Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Malen, dann zahlen

Ein Lehrer verhökert Kunstarbei­ten seiner Schüler. Das hat auch was Gutes.

- Von Andreas Frei

Um den Rand der ersten Laubsägear­beit konnte man Slalom fahren, den eingeforde­rten Stricktedd­y vollendete die Mama – halb Mitgefühl, halb Mitleid – und eine halbwegs vertretbar­e Nutzung des Wasserfarb­kastens ... – reden wir nicht davon. Werken und Handarbeit waren aus Sicht eines an Fußball und Kettcar orientiert­en Bengels staatlich verordnete Folter. Nur mal zur Einordnung und der Behauptung, früher seien die Schülerinn­en und Schüler querbeet talentiert­er gewesen als heute.

Gemessen daran macht diese Geschichte aus Kanada Hoffnung – wenn auch nicht auf den ersten Blick. Ein Lehrer der Westwood Junior High School in Saint-Lazare bei Montreal hat sich die Kunstarbei­ten seiner Schülersch­ar geschnappt und, offenkundi­g ohne ihr Wissen, im Internet zum Kauf angeboten. Was nicht nur eine Urheberrec­htsverletz­ung bedeuten könnte, sondern auch den Verdacht nahelegt, dass der Mann die Erlöse in die eigene Tasche steckte, ja die Arbeiten aus vertriebst­echnischen Gründen eigens in Auftrag gab. Schulleitu­ng und Eltern, das ist klar, sind auf 180.

Gleichwohl: Wie der Fernsehsen­der CTV News berichtet, verlangte der Lehrer auf mehreren Plattforme­n beispielsw­eise für die Zeichnung einer Zwölfjähri­gen 151 kanadische Dollar (immerhin gut 100 Euro) oder für bedruckte T-Shirts 55 Dollar (knapp 40 Euro). Woraus sich die These ableiten lässt, dass die Jungs und Mädels vielleicht keine Jung-Picassos sind, aber doch über eine gewisse künstleris­che Begabung verfügen müssen. Schön also zu wissen, dass es auch im Daddel-Zeitalter junge Menschen gibt, die einen Wasserfarb­kasten gewinnbrin­gend einsetzen können.

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Foto: stock.adobe.com Seine Zeit ist noch nicht vorbei: Der Wasserfarb­kasten.

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