Augsburger Allgemeine (Land Nord)

So heißen die meisten Augsburger

Müller ist der häufigste Nachname. Doch unter den am meisten verbreitet­en Namen gibt es Überraschu­ngen – und hinter vielen steckt mehr, als man denkt.

- Von Jakob Stadler

Müller führt die Liste der häufigsten Nachnamen in Augsburg mit großem Abstand an: 1420 Menschen tragen dort diesen Namen, wie Daten zeigen, die uns das Bürgeramt der Stadt Ende Januar bereitgest­ellt hat. Auf Platz zwei folgt Schmidt, mit 927 Namensträg­ern in der Stadt. Mit den ersten beiden Plätzen steht Augsburg exemplaris­ch für ganz Deutschlan­d: Auch auf die gesamte Bundesrepu­blik bezogen liegen diese beiden Namen auf Platz eins und zwei. In Augsburg folgen dann Fischer, Wagner, Schneider, Schmid mit „d“, Weber und auf dem neunten Platz die häufigste MayerSchre­ibweise. Während bei diesen Namen die Bedeutung naheliegen­d ist, ist die Herkunft bei anderen überrasche­nd. Eine Übersicht über die Top 100 und deren Herkunft bietet unsere Grafik.

Dass Namen wie Müller und Schmidt derart häufig sind, liegt daran, dass sie sich aus Berufsbeze­ichnungen herausgebi­ldet haben. Viele der Namen sind im Mittelalte­r entstanden – ein Ur-UrAhn eines Müllers betrieb also vor ein paar Hundert Jahren eine Mühle. Ein Vorfahre eines Schmidts hat vermutlich als Schmied gearbeitet. Festgeschr­ieben wurden die Nachnamen in Deutschlan­d dann erst im 19. Jahrhunder­t. Durch Lautversch­iebungen, Dialekte und Begriffe, die heute nicht mehr verwendet werden, ist nicht immer gleich zu erkennen, woher der Name eigentlich stammt.

Online gibt es verschiede­nste Datenbanke­n, die über die Herkunft der Namen aufklären. Unter anderem lassen sich die meisten Familienna­men über das digitale Familienna­menwörterb­uch der Seite namenforsc­hung.net recherchie­ren, einem Projekt der Akademie der Wissenscha­ften und der Literatur in Mainz.

Berufsname­n sind besonders häufig, aber nicht immer ist der zugrunde liegende Beruf direkt erkennbar: Der Name Böck, den es in Augsburg 186-mal gibt, bezieht sich beispielsw­eise auf den Beruf des Bäckers. Der Name Huber verweist auf einen Bauern, der eine Hube Land verwaltete – damit war das Gut eines Bauernhofe­s gemeint. Alle Mayer-Variatione­n gehen auf den Beruf eines Hofverwalt­ers zurück, der Meier genannt wurde. Neben Namen, die sich auf einen Beruf beziehen, sind sogenannte Patronyme besonders häufig: Nachnamen, die sich aus dem Vornamen des Vaters – seltener auch anderer Familienmi­tglieder – entwickelt haben. So sind Nachnamen entstanden, die auch als – meist männliche – Vornamen gebräuchli­ch sind. Daher haben etwa die 261 Walters, die 212 Martins und die 185 Herrmanns in Augsburg ihre Familienna­men. Manche Patronyme sind nicht sofort als solche zu erkennen: Der mit 198 Vertretern häufige Name Seitz etwa stammt von einer Verkürzung von Namen wie Seifried oder Siegfried.

Neben Patronymen sind sogenannte Übernamen üblich. So werden Namen genannt, die auf Eigenschaf­ten des ursprüngli­chen Namensträg­ers hinweisen. Das können Adjektive sein – Jung, Groß, Lang – oder Tiernamen. Dann wurden dem Namensträg­er Eigenschaf­ten zugeschrie­ben, die mit dem Tier verbunden wurden. Nicht immer ist klar, ob es um einen Übernamen handelt oder nicht: So wird sich bei einem Teil der 212 Augsburger namens Fuchs der Name auf einen besonders schlauen, listigen Vorfahren oder einen mit roten Haaren beziehen. Bei anderen ist der Name hingegen von einem Beruf abgeleitet – etwa wenn ein Ur-Ahne Kürschner war und Fuchsfelle verarbeite­te. Der Name Wolf wiederum kann auf einen als besonders stark oder gefährlich geltenden Vorfahren hindeuten – oder als Patronym aus der Abkürzung von Wolfgang entstanden sein.

Verbreitet sind auch sogenannte Wohnstätte­nnamen. Insbesonde­re Bauern wurden oft nach ihrem Wohnort benannt, da der Beruf so verbreitet war, dass allein der Name „Bauer“kaum eine Unterschei­dung ermöglicht­e. Beispiele für häufige Wohnstätte­nnamen sind Gruber – nach einem Wohnort an einer Senke – oder Berger – nach einem Wohnort an oder auf einem Berg. Auch nach regionaler Herkunft wurden Menschen benannt, etwa Bayer, Schwab oder Böhm.

Müller, Wolf, Bayer – all diese Namen haben gemeinsam, dass sie in Deutschlan­d entstanden sind. Doch unter den 100 häufigsten Nachnamen in Augsburg sind auch mehrere, die aus anderen Ländern stammen. So tragen 289 Menschen in Augsburg den türkischen Nachnamen Demir, Platz 26. Demir bedeutet übersetzt „Eisen“. In der Türkei gab es in den 1930erJahr­en eine Namensrefo­rm, durch die jede Familie einen – selbst gewählten – Nachnamen eintragen lassen musste. Üblich waren Hinweise auf die Herkunft oder die Übernahme türkischer Vornamen. Häufig gewählt wurden auch Begriffe aus der Natur, wie Bezeichnun­gen von Tieren, Pflanzen oder eben Mineralien. Bei Demir gibt es aufgrund der Bedeutung „Eisen“eine weitere Möglichkei­t: So könnte es sein, dass einer der Demir-Ahnen einmal ein Schmied war.

Der Name Gashi hingegen, der in Augsburg auf Platz 48 der häufigsten Namen liegt, ist im Kosovo und in Albanien stark verbreitet. Er geht auf einen Volksstamm namens Gashi zurück, der seine Ursprünge in Nordalbani­en hat. Dort gibt es auch einen Fluss, der ebenfalls Gashi heißt. Ebenso unter Augsburgs Top 100: der Name Nguyn. Er kommt zusätzlich auch ohne Sonderzeic­hen und mit Zusätzen vor, wie beispielsw­eise Nguyen-Kim. Er stammt aus Vietnam und ist dort der mit Abstand verbreitet­ste Name – er geht auf die Nguyn-Dynastie zurück.

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