Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der schönste Strand der Welt?
Der Promi-Badeort Byron Bay an Australiens Ostküste wirkt wie ein Open-Air-Museum für klapprige Campmobile und sonnengegerbte Surfer. Ein ausgewanderter Deutscher zeigt die attraktivsten Ecken.
Von Stephan Brünjes
Ofen-rot glüht oben die Fassade des Hotels „Great Northern“, beheizt von der untergehenden Sonne. Zugleich geht sie unten schon wieder auf: Vor dem Eingang dieses Art-déco-Gebäudes klampft und säuselt ein George-HarrisonDouble entrückt „Here Comes The Sun“. Es ist so eine Art Intro für den allmählich herauf dämmernden Abend in Byron Bay: Oben in der Loggia des „Great Northern“rekeln sich gut gebräunte TwentySomethings mit Drinks auf der Balustrade in den letzten Sonnenstrahlen, während sich unten die Tische der Pubs und Cafés am Straßenrand füllen. Direkt davor, am Bordstein, genießt so mancher Backpacker seinen Dauerplatz in der ersten Reihe, lässt die Beine aus der Schiebetür seines zum Camp-Mobil umgebauten Ford Transit baumeln und zischt dabei ein Dosenbier.
Alle paar Meter parkt so eine rollende rostige Einzimmerwohnung, oft hippie-plüschig dekoriert mit rosa Troddeldecken und Duftkerzen. Kleine Stöber-Shops in geduckten Ladenzeilen heißen „Barefoot Boulevard“oder „Endless Summer“, bieten Muschelketten und Surfboards, abgebeizte Vintage-Kommoden und glutenfreie Kekse. Daneben, in einer Einfahrt, Byron Bays perfekte Welle, bonbon-bunt auf die Wand gesprayt.
„Ja, Byron präsentiert sich gerne als tiefenentspannte Laid-BackOase für Surfer, Hippies, Rucksack-Touristen und Straßenmusiker“, sagt Tom Ihle: „Ein Image aus den 1980er-Jahren, als vor allem
Camper und Wochenendgäste hier badeten, zelteten und das HostelDoppelstockbett ein paar Dollar pro Nacht kostete“, erzählt der Deutsche. Er arbeitet seit 2009 als Reiseleiter hier und kennt daher sehr genau die jüngere Geschichte des Ortes. „Als persönliches Paradies entdeckt von Stars wie Olivia Newton-John (kaufte sich von ihrer „Grease“-Filmgage ein Landhaus in Byron), war es spätestens 1990 vorbei mit der Beschaulichkeit“, sagt Ihle. Denn da heiratete Paul Hogan, alias Crocodile Dundee, seine Filmpartnerin Linda Kozlowski hier – in einer RiesenVilla, die er ihr eigens bauen ließ, als Hochzeitsgeschenk.
Ein Jahr später ließ Hogan eine runtergekommene Bar – Spitzname „The Beachie“– in 1a-Strandlage renovieren und eröffnete sie neu. Byron Bay, knapp 800 Kilometer nördlich von Sydney, ist seitdem zu Australiens Promi-Beach-Hotspot geworden: Filmstar Chris Hemsworth (Star Trek, Thor, Avengers) hat hier kürzlich ein Riesenanwesen in den Wald setzen lassen, sein Freund Matt Damon wird seitdem öfter in Byron gesehen, ebenso wie Australiens Tennis-Ikone Pat Rafter oder Nicole Kidman. Mit Folgen für die einzige durch den 10.000-Einwohner-Ort führende Hauptstraße und für Immobilienpreise: Bei zwei Millionen Übernachtungen im Jahr dauert es in der Hochsaison mit dem Auto schon mal eine Stunde, bis ByronBesucher die Ortsmitte erreichen.
„Hier und auch im Umland kosten Häuser und Grundstücke inzwischen so viel wie in Sydneys Toplagen“, sagt Tom Ihle. Hogans Beach-Bar, 1991 für neun Millionen australische Dollar gekauft, wechselte zehn Jahre später den Besitzer für 100 Millionen. Byron Bay ist einer der teuersten Flecken Australiens. Auch, weil der Küstenort mit sichelförmigen Strandbuchten und bewaldetem Hinterland trotz Investoren-Gedrängel eine GranCanarisierung verhindert hat: Bedand-Breakfast-Landhäuser dominieren, nirgendwo schieben sich Hochkant-Hotelresorts mit Urlauberschließfächern und darmartig ineinander verschlungenen Wasserrutschen ins Bild – so wie etwa an der Gold Coast, eine Autostunde nördlich. Dort ist es eigentlich immer voll, in Byron während der Nebensaison noch beschaulich.
