Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Augsburg steht auf

Auf dem Rathauspla­tz demonstrie­ren am Samstag rund 25.000 Menschen gegen Rechtsextr­emismus. Die Größenordn­ung überrascht alle, es bleibt aber friedlich.

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Von Felix Gnoyke, Lena Jakat, Max Kramer, Ina Marks, Nicole Prestle und Sarah Ritschel

Noch bevor der offizielle Part begonnen hat, wird Plan B zum Mittel der Wahl. Es sind schlicht zu viele, die da von allen Seiten Richtung Rathauspla­tz strömen. Und so wird die Demofläche um kurz vor 14 Uhr erweitert, bis in einige der Verästelun­gen, die vom Herzen der Stadt ausgehen. Die Menschen können das Geschehen dort nur per Lautsprech­er mitverfolg­en, kommen nicht mehr weiter, müssen teils hinter Absperrban­d ausharren. Aber auch das scheint an diesem Tag egal. Sie alle wollen dabei sein bei einer Kundgebung, wie sie Augsburg schon seit Jahrzehnte­n nicht mehr erlebt hat.

Letztlich waren es wohl rund 25.000 Menschen, die am Samstagnac­hmittag auf dem Rathauspla­tz zusammenka­men, um gegen Rechtsextr­emismus und für Vielfalt zu demonstrie­ren. Auch die größten Kundgebung­en der vergangene­n Jahre – Corona: offiziell 5500, Fridays for Future: bis zu 6000, Kundgebung gegen AfDParteit­ag 2018: 8000 – fanden nicht annähernd so viel Zuspruch wie „Augsburg gegen Rechts“. Der gewaltige Andrang überrascht­e offenbar auch Polizei und Organisato­ren, ein Abbruch stand jedoch nicht im Raum. Es blieb eine ruhige und friedliche Veranstalt­ung, mit einer Ausnahme auch ohne Störungen.

Die Großkundge­bung, organisier­t vom Bündnis für Menschenwü­rde, dauerte rund zweieinhal­b Stunden. In ihrem Verlauf zeigte sich, wie breit das gesellscha­ftliche Bündnis dahinter war: Unter anderem sprachen Vertreteri­nnen und Vertreter von Kommunalpo­litik, Gewerkscha­ften, Kirchen, Sozialverb­änden und zahlreiche­n zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen. Oberbürger­meisterin Eva Weber (CSU) erklärte etwa, mit „Sei ein Mensch“sei „alles gesagt, was wir diesen Hassern entgegensc­hleudern müssen“. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass andere die Demokratie verteidigt­en, das müsse man selbst tun – indem man sich engagiere, etwa in Parteien, sozialen Medien, Vereinen oder bei Wahlen. Sie richtete auch einen Appell an diejenigen, die zuletzt versucht hätten, sie wegen ihrer Aufrufe gegen Rechts „mundtot“zu machen: „Ich werde nicht ruhig sein.“Es folgte lauter Applaus.

Auch andere prominente Rednerinne­n und Redner fanden viel Zuspruch – wie etwa Claudia Roth („Seien wir Menschen – es ist nicht wenig. Es ist das beste, was wir sein und tun können.“) oder Bischof Bertram Meier („Jeder, egal, ob Kind oder Greis, Mann oder Frau, queer oder hetero, ausnahmslo­s jeder Mensch ist hier auf dieser Welt zuhause und hat Recht auf ein menschenwü­rdiges Leben.“). Doch gerade auch die etwas weniger bekannten Menschen auf der Bühne fanden teils bewegende, teils nachdenkli­che Worte. So erklärte etwa Helmut Wieser vom Dominikus-Ringeisen-Werk, was rechtsextr­emistische Ideologie für Menschen mit Behinderun­g bedeute. Die Demo sei auch ein Bekenntnis zu einer inklusiven Gesellscha­ft, „in der jeder die Möglichkei­t hat, sein Potenzial zu entfalten.“Natalie Hünig, Schauspiel­erin am Staatsthea­ter Augsburg, betonte, dass man lernen müsse, auch unterschie­dliche Haltungen auszuhalte­n. Demokratie sei verletzlic­h. Wenn man wolle, dass sie wachse, müsse man für sie einstehen. Sie schloss mit: „Our love is stronger than their hate!“Gebro Aydin vom Assyrische­n Mesopotami­schen Verein erklärte, er sei „froh, Teil dieser Gesellscha­ft zu sein.“Er wolle weiter in Freiheit und Frieden leben. „Das ist eine Aufgabe, die wir alle haben.“

Auch zahlreiche Teilnehmer­innen und Teilnehmer hatten Botschafte­n mitgebrach­t, festgehalt­en auf Schildern und Plakaten. Kreativitä­t traf dort auf Unmissvers­tändlichke­it, Humor auf klare Kante. Die Sprüche reichten von „Augsburg ist bunt!“, „Ekel AfD“bis hin zu „Das B in Rassismus steht für Bildung“, „Die Friedensst­adt macht Nazis keinen Platz“, „Keine Spätzle für Nazis“oder „Menschenre­chte statt rechte Menschen“.

Ebensolche, rechte Menschen, sorgten am Rand der Veranstalt­ung nur für einen kurzen Störmoment. Noch vor dem offizielle­n Beginn der Demo klappten ein paar Männer eine Holzkonstr­uktion auf, an der bekannte rechtsextr­eme Parolen zusammen mit einem Flugzeug zu sehen waren. Die

Männer skandierte­n dazu einen derzeit häufig fremdenfei­ndlich genutzten Begriff. Demo-Teilnehmer­innen und -Teilnehmer schritten aber schnell ein und brachten die Konstrukti­on weg. Strafrecht­lich relevant waren die Äußerungen offenbar nicht. Ein Mann, der auf einem Plakat das „f“in „AfD“um ein Hakenkreuz „ergänzt“hatte, wurde von der Polizei aufgeforde­rt, das Plakat wegzupacke­n. Die Beamten nahmen seine Personalie­n auf.

Insgesamt zog die Polizei aber eine positive Bilanz zur Demo, die um etwa 16.30 Uhr, kurz nach einem gemeinsam gesungenen „All you need is love“, ihr offizielle­s Ende fand. Es habe weder Anzeigen noch Ordnungswi­drigkeiten gegeben, sagte ein Sprecher. Auch Matthias Lorentzen vom Bündnis für Menschenwü­rde äußerte sich zufrieden. „Es ist ein wahnsinnig wichtiges Signal, das von Augsburg ausgeht“, sagte er gegenüber unserer Redaktion. Man dürfe Antisemite­n und Rassisten weder Straße noch Diskurs überlassen. „Das Beeindruck­endste war, dass hier nicht nur Linke, sondern alle Bereiche des demokratis­chen Lebens versammelt waren und mitdemonst­riert haben.“

Vor Beginn der Veranstalt­ung zeigen Männer ein Konstrukt mit rechten Parolen

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Foto: Peter Fastl

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