Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Malen, dann zahlen
Ein Lehrer verhökert Kunstarbeiten seiner Schüler. Das hat auch was Gutes.
Um den Rand der ersten Laubsägearbeit konnte man Slalom fahren, den eingeforderten Strickteddy vollendete die Mama – halb Mitgefühl, halb Mitleid – und eine halbwegs vertretbare Nutzung des Wasserfarbkastens ... – reden wir nicht davon. Werken und Handarbeit waren aus Sicht eines an Fußball und Kettcar orientierten Bengels staatlich verordnete Folter. Nur mal zur Einordnung und der Behauptung, früher seien die Schülerinnen und Schüler querbeet talentierter gewesen als heute.
Gemessen daran macht diese Geschichte aus Kanada Hoffnung – wenn auch nicht auf den ersten Blick. Ein Lehrer der Westwood Junior High School in Saint-Lazare bei Montreal hat sich die Kunstarbeiten seiner Schülerschar geschnappt und, offenkundig ohne ihr Wissen, im Internet zum Kauf angeboten. Was nicht nur eine Urheberrechtsverletzung bedeuten könnte, sondern auch den Verdacht nahelegt, dass der Mann die Erlöse in die eigene Tasche steckte, ja die Arbeiten aus vertriebstechnischen Gründen eigens in Auftrag gab. Schulleitung und Eltern, das ist klar, sind auf 180.
Gleichwohl: Wie der Fernsehsender CTV News berichtet, verlangte der Lehrer auf mehreren Plattformen beispielsweise für die Zeichnung einer Zwölfjährigen 151 kanadische Dollar (immerhin gut 100 Euro) oder für bedruckte T-Shirts 55 Dollar (knapp 40 Euro). Woraus sich die These ableiten lässt, dass die Jungs und Mädels vielleicht keine Jung-Picassos sind, aber doch über eine gewisse künstlerische Begabung verfügen müssen. Schön also zu wissen, dass es auch im Daddel-Zeitalter junge Menschen gibt, die einen Wasserfarbkasten gewinnbringend einsetzen können.