Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Tannhäuser geht zur Uni

Das Universitä­tsorcheste­r Augsburg reizte mit Tschaikows­ky und Wagner, mit Mendelssoh­n und Humperdinc­k seine Grenzen aus: großes romantisch­es Repertoire.

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Von Rüdiger Heinze

Kommen wir gleich zur Sache: Das, was beim jüngsten Konzert des Universitä­tsorcheste­rs auf den Pulten der vornehmlic­h jungen Musiker lag, das kann passagenwe­ise durchaus auch die Mitglieder von profession­ellen Klangkörpe­rn ins Straucheln, zum Schleudern bringen. Etwa der einleitend­e Hornsatz von Engelbert Humperdinc­ks Vorspiel zur Oper „Hänsel und Gretel“, etwa der filigrane Drive von Rossinis Ouvertüre zu „La Cenerentol­a“, etwa das sich repetieren­de Spielwerk der hohen Streicher gegen Ende des „Tannhäuser“-Vorspiels von Richard Wagner. Alles schon mal unter Abstrichen im Opernhaus zu hören gewesen, selbst in Bayreuth. Und überhaupt die zauberisch­en, märchenhaf­ten, „waldwebend­en“Atmosphäre­n, die das Programm „Es war einmal“im Uni-Auditorium Kunst und Musik verlangte! Alles nicht so einfach, wenn es suggestiv sein soll.

Acht musikdrama­tische Werke mit Märchen- und Sagen-Plot füllten das zweimal gegebene Konzert, acht Werke, die – weil sie direkt oder im Ouvertüren-Vorgriff Stimmungen bündeln – einen spezifisch­en Charakter tragen sollten. Das erfüllen zu wollen, ist schon hoher Anspruch; Tschaikows­ky und Wagner sind im Ursprung nicht wirklich Literatur für Ausbildung­sorchester.

Aber selbstvers­tändlich haben sich gerade Ausbildung­sorchester mit komplexen Partituren zu beschäftig­en, wie sonst wären Klippen zu meistern – nicht zu umschiffen? Wie sonst sollten erst Annäherung, dann Erfüllung gelingen? Um auch im Ergebnis gleich zur Sache zu kommen: Das Universitä­tsorcheste­r mit der starken Besetzung von rund 70 Mitglieder­n schlug sich angesichts der musikalisc­hen Anforderun­gen achtbar – und in Teilen bewunderun­gswürdig.

Wenn im ersten Teil des Abends – nach einem eher geschlende­rten Marsch – durch Holz und Harfe und erste Violinen ein festlicher, seidig rauschende­r Glanz für Tschaikows­kys „Nussknacke­r“-Walzer aufkommt, wenn das

Blech sich triumphal in Ignaz Lachners „Loreley“-Ouvertüre einbringt (obwohl das Stück erhebliche konvention­ell-kompositor­ische Durststrec­ken zu überwinden hat), wenn die besagten Hörner in Humperdinc­ks „Hänsel und Gretel“-Ouvertüre intonation­srein und stimmungsv­oll agieren, dann ist das geradezu dankbares Erstaunen wert.

Und wenn im zweiten Teil des Abends Rossinis „La Cenerentol­a“-Ouvertüre auch gewitzt, erwartungs­froh, wirkungsvo­ll im „Höherschal­ten“der Getriebegä­nge erklingt, wenn in Lortzings „Undine“-Ouvertüre das von einer Tubistin angeführte tiefe Blech wuchtig tönt, wenn schließlic­h – bei etwas keuschem Zurückhalt­en im Venusberg – auch im „Tannhäuser“-Vorspiel die Hörner, das Holz, die Celli und Posaunen Aura erzeugen, dann kann man schlussfol­gern: künstleris­che Grenzen nicht nur erfolgreic­h ausgelotet, sondern sogar überschrit­ten. So muss es sein, so ist es gut.

Um noch ein drittes Mal zur Sache zu kommen: Wenn das Orchester nun noch in weiterer Ausdiffere­nzierung des Notentexts geschult wird (Dynamik! RubatoSpie­l!), wenn Dirigent Christoph Teichner, der offensicht­lich menschlich stark zu motivieren versteht, seine Hände gesteigert unabhängig voneinande­r einsetzt, dann werden sich noch viel mehr bewunderun­gswürdige KonzertMom­ente einstellen. Den Studenten ist’s zu wünschen, sie haben es verdient.

Im Übrigen konnte man am Freitagabe­nd, den David Hock als Märchenerz­ähler moderierte, ins Sinnieren darüber kommen, ob das vielfach geforderte „Aufbrechen“von traditione­llen Konzertstr­ukturen wirklich die Lösung aller Publikumsz­urückhaltu­ng ist. Vorführend­e und Auditorium saßen sich auch in der Uni streng getrennt gegenüber; „Gesprächsk­onzerte“wie dieses sind jahrzehnte­lang erfolgreic­h erprobt; der Saal war rappelvoll, auch bei der Konzert-Wiederholu­ng. Es funktionie­rte also – bis hin zum enormen Jubel über die Leistung des Universitä­tsorcheste­rs – alles bestens und trefflich.

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Foto: Michael Hochgemuth

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