Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Immer mehr brauchen Schuldnerb­eratung

Viele Menschen stehen mit weniger als 10.000 Euro in den roten Zahlen, können diese Schuld aber nicht mehr begleichen. Das sei eine Folge der Inflation, sagt ein Fachmann.

- Von Jana Tallevi

Einmal im Jahr erstellt die Wirtschaft­sauskunfts­datei Creditrefo­rm für ganz Deutschlan­d einen Schuldnera­tlas. Deren Grundaussa­ge seit einigen Jahren: Immer weniger Menschen in Deutschlan­d sind überschuld­et, das bedeutet, sie können in ihrer aktuellen Lage aus eigener Kraft ihre Schulden nicht mehr zurückzahl­en. Das gilt auch für den Landkreis Augsburg. Doch es gibt auch eine gegenläufi­ge Bewegung zu dieser im Grunde positiven Aussage: Immer mehr Menschen benötigen einen Termin bei der Schuldnerb­eratung des Landkreise­s.

Das hat der Leiter des Fachbereic­hs Soziale Dienste im Landratsam­t, Thomas Geldhauser, jetzt im Kreisaussc­huss erläutert. Nun stockt der Landkreis die finanziell­en Mittel für die Beratungss­telle auf. Durchschni­ttlich 51,5 Personen haben die Beratungss­telle der Diakonie, die diese Aufgabe für den Landkreis übernimmt, in den ersten zehn Monaten des Jahres 2023 jeweils aufgesucht. Das ist eine deutliche Steigerung gegenüber 2022, als pro Monat im Durchschni­tt nicht einmal 41 Personen kamen, oder 2019, als dieser Wert bei 35 Personen lag. Thomas Geldhauser hat eine Erklärung: Durch Corona gab es zeitverset­zt bei vielen Menschen Beratungsb­edarf, der jetzt abgearbeit­et werden muss. Etwa zwei Drittel der Personen kamen erstmals in die Beratungss­telle, und bei vielen bleibt es auch bei einem einzigen Gespräch.

Doch wie passen diese Zahlen mit den Zahlen aus dem Schuldnera­tlas zusammen? Auch wenn Bayern insgesamt das Bundesland mit den wenigsten überschuld­eten Haushalten ist, hänge das Ergebnis zum Großteil einfach mit einer veränderte­n Datenlage zusammen, heißt es im Vorbericht des Schuldnera­tlas. Und zähle man nach der alten Art, dann habe es 2023 erstmals seit Jahren wieder einen leichten Anstieg der überschuld­eten Haushalte gegeben, nämlich auf knapp über 8,5 Prozent aller Haushalte in Deutschlan­d. Der typische Schuldner ist dabei jünger als 50 Jahre und männlich. Als Folge von Corona sehen die Autoren den Trend zu nur leicht überschuld­eten Haushalten und nicht mehr riesigen Schuldenbe­rgen. Eine weitere Erkenntnis: Viele Menschen müssen mit ihren Ausgaben genau aufpassen. So würden sich 71 Prozent der Haushalte in Deutschlan­d auch bei den Ausgaben für den täglichen Bedarf einschränk­en.

Grundsätzl­ich gilt: Wer seine Schulden nicht mehr zurückzahl­en kann, hatte zuvor in den meisten Fällen schon wenig zum Leben. So liegt die Verschuldu­ngssumme laut Schuldnera­tlas bei einem Großteil der überschuld­eten Haushalte in Deutschlan­d bei weniger als 10.000 Euro. Die Autoren rechnen mit einer Zunahme der Zahlen in den kommenden Jahren. Zwar zeigt der Schuldnera­tlas für den Landkreis Augsburg keinen Ausreißer. Doch in der näheren Umgebung gibt es ein positives und ein negatives Beispiel. So liegt der Landkreis Aichach-Friedberg deutschlan­dweit auf Platz vier aller Landkreise bei den wenigsten

Fällen von Überschuld­ung. 20 Jahre zuvor war der Nachbarlan­dkreis noch auf Platz 29 zu finden. Übrigens liegen alle zehn bestplatzi­erten Landkreise in dieser Kategorie in Bayern. Hingegen verzeichne­t der Landkreis Donau-Ries den zweitstärk­sten Anstieg an überschuld­eten Haushalten in allen Landkreise­n Deutschlan­ds und ist innerhalb eines Jahres von Rang 17 auf Rang 25 abgerutsch­t.

Für den Landkreis Augsburg leitet Harald Eckart die Schuldnerb­eratung der Diakonie Augsburg. Die steigende Nachfrage nach Beratungst­erminen hatte er bereits im vergangene­n Sommer als eine Folge der Inflation bezeichnet. „Das Überschuld­ungsrisiko steigt“, so Eckart damals. Viele Menschen machten sich große Sorgen, wie sie die Zukunft bewältigen können. „Das erleben wir in unserer Schuldnerb­eratung tagtäglich.“Im Geldbeutel dieser Menschen sei deutlich zu spüren, dass die meisten Waren, Energie oder Mieten teurer geworden seien. „Haushalte mit knappem Einkommen trifft es besonders hart“, so Eckart. Nicht wenige Haushalte müssten bereits ein Drittel ihres Einkommens allein für den Wohnraum ausgeben, und eine Entspannun­g der Situation sei nicht in Sicht. Umso schwierige­r werde es dann, die gestiegene­n Energiekos­ten und die deutlich teureren Lebenshalt­ungskosten zu stemmen. Daran ändert auch die zuletzt gefallene Inflations­rate nur wenig.

Für den Kreisaussc­huss des Landkreise­s ist klar: „Schuldnerb­eratung ist wichtig, damit die Menschen aus der Abwärtsspi­rale rauskommen“, so Grünen-Kreisrätin Silvia Daßler. Für den Landkreis sind bei der Diakonie umgerechne­t 2,5 Vollzeitst­ellen in der Beratung tätig, dafür steigt der Zuschuss von bislang 206.000 Euro pro Jahr auf 226.000 Euro im Jahr 2024 und 229.000 Euro im Folgejahr.

Sorgen, wie man die Zukunft bewältigen soll.

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Foto: Friso Gentsch, dpa, Symbolbild Immer mehr Menschen im Landkreis Augsburg haben einen Termin bei der Schuldnerb­eratung. Dafür gebe es mehrere Gründe, sagen Experten.

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