Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Haft für ehemalige Restaurantchefin
Frühere Verantwortliche eines Asia-Lokals sollen massiv bei der Steuer getrickst haben. Für eine 55-Jährige endet der Prozess nicht nur mit einer Gefängnisstrafe.
Es lief wie bei einem Zaubertrick. In einem Moment waren die ausgestellten Rechnungen in der Buchhaltung des Restaurants noch vorhanden, wenige Mausklicks später waren sie dank einer speziellen Funktion im Kassensystem namens „Multiway“plötzlich verschwunden. Dem Finanzamt sollte nichts auffallen, das war die Idee. Es klappte auch eine ganze Weile. Die Ermittler kamen den früheren Verantwortlichen eines beliebten Asia-Restaurants in Augsburg dennoch irgendwann auf die Spur. Am Amtsgericht ist nun eine 55-Jährige zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und vier Monaten verurteilt worden, zudem muss die Frau dem Staat viel Geld zurückzahlen.
Ursprünglich hatte sich das Verfahren vor dem Amtsgericht Augsburg gegen vier ehemalige Chefs oder zumindest formell leitende Angestellte des Restaurants gerichtet, drei Männer und eine Frau, alle haben sie chinesische Wurzeln. Es ging um den Vorwurf, dass sie – auch dank „Multiway“und der eingebauten Software „Win-Restaurant“– von 2011 bis 2019 bei Abgaben an den Staat getrickst haben sollen; insgesamt ging es um eine Schadenssumme von mehr als einer Million Euro.
Die 55-jährige Frau, die von der Staatsanwaltschaft als faktische Geschäftsführerin der damaligen Betreiberfirma hinter dem Restaurant gesehen wird, war nach einer Razzia im Mai 2019 kurzzeitig in Untersuchungshaft gekommen, die Ermittler beschlagnahmten bei ihr rund 230.000 Euro. Inzwischen wird das Restaurant von einer neuen Gesellschaft geleitet, die jetzigen Angeklagten sind laut Unterlagen im Handelsregister nicht mehr in führender Stelle involviert.
Zuletzt lief der Mammutprozess nur noch gegen eine Angeklagte: die 55-jährige Haupttäterin. Gegen zwei Verdächtige war das Verfahren bereits vor Monaten gegen Auflagen eingestellt worden, ein weiterer Mann war im Dezember wegen Steuerhinterziehung in 55
Fällen und zwei Fällen der Beihilfe zur versuchten Steuerhinterziehung zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt worden. Hintergrund dieses Urteils war ein Deal, also eine Verfahrensabsprache, bei der dem Mann gegen ein Geständnis eine Strafe in einem bestimmten Rahmen in Aussicht gestellt wurde. Zusätzlich zur Bewährungsstrafe muss er Wertersatz an den Staat in Höhe von 212.000 Euro zahlen. Viel Geld, aber deutlich weniger als die Summe, die von der Hauptangeklagten bezahlt werden soll.
Nach Auskunft des Amtsgerichtes hat das Schöffengericht unter Richter Bernhard Ging angeordnet, dass von der Frau etwa eine Million Euro eingezogen wird. Gegen die zwei Gesellschaften, über die das Restaurant in der Vergangenheit betrieben wurde, wurden dazu Beträge in Höhe von jeweils etwa 200.000 Euro eingezogen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die 55-Jährige Steuerhinterziehung in 83 Fällen und versuchte Steuerhinterziehung in zwei Fällen begangen hatte. Rechtskräftig ist das Urteil bislang nicht; durchaus möglich, dass die Frau über ihre Verteidiger in Berufung geht. Dann würde der Fall vor dem Landgericht neu aufgerollt.
Aufgekommen war das Verfahren durch frühere Ermittlungen in Norddeutschland. Steuerfahnder hatten Testesser in Restaurants geschickt und auf diesem Wege überprüfen lassen, ob deren Rechnungen später in der Steuererklärung der Betriebe auftauchten. Nach umfangreichen Ermittlungen stieß die Staatsanwaltschaft Oldenburg schließlich auf zwei chinesische Brüder, die hinter „Multiway“und „Win-Restaurant“standen. Und auf ihre Kundendaten, also die Restaurants, denen sie das Kassensystem verkauft hatten. Es folgten mehrere Razzien auch im Raum Augsburg, darunter im Mai 2019 beim Asia-Restaurant, um deren kriminelle Steuertricks es zuletzt vor dem Amtsgericht ging. Beliebt ist es bei Besuchern vor allem aufgrund seines vergleichsweise günstigen Mittagsbüfetts.
Insgesamt liegt die Zahl der Verfahren, die aufgrund der Erkenntnisse der Oldenburger Ermittlungsbehörde im Raum Augsburg geführt wurden, „knapp unter zehn“, wie es von der Staatsanwaltschaft Augsburg auf frühere Anfrage hieß. Die beiden Brüder, die das Schummelsystem erfunden hatten, waren bereits 2019 verurteilt worden. Am Landgericht Osnabrück erhielten sie Haftstrafen von knapp acht und vier Jahren.