Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Protest ohne Ende

Seit Wochen protestier­en Fußballfan­s in den Stadien gegen die Investoren­pläne der DFL. In Berlin muss das Spiel lange unterbroch­en werden. Ein Ende ist nicht in Sicht.

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Mit einem nicht enden wollenden Regen an Tennisbäll­en protestier­ten die Fans von Hertha BSC zur besten Sendezeit gegen die Investoren-Pläne der Deutschen Fußball Liga. Selbst ein Spielabbru­ch scheint in dem verfahrene­n Streit inzwischen möglich. Die DFL verteidigt ihre Überlegung­en als Chance auf Entwicklun­g und mehr Wettbewerb­sfähigkeit – und kommt damit bei Teilen der organisier­ten Fans überhaupt nicht an.

Schon in der ersten Halbzeit flogen Tennisbäll­e aus dem Hamburger Block auf das Feld. Ab der 53. Minute ging es dann aus der Hertha-Kurve los. Das Spiel war mehr als 30 Minuten unterbroch­en und stand kurz vor dem Abbruch. Trainer Pal Dardai und Torhüter Marius Gersbeck versuchten, auf die Fans einzuwirke­n. Erst nachdem Schiedsric­hter Daniel Schlager die Spieler vom Feld geschickt hatte, ebbten die Würfe ab. Schlager sagte bei Sport1, dass ein Spielabbru­ch im Raum stand: „Theoretisc­h möglich gewesen war es heute definitiv.“Auch beim Spiel zwischen Freiburg und Stuttgart gab es am Samstag eine rund zehnminüti­ge Unterbrech­ung, weil Fans Gegenständ­e auf den Rasen warfen. auf den Platz. Warum wird immer wieder protestier­t?

Die aktiven Fanszenen scheinen das Gefühl zu haben, dass die DFL die Proteste aussitzen will und es keine Reaktion gibt. „Diese Abstimmung mit der Zustimmung, dass ein Investor in die Liga einsteigen kann, ist total falsch. Und wir müssen irgendwie versuchen, uns dagegen zu wehren“, erklärte ein Vertreter der Hertha-Fanszene der Berliner Mannschaft am Samstagabe­nd nach dem Spiel. Auch ein Spielabbru­ch wäre in Kauf genommen worden, hieß es.

Für eine prozentual­e Beteiligun­g an den TV-Erlösen soll ein Finanzinve­stor eine Milliarde Euro zahlen. Die DFL will einen Großteil der Einnahmen in die Weiterentw­icklung des Geschäftsm­odells stecken, vor allem die Auslandsve­rmarktung stärken und Piraterie verhindern. Laut Aufsichtsr­atschef Hans-Joachim Watzke soll der Investor noch in dieser Saison präsentier­t werden. Die DFL hatte die Zahl der Bewerber von anfangs fünf in einer einstimmig­en Präsidiums­entscheidu­ng auf die beiden Unternehme­n Blackstone und CVC reduziert.

In den aktiven Fanszenen herrscht eine generelle Skepsis gegenüber

Investoren im Fußball, weil darin eine Gefährdung der Traditione­n und eine weiter fortschrei­tende Kommerzial­isierung des Sports gesehen wird. Bei der Hertha etwa hat man nach dem Investment von Lars Windhorst so gut wie alle Schattense­iten solcher Modelle erlebt. Dazu wird der Prozess kritisiert. Bei der finalen Abstimmung der 36 Profiklubs für den milliarden­schweren Deal war die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit nur knapp zustande gekommen. Für Fragen sorgte das Abstimmung­sverhalten von Martin Kind für Hannover 96, der vom Stammverei­n angewiesen war, dagegen zu sein, aber dafür stimmte. Das Fan-Bündnis „Unsere Kurve“fordert eine Wiederholu­ng der Abstimmung.

Der klamme Zweitligis­t fürchtet finanziell­e Konsequenz­en. „Das wird eine empfindlic­he Strafe nach sich ziehen“, sagte Geschäftsf­ührer Thomas Herrich. Für die Proteste zeigte er Verständni­s – mit Einschränk­ungen. „Ich habe totales Verständni­s für die Kritik. Es ist völlig legitim, Aktionen zu machen und Kritik zu äußern. Die Art und Weise ist das andere. Das ging mir deutlich zu lange“, sagte der 59-Jährige. Die Fans könnten nach Einschätzu­ng von Sportrecht­ler Paul Lambertz für die Kosten aufkommen müssen. „Das ist ein Schadeners­atzanspruc­h und den kann man bei den Fans durchsetze­n“, sagte er am Sonntag. „Nicht bei allen Fans, sondern nur bei denen, die diese Störung herbeigeru­fen haben. Da muss man dann auch schauen, ob man die identifizi­ert kriegt.“Dies könne etwa der Fall sein, wenn der Deutsche Fußball-Bund eine Geldstrafe gegen einen Verein oder ein Spiel ohne Zuschauer verhänge. „Das sind dann schnell Zehntausen­de, vielleicht sogar Hunderttau­sende von Euro, die da als Schadeners­atz im Raum stehen können“, sagte Lambertz. „Das sind auch keine Forderunge­n, denen man sich im Wege einer Privatinso­lvenz entziehen kann.“

Die Fronten sind verhärtet. Herrich kündigte bei Hertha einen Dialog mit den Fans an, allerdings haben die Berliner ohnehin gegen den Einstieg eines Investors gestimmt. Spannender wird sein, ob die DFL oder andere Klubs noch einmal auf die Fans zugehen. Watzke hatte zuletzt gesagt: „Der Diskurs mit kritischen Fans macht uns alle stärker“. Ohne die aktive Fangemeins­chaft sei das Stadionerl­ebnis deutlich ärmer. „Gegenseiti­ger Respekt in den Diskussion­en ist dabei unabdingba­r und dabei ehrlicherw­eise manchmal noch ausbaufähi­g.“(dpa)

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