem Enkel zur Teilnahme gezwungen worden, verrät sie zwischen den Versuchen. Vier Meter und 60 Zentimeter stehen am Ende auf ihrem Zettel. „Das erinnert mich ein bisschen an meine Schulweitw­ürfe von früher“, sagt die 75-Jährige mit einem Grinsen. „Aber ich hoffe darauf, dass es eine Seniorenkl­asse gibt.“

Ganz unterschie­dliche Wurfvarian­ten gibt es an diesem Tag zu sehen. Geworfen wird mit brachialer Gewalt und ausgefeilt­er Technik. Mit einer Drehung oder in der Speerwerfe­rpose, mit Anlauf oder von unten nach oben. Pentti Buchwald

beobachtet das Spektakel auf der Wiese gemeinsam mit den zahlreiche­n Zuschauern amüsiert. Seit zwölf Jahren organisier­t der Förster den Wettbewerb im Landkreis Augsburg. Dass der Wettbewerb in diesem Jahr in der Stadt Augsburg Premiere feiert, ist ihm zu verdanken. „Ich habe gesagt, als ‘Waldgebiet des Jahres’ müsst ihr schon mal was so machen“, so Buchwald. Denn so ein Weihnachts­baumweitwu­rfwettbewe­rb sei nicht nur ein Riesenspaß, sondern auch eine schöne Gelegenhei­t, auf den Wald aufmerksam zu machen. „So kann man die Leute auf eine andere Weise für den Wald begeistern.“So sieht es auch Jürgen Kircher, Chef der Augsburger Forstverwa­ltung. Er zeigt sich an diesem sonnigen Sonntagnac­hmittag äußerst zufrieden mit der Beteiligun­g und kann sich gut vorstellen, dass die Meistersch­aft auch in Augsburg zu einer Tradition werden könnte. „Nach einmal hören wir sicher nicht auf“, sagt er, während in seinem Rücken weiter die Bäume fliegen.

Auch Edith aus Leitershof­en hat sich einen geschnappt. Im Landkreis war sie schon mehrmals am Start und hat dort auch schon den Sieg geholt. Heute ist sie zufällig vorbeigela­ufen. „Da hab ich mir gedacht: Wenn das der Pentti sieht, dass die Stoaderer das jetzt auch machen“, erzählt sie lachend. Nun kommentier­en sie Seite an Seite die sportliche­n Leistungen der Stadtbevöl­kerung. „Die Augsburger

Männer sind jetzt eher so die zärtlicher­en Typen“, bemerkt Pentti Buchwald schnippisc­h und vergibt für die einzelnen Wurfstile kreative Namen – angefangen beim Gögginger Stadtschle­nzer über den Muhaggl-Turbo bis hin zum Bärenkelle­r-Flipflop. Bei den Männern geht es am Ende knapp zu. In einem Stechen mit dem leichteren „Mädchenbau­m“setzt sich am Ende Dominik mit der Tagesbestw­eite von 10,40 Metern gegen Philipp mit 9,90 Metern durch und wird von Jürgen Kircher zum „Gesamtwelt­meister“erklärt. Bei den Frauen hat Schreineri­n Jessica mit 7,90 Metern die Nase vorn. Nächstes Jahr will sie wieder dabei sein. „Und dann knacke ich die neun Meter“, sagt sie kämpferisc­h.

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Fotos: Michael Hochgemuth
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