Der Ostberliner Tom Ihle, 2007 als Zimmermann nach Australien ausgewandert, ist über Stationen in Sydney und Melbourne in Byron Bay angekommen und nach wie vor begeistert. Etwa über eine Felsnase, die der östlichste (für Besucher zugängliche) Festlandpunkt Australiens ist. „Nicht nur, weil meine Reisegruppen hier so schöne Erinnerungsfotos machen können, sondern weil man von oben steil runter ins Meer schaut und Mantarochen sowie Delfine sieht. Außerdem ziehen zweimal pro Jahr 2500 Buckelwale vorbei.
Etwas weiter oben auf einem
Hügel steht der 1901 erbaute schwarz-weiße Leuchtturm. „So, warum hat es da hinten im fünf Kilometer entfernten Wald früher regelmäßig gebrannt?“, fragt Tom Ihle, schaut neugierig-herausfordernd in die Runde und erntet nichts als Schulterzucken und fragende Gesichter. „Na, weil das Prisma oben im Leuchtturm damals tagsüber stillstand, die Sonne drauf schien und durch dieses XXL-Brennglas die Bäume entflammen konnte.“Seitdem dieser Zusammenhang erkannt ist, dreht sich das Prisma rund um die Uhr.
„Hinterländ“nennen Australier alles, was abseits von Küste und Städten landeinwärts liegt – ein aus dem Deutschen ins Englische übernommenes Wort wie „Kindergarden“. Tom Ihle ist großer „Hinterländ“-Fan – auch, weil er in der hügeligen Umgebung historische Spuren der Entstehung Byron Bays zeigen kann. Die „Cooper Shoot Road“etwa, eine kurvige Landstraße mit bestem Panoramablick
Byron will tiefenentspannte Oase für Surfer und Hippies sein.
Die Zeit scheint seit 100 Jahren stehen geblieben zu sein.
über grüne weitläufige Farmen bis hin zur Byrons Küste. „Die Straße heißt so, weil über sie einst gefällte Bäume abwärts in Richtung Bootsanleger geschossen wurden.“Denn die ersten weißen Siedler in dieser Gegend waren Holzfäller und hackten die Eukalyptus-Riesen ab.
Byron Bay war damals im späten 19. Jahrhundert nichts weiter als eine Bucht, in der die Stämme verarbeitet und verschifft wurden. „Holz aus dieser Zeit findest du noch als Bodendielen in den Häusern hier in Bangalow“, erzählt Ihle, als er seinen Geländewagen in diesen „Hinterländ-Ort“steuert, in dem – jedenfalls optisch – die Zeit seit 100 Jahren stehen geblieben zu sein scheint. An den viktorianisch verschnörkelten Fassaden mit Holzveranden deuten nur Blechschilder des historischen Rundgangs darauf hin, was sich verändert hat: Statt der 1906 hier gegründeten Zeitungsredaktion des Bangalow Herald etwa ist inzwischen die „Abracadabra-Boutique“eingezogen.
„Gönnt euch am Südstrand von Byron die ersten Sonnenstrahlen des Tages, die Australien erreichen“, rät Tom Ihle beim Abschied. Das frühe Aufstehen am nächsten Morgen lohnt sich, mit Taschenlampen
Die ersten Siedler in der Gegend der Gegend waren Holzfäller.
geht es durch ein Regenwald-Areal an den noch dunklen Strand. Ein einsamer Angler ist schon da, hat seine Rute in die auf den Strand schwappenden Wellen geworfen. Dahinter wartet geduldig eine Möwe und wartet auf Beifang. Minuten später stehen beide im Rampenlicht – genau im Fokus der sich scheinbar aus dem Meer erhebenden Sonne.
Der morgendliche Küstenspaziergang führt durch Prile und im seichten Wind wippenden Wellenschaum zum Hauptstrand, wo gerade der samstägliche Trödelmarkt beginnt. Mit „Henna-Heaven“, einem Stand für Körperbemalung, und „Dark Side Of The Spoon“, der Bude mit Schmuck aus alten Silberlöffeln. Dazwischen werden die Weltmeere gerettet und Wirbel wieder eingerenkt. Hier ist Byron ganz bei sich und zelebriert sein Hippie-Image.