Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wie schnell darf ein Radfahrer auf dem Gehweg fahren?

„Sicher unterwegs“: In einer neuen Serie zum Straßenver­kehr erklären wir Regeln, die nicht jeder weiß. Heute geht es um ein häufiges Verkehrsze­ichen. Aber was bedeutet es genau?

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Von Elmar Knöchel

Das Verkehrsze­ichen Nr. 239 hat wohl jeder schon einmal gesehen. Es zeigt auf blauem Grund eine Frau mit einem Kind an der Hand. Es bezeichnet einen Gehweg. Laut Definition einen Sonderweg für Fußgänger, der ausschließ­lich diesen vorbehalte­n ist. Er muss parallel zur Fahrbahn verlaufen und baulich, zum Beispiel durch einen Bordstein, abgetrennt sein. So weit, so gut. Aber da gibt es auch noch die sogenannte­n „Zusatzzeic­hen“. Diese Zeichen verkünden Besonderhe­iten, was in diesem Bereich zusätzlich verboten oder erlaubt ist und weisen auf weitere Einschränk­ungen, Uhrzeiten oder besondere Freigaben hin. Dabei gibt es immer wieder überrasche­nde Vorschrift­en. So auch im Fall des „Gehweg“-Schildes, wenn es in Verbindung mit dem Zusatzzeic­hen Z 1020-32 daherkommt. Auf dem weißen Schild ist in Schwarz ein Fahrrad abgebildet, darunter der Text: „frei“. Hier handelt es sich also um einen Gehweg, den auch Radfahrer benutzen dürfen. Ganz so einfach ist die Sache allerdings nicht, wie Werner Reschke, Fachbereic­hsleiter in der Straßenver­kehrsbehör­de im Landratsam­t, erklärt. Denn es gelten besondere Regeln. Radfahrer müssen besondere Rücksicht auf Fußgängeri­nnen und Fußgänger nehmen und dürfen diese auf keinen Fall gefährden. Die größte Besonderhe­it allerdings ist, wohl für viele überrasche­nd, dass sich Radfahrend­e auf einem so gekennzeic­hneten Weg nur in Schrittges­chwindigke­it fortbewege­n dürfen. Egal, ob Fußgänger zu sehen sind oder nicht. Wer mit seinem Rad schneller fahren will, muss die Straße benutzen. Denn das Gehweg-Schild in Verbindung mit dem Zeichen „Radfahrer frei“zieht keine Benutzungs­pflicht für Radfahrend­e nach sich.

Zu finden ist diese Schilderko­mbination meist an Straßen, an denen zu wenig Platz für einen eigenen Radweg ist und ein Gehweg oft nur auf einer Seite der Straße verläuft. Das birgt besondere Gefahren. Denn in diesem Fall dürfen Radfahrend­e den Weg in beiden Richtungen benutzen. Sind dann noch Einmündung­en von anderen Straßen oder Grundstück­sausfahrte­n vorhanden, wird es gefährlich. Besonders, wenn der Weg auf der linken Straßensei­te verläuft. Denn Autofahrer rechnen nicht unbedingt mit Radverkehr von der „falschen“Seite.

Fährt dann ein Radfahrend­er schneller als die erlaubte Schrittges­chwindigke­it (7 km/h), kann es zu, teils schweren, Unfällen kommen. Zuletzt passierte das im südlichen Landkreis in Bobingen. Ein Rennradler befuhr einen derartig gekennzeic­hneten Gehweg auf der linken Seite der Straße. Ein einbiegend­er Fahrer eines Kleintrans­porters übersah den Radfahrer. In der Mitte der Einmündung kam es zum Zusammenst­oß. Dabei erlitt der Zweiradfah­rer so schwere Verletzung­en, dass er im Bobinger Krankenhau­s kurz darauf verstarb.

Als Reaktion auf diesen schweren Unfall wurde an der betreffend­en Stelle die Verkehrsfü­hrung geändert. Das Zusatzschi­ld „Radfahrer frei“wurde entfernt. Radfahrend­e müssen dort jetzt die Straße benutzen. Verkehrste­chnische Studien bestätigte­n laut Werner Reschke, dass Radfahrend­e am sichersten auf der Straße unterwegs seien. Auf Radund Gehwegen käme es zu wesentlich mehr Unfällen als auf der Straße.

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Fotos: Elmar Knöchel
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