Augsburger Allgemeine (Land Nord)
„Ich hatte schlaflose Nächte deswegen“
Marianne Schimmer-Ripperger von der Katzenhilfe Attis nennt weitere Gründe, warum eine über 80-jährige Königsbrunnerin ihren Kater nicht mehr bekommt.
Nach einem Artikel in unserer Zeitung hat Marianne Schimmer-Ripperger Redebedarf. Die Zweite Vorsitzende des Tierschutzund Tierrechtsvereins Attis hat sich an die Redaktion gewandt, um weitere Gründe deutlich zu machen, warum eine Königsbrunnerin nach der Reha ihre Katze nicht zurückbekommt.
Hintergrund: Die über 80-Jährige habe ihre Bekannte von Attis gebeten, sich während ihrer Abwesenheit um den Kater zu kümmern. Vor sechs Jahren hatte die Besitzerin ihn auf Bitten des Vereins aufgenommen und gut versorgt. Da sich aber der Gesundheitszustand der Frau seit dem Tod ihres Mannes stetig verschlechterte, habe der Verein entschieden, den Kater an der Pflegestelle in Augsburg zu lassen.
„Nach einem KrankenhausAufenthalt der Dame im Sommer 2023 ging es dem Tier sehr schlecht“, so Schimmer-Ripperger. Der Kater sei in dieser Zeit von Verwandten gefüttert worden. „Wieder musste ich schnell zur Stelle sein und mit ihm zum Tierarzt fahren.“Bei der dortigen Untersuchung, deren Befund der Redaktion vorliegt, sind eine Gewichtsabnahme, Niesen und Schwäche diagnostiziert worden. Die Blutuntersuchung zeigte, dass die Schilddrüsenwerte nicht nur über dem Normalwert lagen, sondern mehr als viermal so hoch waren. Ein Indikator dafür, dass das Medikament in dieser Zeit nicht richtig oder gar nicht verabreicht wurde, so Schimmer-Ripperger. Seit dieser Zeit müssten täglich zwei Spritzen aufgezogen und dem Kater ins Futter beziehungsweise ins Maul gegeben werden.
Als die Dame im November noch einmal für mehrere Wochen auf Reha musste, habe es wieder schnell gehen müssen, damit ein geeigneter Pflegeplatz gefunden werde. „So was schüttelt man aber nicht aus dem Ärmel. Ich hatte deswegen wirklich schlaflose Nächte.“Es sei ein Segen gewesen, als sich dann eine ältere Dame meldete, die bereits Katzen von Attis aufgenommen hatte und deren Söhne mit auf dem Grundstück wohnten. „Wir hatten der mittlerweile
ehemaligen Besitzerin angeboten, dass sie ihn jederzeit besuchen darf, was anfangs kategorisch abgelehnt wurde.“Einmal habe sie ihr Sohn überreden können, das Angebot anzunehmen. Der Zeitpunkt war offenbar schlecht gewählt, denn beim Besuch
sei niemand zu Hause gewesen. Die Dame halte dies nicht für einen Zufall, sagte sie im ersten Gespräch mit der Redaktion. Schimmer-Ripperger habe das leidgetan: „Ich weiß sehr wohl, dass es schlimm ist, sein geliebtes Tier in andere Hände zu geben. Wenn es aber auch dort eine gute Heimat gefunden hat, müssen meine Bedürfnisse der Vernunft und Einsicht weichen. So schwer das für alle Beteiligten ist.“Der Kater fühle sich laut der Tierschützerin
dort wohl und sei medizinisch bestens versorgt. „Man muss doch auch an das Tier denken. Für einen alten kranken Kater ist ein ewiger Wechsel gesundheitlich nicht förderlich.“
Sie betont, dass es sich bei der ganzen Sache um einen Einzelfall handelt: „Wir haben nicht mal ein Prozent Rückläufe.“Die Katzeninteressenten werden auf Herz und Nieren geprüft. „Normal vermitteln wir gar nicht an ältere Personen, vor allem keine jungen Katzen. Wir machen das nur, wenn die Kinder unterschreiben, dass sie sich um das Tier kümmern, sollte etwas sein“, erklärt die Tierschützerin. Der betroffene Kater sei eine Ausnahme gewesen, da er, als man ihn als Streuner aufgefunden hatte, schon auf acht Jahre geschätzt wurde. Heute sollte er dem Tierarzt zufolge 14 sein.
Edith Hofmann kann das bestätigen. Die 63-jährige Augsburgerin pflegt privat eine Freundin. Mit der 88-jährigen Dame wollte sie bei Attis eine Katze aufnehmen. „Sie
hatte schon mehrere Katzen, und als im Januar 2023 ihr Mopsi mit 23 Jahren starb, trauerte sie sehr und wollte wieder eine“, sagt sie über die 88-Jährige. Hofmann habe sie noch überzeugen wollen, etwas zu warten, „aber ältere Menschen sind ja oft recht stur, und so sind wir hingefahren. Dort habe man wegen des hohen Alters der Dame nur eine einzige Katze gezeigt. Die war übermäßig fett und krank.“Ihre Freundin habe keine Kinder und 2018 sei ihr Mann gestorben. „Deswegen wollten sie uns die dicke Katze aufdrücken und eine jüngere Katze gar nicht anbieten.“Dabei hatte Hofmann versichert, sich um das Tier zu kümmern, sollte etwas sein. „Sie sind ja schon 88 Jahre alt“, hätte man mit den Händen in die Hüfte gestemmt gesagt. „Wir waren so entsetzt und so verletzt, als hätten sie ihr den Totenschein in die Hand gedrückt.“
Zwei Wochen später sei sie mit ihrer älteren Freundin dann ins Augsburger Tierheim Lech-Arche
gefahren. „Sie haben gefragt: Wer kümmert sich um die Katze, wenn es die Dame nicht mehr kann? Eine mündliche Zusage von mir hat gereicht“, erinnert sich Hofmann. Gemeinsam hätte man einen Vertrag unterschrieben und eine Woche später einen Kater bekommen. „Ich bin die Pflegerin und Betreuerin und habe alle Vollmachten. Außerdem ist meine Tochter da, die auch immer bereit wäre zu kommen.“Kater Lino sei jetzt sechs Jahre alt und die Freundin von Hofmann sehr glücklich.
Die Pflegerin glaubt: Es gibt immer eine Möglichkeit, auch bei der Dame aus Königsbrunn. „Da wird sich doch jemand finden, der kommt, um das Medikament zu geben und zu füttern. So was kann man sogar über die Pflegekasse abrechnen oder als ehrenamtlichen Job für ein kleines Taschengeld.“Ältere Herrschaften bräuchten ein Wesen, das da ist. „Sie glauben gar nicht, wie meine Freundin in eine schwere Depression gefallen ist, als der Mopsi weg war.“
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