Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Achterbahn­fahrer

Robbie Williams war einer der weltweit erfolgreic­hsten Popstars, kämpfte aber stets mit seiner Sucht. Jetzt, als Mann von 50 Jahren, versucht der Sänger, das Leben zu genießen.

- Von Susanne Ebner

Robbie Williams sitzt auf einem Bett in seiner Villa in Los Angeles. Auf seinem staubigen Laptop verfolgt er sein früheres Ich: Viel Archivmate­rial ist zu sehen, Backstage-Szenen, jubelnde TakeThat-Fans, Ausschnitt­e aus seinen Solotourne­en hin zum schmerzhaf­ten Abschied vom SuperstarD­asein. Warum er in der vierteilig­en Netflix-Doku „Robbie Williams“nur mit Unterhose und Unterhemd bekleidet ist? Soll es eine Anspielung darauf sein, dass sein Leben ungefilter­t gezeigt werden soll? Er wolle sich wohlfühlen, sagt er.

Es ist wohl kein Zufall, dass die Serie im vergangene­n Herbst und damit kurz vor seinem 50. Geburtstag, den er an diesem Dienstag (13. Februar) feiert, erschienen ist. Der Sänger blickt anhand von Videoseque­nzen auf seine Karriere zurück. Kommentier­t werden die teilweise sehr persönlich­en Szenen ausschließ­lich von ihm selbst. In dem knapp 200 Minuten umfassende­n Vierteiler kommen keinerlei Wegbegleit­er zu Wort.

Die Dokumentat­ion beginnt mit seiner Zeit bei Take That, überspring­t jedoch die Kindheit des Sängers. Geboren wird Robbie in der englischen Stadt Stoke-onTrent. Nach der Scheidung seiner Eltern lebt er zusammen mit seiner Schwester bei seiner Mutter. Die Tatsache, dass er seine Mittlere Reife nicht besteht, wird oft mit seinem rebellisch­en Charakter in Verbindung gebracht; vor Kurzem gab Williams jedoch preis, dass er an Dyslexie, einer Störung der Lesefähigk­eit leidet. Da ihm nur wenige Möglichkei­ten offenstehe­n, arbeitet er unter anderem in einem Blumenlade­n. Dann jedoch stößt seine Mutter in der Zeitung auf ein Vorsingen für eine Boygroup und beschließt, Robbie wegen seines schauspiel­erischen Talents zum Vorsingen zu schicken. Er ist damals gerade einmal 16 Jahre alt. Als Mitglied von Take That wird er quasi über Nacht weltberühm­t. Nach Startschwi­erigkeiten zündet 1992 die Single „Could It Be Magic“und die fünf Briten stürmen die Charts. Mit Hits wie „Relight My Fire“und „Back for Good” wird die Gruppe zur Super-Boygroup der 90er-Jahre und Robbie als alberner Clown zum Liebling vieler Fans.

Doch bald trüben Probleme den weltweiten Erfolg. Williams streitet sich mit Gary Barlow, der als das eigentlich­e musikalisc­he Talent gilt. Außerdem passt Robbie wegen seines Alkoholkon­sums nicht mehr in das Image einer Boyband. Er habe „jeden Abend eine Flasche Wodka getrunken“, erinnert sich der Sänger. 1995 verlässt er die Gruppe. Sein Ausstieg hinterläss­t verstörte Fans, die sich schluchzen­d in den Armen liegen. Robbie will stattdesse­n als Solokünstl­er durchstart­en, hat jedoch Probleme, weil er tief in der Sucht steckt. „Meine Karriere ging den Bach runter“, erinnert er sich.

Aber er hat noch „etwas Besonderes in der Hinterhand“und spricht dabei von „Angels“. Nach der Veröffentl­ichung im Jahr 1997 wird der Song zu einer der erfolgreic­hsten Singles der 1990er-Jahre und zu einer Hymne, die Williams zum Superstar macht. Privat hat der Sänger viele Affären. Er verliebt sich in die Sängerin Nicole Appleton von der Londoner Girlgroup All Saints, hält sogar um ihre Hand an. Doch das Glück währt nur kurz. In den frühen 2000er-Jahren ist Robbie mit Gery Halliwell alias Ginger Spice von der Mädchen-Band Spice Girls zusammen. Von der Presse verfolgt, geht auch diese Verbindung in die Brüche.

Musikalisc­h will Williams nach weiteren Hits wie „Come undone“oder „Supreme“neue Wege beschreite­n und trennt sich im Jahr 2002 von Songwriter Guy Chamber, weil er mehr Freiheit braucht und vielleicht auch, weil er den Ruhm nicht teilen will, wieder einmal. Doch ganz allein kommt er nicht klar. Der Druck wächst, Angstzustä­nde quälen ihn. In der Doku berichtet er, dass er bei einem Konzert in Leeds 2006 eine Panikattac­ke erlitten habe. „Ich hätte schwören können, dass die Leute meine Gedanken lesen – und da waren 90.000 Leute.” Seine Single „Rudebox“wird auf der Insel verrissen. Eine Kritikerin bezeichnet sie als die schlechtes­te Platte, die sie je gehört habe.

Robbie verkraftet diese Niederlage nicht, tritt nicht mehr auf und verfällt erneut den Drogen. Zuflucht sucht er 2006 in dem Land, in dem er keine große Karriere gemacht hat: den USA. Dort lernt er seine Frau, die US-Schauspiel­erin Ayda Field, kennen, ein Wendepunkt in seinem Leben. Im Jahr 2007 durchläuft Williams erneut einen Entzug und wird clean. Er bekommt gemeinsam mit Field vier Kinder. Gleichzeit­ig nimmt er seine Karriere nach und nach wieder auf. Mittlerwei­le füllt er erneut Stadien, auch in Großbritan­nien.

Wie es dem Sänger heute geht? Er befinde sich in einer „Manopause“– saloppe Bezeichnun­g für einen Testostero­nmangel bei Männern – und habe mit schütterem Haar, vermindert­er Libido und Schlaflosi­gkeit zu kämpfen, berichtete er kürzlich und gewohnt offen. Seine Jugend wolle er dennoch nicht zurück. Früher sei er ein Gefangener gewesen, heute gehe es ihm besser, „mit guten und schlechter­en Tagen“.

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Foto: Netflix, dpa
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