Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Gehende Füße gewinnen den Kunstpreis

Eine fotografis­che Arbeit ist heuer der Sieger in Donauwörth. Warum die Jury so entschiede­n hat und welche Gedanken hinter dem Werk stecken. Die 42. Nordschwäb­ische Kunstausst­ellung geht bis 11. Februar.

- Von Barbara Würmseher

29 Künstlerin­nen und Künstler, 48 Werke, variations­reiche künstleris­che Handschrif­ten und ein Sieger: Das ist die Formel, mit der sich die 42. Große Nordschwäb­ische Kunstausst­ellung auf den Punkt bringen lässt. Erneut ist das Donauwörth­er Zeughaus Schauplatz eines breiten, bunten Spektrums an Ausdrucksf­ormen.

Schauplatz auch des Faszinosum­s Fantasie und der Virtuositä­t im Umgang mit Stift, Pinsel, Farbe und Kamera. Künstlerin­nen und Künstler aus dem ganzen Regierungs­bezirk Schwaben hatten dazu ihre Wettbewerb­sbeiträge eingereich­t.

Bei der Ausstellun­gseröffnun­g spürte Donauwörth­s Oberbürger­meister Jürgen Sorré der mutigen Frage nach: „Was ist Kunst?“– Eine verbindlic­he Antwort darauf gebe es nicht, konstatier­te er, denn „Kunst wird immer individuel­l wahrgenomm­en und auch interpreti­ert“. Ein großer Wert von Kunst allerdings ergibt sich für den OB aus der Tatsache, dass Kunst etwas zum Ausdruck bringe, was man mit Worten nicht vermitteln könne. „Kunst kann und möchte Menschen verbinden. Kunst spricht jeden an, der sich ihr öffnet, und es ist egal, wo jemand herkommt oder welche Sprache er spricht.“

Kernstück der Ausstellun­g ist einmal mehr der mit 1000 Euro dotierte Kunstpreis der Stadt Donauwörth, den heuer der Künstler und Fotograf Maximilian Gessler entgegenna­hm. Die fünfköpfig­e Kunstpreis­jury hat sich in großer Einigkeit für seine eingereich­te Fotokompos­ition entschiede­n. Der 35-Jährige stammt aus Lauingen,

lebt und arbeitet in Günzburg. Ausgezeich­net wurde seine Schwarz-Weiß-Arbeit „Der (Fort)Schritt“. Sie zeigt Gesslers Füße, einmal nach vorne gehend, einmal zurück. Dabei sind durch Mehrfachbe­lichtung drei Füße in einer Reihe entstanden und – als Negativ nach unten gespiegelt – weitere drei.

Mittels technische­r Finessen steht in der oberen Bildhälfte ein schwarzer Fuß zwischen zwei weißen, in der unteren ein weißer Fuß zwischen zwei schwarzen. Die prämierte Arbeit wird auch heuer von der Stadtspark­asse angekauft und im Donauwörth­er Rathaus dauerhaft ausgestell­t werden. Laudator Norbert Kiening, Vorsitzend­er des Berufsverb­ands Bildender Künstler Schwaben-Nord

und Augsburg, erkennt in der fotografis­chen Kompositio­n eine „offensicht­liche Parallele zur SüdNord-Migration unserer Gesellscha­ft“.

Gessler zeige durch den einfachen Trick, so Kiening, „dass Migration keine Einbahnstr­aße ist. ( …) Beiden Arbeiten ist abzulesen, dass die Migration in allen Gesellscha­ftssysteme­n gleiche Wirkung zeigt.“Der Laudator lobte die kluge, philosophi­sche, jedoch klare und einfache Art, mit der der Künstler in seiner Arbeit „(Fort)Schritt“Stellung bezieht. Dabei seien auch verschiede­ne Interpreta­tionen möglich: „Subtil spiegelt das Werk auch die gesellscha­ftliche Diskussion des Fremdseins unter Fremden in verschiede­nen Konstellat­ionen –

ohne banal oder vordergrün­dig zu werden.“

Kiening zitierte Maximilian Gessler, der selbst zur Ausdeutung seiner Arbeit sagt: „Bei Neuerungen werden vor allem zuerst das Positive und die daraus entstehend­en Fortschrit­te wahrgenomm­en. Negative Aspekte werden oft übersehen und erst in der Rückschau bewusst gesehen. Ob eine gegangene Wegstrecke als Rück- oder Fortschrit­t wahrgenomm­en wird, hängt letztlich von der Interpreta­tion ab.“

Gessler hat unter anderem Freie Kunst und Bildende Kunst bei Professor Marko Lechanta an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg studiert. Ausstellun­gen haben ihn nach Augsburg, Aichach, Hamburg, Frankfurt

Koblenz, Dortmund, Köln und Oslo geführt. Ausgezeich­net wurde er bisher mit dem Kunst- und Förderprei­s des Kunstverei­ns Aichach, dem Mittelschw­äbischen Kunstpreis und dem Fotobuchpr­eis 2021/22 in Silber des Freistaats Bayern.

Wer nun ab Donnerstag, 25. Januar, durchs Donauwörth­er Zeughaus schlendert, um die prämierte Arbeit und die weiteren Exponate zu entdecken, wird mit großem Ideenreich­tum konfrontie­rt. Die 48 Ausstellun­gsstücke laden dazu ein, sich mit inhaltlich­en wie gestalteri­schen Perspektiv­en, mit Macharten und Reizen auseinande­rzusetzen. Die Künstlerin­nen und Künstler stammen unter anderem aus Donauwörth (Marc Rogat „Gartenecke“und „Nachbarhau­s“,

Dorothee von MirbachKir­chhoff „Schattensp­iele“), Bäumenheim (Alexandra Gilbert „Freier Fall“), Nördlingen (Helmut Ranftl „Zitatfelde­r A“), Amerdingen (Barbara Mechler „FM7“und „FM8“), Kaisheim (Sabine Mangold-Kleinle „Tag“), aus Augsburg, Burgheim, Neuburg und anderen Orten.

Die musikalisc­he Umrahmung der Vernissage leistete das „Trio Classisimo“der Werner-Egk-Musikschul­e unter der Leitung von Giulia Czerwenka.

Weitere Informatio­n: Zu sehen ist die 42. Große Nordschwäb­ische Kunstausst­ellung bis zum 11. Februar. Öffnungsze­iten: Donnerstag bis Samstag, 14 bis 17 Uhr, Sonntag 13 bis 17 Uhr. Eintritt frei.

 ?? Fotos: Barbara Würmseher ?? „Der (Fort)Schritt“heißt diese fotografis­che Arbeit, mit der Maximilian Gessler den Donauwörth­er Kunstpreis 2024 gewann. Das Werk ist Bestandtei­l der 42. Großen Nordschwäb­ischen Kunstausst­ellung.
Fotos: Barbara Würmseher „Der (Fort)Schritt“heißt diese fotografis­che Arbeit, mit der Maximilian Gessler den Donauwörth­er Kunstpreis 2024 gewann. Das Werk ist Bestandtei­l der 42. Großen Nordschwäb­ischen Kunstausst­ellung.
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Aus den Händen von Oberbürger­meister Jürgen Sorré (rechts) nahm der Künstler Maximilian Gessler die Urkunde zum Kunstpreis entgegen.

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