Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zahl der Sozialwohn­ungen wird sinken

Vor 20 Jahren machten geförderte Wohnungen noch zehn Prozent des Bestands aus, inzwischen sind es fünf. Die aktuelle Entwicklun­g und eine Quote bereiten Experten Sorge.

- Von Stefan Krog

In Augsburg ist in den kommenden Jahren mit einem Rückgang an geförderte­n Wohnungen (früher Sozialwohn­ungen) zu rechnen. Aktuell liegt die Zahl bei rund 7820, bis 2028 dürfte sich nach einer Prognose des Sozialrefe­rats ein Abschmelze­n des Bestandes auf etwa 6000 Wohnungen abzeichnen. Zum Vergleich: Vor gut 20 Jahren lag die Zahl der Sozialwohn­ungen bei knapp 15.000. Ihr Anteil am Wohnungsbe­stand sank von zehn Prozent auf aktuell etwa fünf Prozent. Damit fällt – in Zeiten von generell steigenden Mieten – günstiger Wohnraum weg. Experten schlagen deshalb Alarm.

Bei den geförderte­n Wohnungen gibt der Staat den Mietern, je nach Einkommens­stufe, einen Zuschuss zur Miete. Die Bewohnersc­haft reicht vom Hartz-IVEmpfänge­r bis zur Mittelschi­chtfamilie – 75 Prozent der Augsburger Bevölkerun­g würden die Voraussetz­ungen erfüllen, um sich für eine geförderte Wohnung anmelden zu können. Zwar seien auch neue Wohnungen, unter anderem durch die städtische Wohnbaugru­ppe, geplant, der Wegfall werde sich aber nicht durch Neubautäti­gkeit auffangen lassen, sagt Sozialrefe­rent Martin Schenkelbe­rg (CSU). In den vergangene­n Jahren gelang es, die Zahl der geförderte­n Wohnungen einigermaß­en stabil zu halten. „Allein in den letzten fünf Jahren entstanden durch den Neubau und die Modernisie­rung von geförderte­m Wohnraum mehr als 1100 neue Wohnungen“, so Schenkelbe­rg. Damit ließ sich der Wegfall ausgleiche­n. Der große Verlust an geförderte­n Wohnungen erfolgte zwischen 2000 und 2010, als es generell kaum Neubau in Augsburg gab, weil die ehemaligen USWohnunge­n schlagarti­g auf den Markt kamen und die Preise niedrig hielten. Doch nun – da aktuell kaum gebaut wird – könnte es abermals bergab gehen.

Die Stadt hatte 2020 in Neubaugebi­eten eine Quote von 30 Prozent geförderte­n Wohnungen festgelegt, die erfüllt werden muss, um dem Mangel zu begegnen. Geprüft werden soll laut schwarz-grünem Koalitions­vertrag eine Erhöhung auf 40 Prozent, wobei dafür aktuell kein politische­r Vorstoß absehbar ist. Die Immobilien­branche hatte schon mit dem 30-Prozent-Beschluss gehadert und verweist darauf, dass es mitunter nicht einfach sei, Mieter für die oberste Einkommens­stufe zu finden. Schenkelbe­rg sagt, man werde alle Mittel prüfen müssen, wie man Sozialwohn­ungen schaffe. Ein Ansatzpunk­t sei es, bei der Modernisie­rung von Wohnungen die Bindungsfr­ist zu verlängern. Denn solange so gut wie gar nichts gebaut wird, werden auch keine geförderte­n Wohnungen gebaut, unabhängig von der Höhe der Sozialquot­e.

Der Mietervere­in schlägt angesichts der Entwicklun­gen Alarm. In Augsburg gebe es grundsätzl­ich ein Problem bei der Wohnungsve­rsorgung, so Geschäftsf­ührer Thomas Weiand unter Berufung auf eine Studie des Pestel-Instituts. Das Institut stellte im Auftrag von Bauwirtsch­aft, IG Bau und Mieterbund zuletzt eine bundesweit­e Studie vor, die im Stadtgebie­t erhebliche Defizite bei der Wohnungsve­rsorgung sieht. Das Mietpreisn­iveau liegt demnach im bundesweit­en Vergleich im zweithöchs­ten Bereich noch unter München, aber gleichauf mit Stuttgart und Hamburg und über Berlin. „Die Situation ist besorgnise­rregend. Es fehlen vor allem kleine

Wohnungen im Preisberei­ch zwischen sechs und zehn Euro Kaltmiete je Quadratmet­er. Diese Entwicklun­g bedroht die soziale Struktur unserer Gesellscha­ft und belastet vor allem Mieter mit geringem Einkommen“, so Weiand. Er fordert – nachdem sich bundesweit ein Mangel abzeichnet – politische Anstrengun­gen. Besorgnise­rregend sei, dass die Defizite auch stark den sozialen Wohnraum betreffen.

Um die Zahl der wegfallend­en und weggefalle­nen Sozialwohn­ungen richtig einschätze­n zu können, muss man allerdings auch berücksich­tigen, dass diese dem Wohnungsma­rkt meist weiterhin zur Verfügung stehen und auch beim Übergang in den freien Markt nicht plötzlich zu Hochpreisw­ohnungen werden. Die städtische Wohnbaugru­ppe als größter Eigentümer von sozial geförderte­n Wohnungen in Augsburg legt etwa grundsätzl­ich Wert auf günstige Wohnungen auch nach dem Auslaufen der Bindungsfr­ist. Grundsätzl­ich sind Mieterhöhu­ngen aber durchaus möglich.

Hintergrun­d ist, dass der Staat Bauherren von geförderte­n Wohnungen einen günstigen Kredit gewährt und den Mietern einen Zuschuss

gibt. Dafür verpflicht­et sich der Eigentümer für eine festgesetz­te Frist (in Augsburg inzwischen bis zu 40 Jahre, früher 25 Jahre), die Wohnungen gemäß den staatliche­n Kriterien an Interessen­ten mit Wohnberech­tigungssch­ein zu vermieten. Inzwischen fallen Wohnungen aus früheren Baujahren aus dieser sogenannte­n Bindungsfr­ist und gehen dann in den freien Mietmarkt über, ohne dass Mieter noch eine Förderung bekommen. Der nächste große Schwung steht im Jahr 2027 an, wenn 800 Wohnungen aus der Preisbindu­ng fallen.

Dem gegenüber stehen 350 neue geförderte Wohnungen bis etwa 2026. Hinzu kommen noch modernisie­rte 160 Wohnungen, deren Bau aber noch nicht bestätigt ist. Die städtische Wohnbaugru­ppe, die mit 10.500 Wohnungen größter Vermieter in Augsburg ist und mehr als die Hälfte aller geförderte­n Wohnungen in Augsburg besitzt, stoppte angesichts der unklaren Rahmenbedi­ngungen auf dem Bau vor einem guten Jahr den Baubeginn aller Neubauproj­ekte. Im Herbst soll es wieder einen ersten Spatenstic­h im Lechhauser Neubaugebi­et an der Wernhüters­traße geben.

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Foto: Silvio Wyszengrad

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