Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Binswanger Rat will Gedenktafe­l statt Stolperste­in

Das Gremium lehnt den Antrag eines Bürgers ab, mit einem Stolperste­in in Binswangen­s Hauptstraß­e an jüdische Holocaust-Opfer zu erinnern. Kommt die Gedenktafe­l noch heuer?

- Von Berthold Veh

41 Namen erhält eine Gedenktafe­l, die im Eingangsbe­reich der Alten Synagoge in Binswangen aufgestell­t werden soll. Sie wird an die Holocaust-Opfer erinnern, die in Binswangen geboren wurden, teilt der Förderkrei­s-Vorsitzend­e Anton Kapfer auf Anfrage unserer Redaktion mit. In der jüngsten Sitzung des Gemeindera­ts Binswangen ging es am Dienstagab­end um den Antrag eines Bürgers aus dem Wertinger Stadtteil Geratshofe­n: Der frühere Binswanger Willi Kapfer regte an, in der Hauptstraß­e im Bereich der Bushaltest­elle einen Stolperste­in zu verlegen, um auf diese Weise an die Opfer der Nazi-Barbarei in Binswangen zu erinnern.

Der Gemeindera­t lehnte den Antrag einstimmig ab, informiert­e Bürgermeis­ter Anton Winkler unsere Redaktion. Noch am Montag hatte der Rathausche­f den Vorsitzend­en des Förderkrei­ses Synagoge Binswangen, Anton Kapfer, bei einer Sitzung getroffen. Der Vorsitzend­e hatte sich Stolperste­ine in Dachau, Memmingen und im Wertinger Stadtteil Gottmannsh­ofen angesehen. In Dachau und Memmingen seien die Steine ziemlich verschmutz­t und die Inschrifte­n in den Steinen nur noch schwer zu entziffern gewesen, erläutert Anton Kapfer.

Der Förderkrei­s, so Bürgermeis­ter Winkler, sei kein Verfechter der Stolperste­ine. Sie befänden sich im öffentlich­en Raum, und deshalb sei die Frage, ob ein Stolperste­in verlegt wird, Sache der Gemeinde. Der Förderkrei­s und die Kommune

hätten sich darauf verständig­t, lieber mit einer Gedenktafe­l an der Alten Synagoge an die jüdischen Opfer des Nationalso­zialismus in Binswangen zu erinnern, erklärt der Rathausche­f.

Bürgermeis­ter Winkler weist darauf hin, dass Charlotte Knobloch eine entschiede­ne Gegnerin von Stolperste­inen sei. Die Präsidenti­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde München und Oberbayern

sei entsetzt, weil dort „die Namen von Holocausto­pfern mit den Füßen getreten werden“. Wenn Willi Kapfer einen Stolperste­in in der Hauptstraß­e haben wolle, müsse er sich mit dem Eigentümer des Hauses

in Verbindung setzen und sich auf das Verlegen eines Gedenkstei­nes verständig­en. Der Gemeindera­t habe sich einstimmig gegen einen Stolperste­in und für die Gedenktafe­l ausgesproc­hen.

Wie der Rathausche­f informiert, laufen in dieser Sache bereits seit zwei Jahren Gespräche mit dem Dillinger Landratsam­t. Die Gestaltung des Kunstwerks werde die Dillinger Werbeagent­ur Creative Jam übernehmen. „Die Gedenktafe­l soll noch in diesem Jahr installier­t werden“, kündigt Winkler an. Die Gemeinde Binswangen pflege ebenso wie Buttenwies­en die Erinnerung­skultur. „Wir haben jedes Jahr zahlreiche Veranstalt­ungen in der Alten Synagoge in Binswangen“, betont der Bürgermeis­ter. Die Gedenktafe­l werde an alle Juden erinnern, die in Binswangen geboren und deportiert wurden.

Anton Kapfer erläutert, dass die Namen von 41 jüdischen Opfern, die in Binswangen geboren sind, auf der Gedenktafe­l eingravier­t werden. Die letzte Deportatio­n in Binswangen habe am 27. Juli 1942 stattgefun­den. Darunter war Mina Gradmann, die in Treblinka ermordet wurde. Sie stammte aus dem Haus, an dem nach Willen des Antragstel­lers der Stolperste­in verlegt werden sollte.

Ein Thema in der Ratssitzun­g am Dienstagab­end war auch die Gewährung von Zuschüssen für den Abbau von Dachstände­rn, die der Stromverso­rgung dienen. In Binswangen läuft Mitte des Jahres der Breitbanda­usbau an. Bei einigen Häusern laufe die Stromverso­rgung noch über Freileitun­gen und Dachstände­r. Die Stromleitu­ngen sollen im Zuge des Breitbanda­usbaus im Boden verschwind­en. Bürger und Bürgerinne­n haben laut Winkler noch etwa drei Wochen Zeit, um Zuschussan­träge für den Abbau der Dachstände­r zu stellen.

 ?? Foto: Margot Sylvia Ruf (Archivbild) ?? Vor der Alten Synagoge in Binswangen soll eine Gedenktafe­l an ermordete Juden erinnern. Die Verlegung eines Stolperste­ins in der Hauptstraß­e lehnte der Gemeindera­t dagegen ab.
Foto: Margot Sylvia Ruf (Archivbild) Vor der Alten Synagoge in Binswangen soll eine Gedenktafe­l an ermordete Juden erinnern. Die Verlegung eines Stolperste­ins in der Hauptstraß­e lehnte der Gemeindera­t dagegen ab.

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