Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie lange kommt die Milch noch von hier?
Die Bauern demonstrieren. Manche kapitulieren. Und wieder andere suchen Wege aus der Krise. Ein Gespräch mit Milchviehhaltern aus dem Landkreis Augsburg.
35 Kühe hält Anton Perkl in Anried. „Das geht noch so lange, bis ich einen neuen Stall bauen muss. Das tue ich mir einfach nicht mehr an.“Sein Sohn werde den Hof dann ohne Milchvieh weiterführen. Alfred Birkle hält in Hiltenfingen genauso viele Kühe. Noch. „Meine vier Kinder haben alle tolle Jobs. Das, was sie da verdienen, bekommen sie in der Landwirtschaft nicht.“Der ältere Sohn von Ulrich Wagner studiert Agrarbusiness in Weihenstephan, ist auf dem elterlichen Bauernhof aufgewachsen. Ob er die 62 Milchkühe samt Nachwuchs, Biogasanlage und 120 Hektar Land eines Tages übernimmt? „Er wird sich genau ausrechnen müssen, ob es sich lohnt“, sagt der Vater beim Rundgang über das Gelände. Landwirt, das sei eine Lebenseinstellung. Die Grundlage dafür, sieben Tage die Woche zu arbeiten. Trotz niedrigem Milchpreis. Trotz all der Auflagen, der Subventionen und der großen Abhängigkeit davon.
Wagners betreuen die Kälber in Gruppenboxen, eine neuere Auflage. Früher waren Einzelboxen gefordert. In einem großen Stall steht das Jungvieh: Schwarzbunte, Holsteiner, Fleckvieh und zwei gedrungene dunkelbraune JerseyKühe. In die hatte sich Wagners
Ehefrau Heike MammensohnWagner verliebt, also mussten sie mit.
Hinter dem nächsten Tor leben 62 Milchkühe. Eineinhalb Jahre hat es gedauert, aber jetzt haben sich alle an den etwa 200.000 Euro teuren Melkroboter gewöhnt. „Die Tiere sind viel entspannter und können kommen, wann sie wollen“, das sei, so Wagner, der Hauptgrund für die rund 20.000 Euro teure Investition gewesen. „Wer keine Verantwortung für Tiere hat, weiß nicht, was das bedeutet“, sagt der Landwirt. Doch ohne seine Einnahmen aus der Biogasanlage sei so eine Investition wie der Roboter gar nicht zu stemmen. „Mein Melkroboter ist meine Frau“, sagt
Landwirt Alfred Birkle trocken. Hubert Fischers Betrieb in Willishausen ist Wagners ähnlich. Beide liegen zudem sehr zentral. Auflagen wie eine bessere Entlüftung oder mehr Raum für die Tiere seien mitten im Ort schwer umsetzbar. Fischer selbst, einer von fünf Söhnen, hätte den elterlichen Hof nicht übernehmen müssen. „Aber ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht“, sagt er.
Für Karolina Mögele und ihre Geschwister ist klar: Der Hof in Kreuzanger bleibt in Familienhand. Knapp 100 Kühe gehören zum Betrieb bei Bobingen. Dazu 100 Kälber samt Jungvieh, 250 Hühner, eine Biogasanlage und 80 Hektar Land. „Vor 20 Jahren waren 100 Kühe viel, davon konnte eine Familie leben. Jetzt geben auch solche Höfe schon auf“, sagt Mögele. Die junge Frau ist 19 Jahre alt. Im vergangenen Jahr hat sie ihre Ausbildung zur Landwirtin abgeschlossen. Dabei hatten ihr die Eltern geraten, auch etwas anderes auszuprobieren. „Ich hab zig Praktika in allen möglichen Bereichen gemacht“, sagt die jüngere der beiden Töchter und lacht. „Aber es war immer klar, was ich machen will.“Schwester Philomena, amtierende Bayerische Milchprinzessin, studiert Landwirtschaft, der kleine Bruder will Metzger werden.
Alle sind sich einig, dass die Lebensmittel in Deutschland zu günstig sind, angesichts der Arbeit, die dahintersteckt. Eigentlich würden die Lebensmittel subventioniert, nicht die Landwirtschaft. Sie wissen auch: Ohne Subventionen hat die bäuerliche Landwirtschaft auf dem Weltmarkt keine Chance. „Aber ohne uns werden auch keine Wege geräumt, steht die große Wiese fürs Dorffest nicht zur Verfügung, kein schweres Gerät nach einem Hochwasser, schneidet niemand die Stauden und, wenn man die Feuerwehr ruft, ist vielleicht keiner mehr da. Denn in den Vereinen sind wir ja auch aktiv“, zählt Kreisrätin und Bäuerin Wally Meitinger aus Ried auf. Abgesehen davon wäre das Urlaubsland Bayern ohne die bäuerliche geprägte Kulturlandschaft dann auch Geschichte.
„Ich will mit 80 nicht mehr im Stall stehen. Das tue ich mir nicht mehr an. Aber leisten kann ich mir das auch nur, weil ich andere Einnahmen habe“, sagt Anton Perkl. Hubert Fischer betont, sein Betrieb sei auf dem modernsten Stand. Das sichere die Zukunft. Familie Wagner kann sich gut vorstellen, dass einer der beiden Söhne den
Seit zehn Jahren Pläne in der Schublade
Hof übernimmt. Aber sie bräuchten eine Perspektive, sagen die Eltern. Auch Karolina Mögele macht sich Gedanken um die Zukunft. „Es geht nicht darum, dass man mehr arbeiten muss – es geht inzwischen um die Existenz.“Modernisierung für Mensch und Tier findet sie gut. Demnächst muss der Jungviehstall umgebaut werden, die Pläne liegen seit zehn Jahren in der Schublade. Doch Mögeles fehlt die Planungssicherheit. Die BDMMitglieder unterstützen die Forderung ihres Verbandes nach fairen Marktbedingungen, um einen Milchpreis zu erzielen, der nicht nur die Kosten deckt, sondern Rücklagen und Investitionen erlaubt sowie flexibel auf Krisen reagiert. „Dann hat die Milchviehhaltung eine Zukunft“, sagen sie.