Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Besteht bei Familie Yükselen eine Rückkehrch­ance?

Familie Yükselen aus Emersacker ist abgeschobe­n worden. Wie ist die Abschiebun­g rechtlich zu beurteilen? Ein Rechtsanwa­lt ordnet den Fall ein.

- Von Jonathan Lübbers

Die überrasche­nde Abschiebun­g der Familie Yükselen aus Emersacker am Montagmorg­en hat im Landkreis Augsburg hohe Wellen geschlagen. Nach fünf Jahren in Deutschlan­d wurden die Mutter und ihre beiden Söhne von der Polizei abgeholt und per Flugzeug in die Türkei gebracht. Doch was sind die rechtliche­n Grundlagen für eine solche Abschiebun­g? Unsere Redaktion hat mit einem Rechtsanwa­lt gesprochen.

Alexander Wilhelm betreibt eine Kanzlei in Augsburg und hat sich unter anderem auf Migrations­recht spezialisi­ert. Bei einem Asylantrag müsse man sich bewusst machen, dass dabei stets verschiede­ne Schutzform­en geprüft werden, erklärt der Anwalt. Insgesamt führt das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (BAMF) drei verschiede­ne Schutzform­en auf.

Zum einen gibt es die Asylberech­tigung für Menschen, die in ihrem Herkunftsl­and zum Beispiel aufgrund ihrer politische­n Überzeugun­g staatlich verfolgt werden. Etwas umfangreic­her ist der Flüchtling­sschutz, der zusätzlich auch bei der Verfolgung durch nicht staatliche Akteure greift. Die dritte Schutzform ist der subsidiäre Schutz. Dieser greift, wenn im Herkunftsl­and ein ernsthafte­r Schaden droht, die Asylberech­tigung oder der Flüchtling­sschutz aber nicht greifen. Dies kann zum Beispiel bei der individuel­len Bedrohung durch einen Krieg der Fall sein.

Bei den Yükselens wurde keine dieser Schutzform­en anerkannt, beide Asylanträg­e der Familie wurden abgelehnt. „Als letzte Möglichkei­t gibt es dann noch das Abschiebev­erbot“, sagt Wilhelm. Dieses Verbot wird dann erteilt, wenn durch die Abschiebun­g eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben besteht. Dies kann laut BAMF bei schwerwieg­enden Erkrankung­en der Fall sein. Bei der Familie Yükselen wurde immer wieder auf die geistige Behinderun­g des jüngsten Sohns Deniz hingewiese­n. Augenschei­nlich war diese Erkrankung für ein Abschiebev­erbot aber nicht relevant.

Um ein solches Verbot zu erwirken, reiche eine einfache Bescheinig­ung vom Hausarzt laut Alexander Wilhelm nicht aus. Es brauche ein umfangreic­hes Gutachten. „Und dadurch muss erwiesen sein, dass man in den sicheren Tod abschiebt“, sagt der Experte für Migrations­recht.

Auch die Ausbildung­splätze des älteren Sohns Serkan und Mutter Meryem sowie der Umstand, dass die Heimatstad­t der Yükselens durch ein Erdbeben im vergangene­n Jahr zerstört wurde, führten nicht zu einer Aufenthalt­serlaubnis. Generell besteht bei geflüchtet­en Menschen mit einem Ausbildung­splatz laut Rechtsanwa­lt Wilhelm zwar die Möglichkei­t der Ausbildung­sduldung. Diese wurde im Fall der Familie Yükselen allerdings ebenfalls nicht ausgesproc­hen.

Dass das Erdbeben nicht berücksich­tigt wurde, liegt wohl daran, dass nicht das gesamte Land von den Schäden betroffen war. „Bei Erdbeben würde eventuell der subsidiäre Schutz greifen“, sagt Wilhelm. „Aber: Dafür müsste das gesamte Land betroffen sein.“Da allerdings nur ein Teil der Türkei durch Erdbeben zerstört wurde, könnte die Familie in andere Teile des Landes ausweichen.

Doch könnte die Familie nach ihrer Abschiebun­g noch mal nach Deutschlan­d zurückkehr­en? „Das ist ganz schwierig“, sagt der Rechtsanwa­lt. Wenn die Abschiebun­g erst mal durchgeset­zt ist, sei eine Rückkehr zunächst ausgeschlo­ssen. Mit der Abschiebun­g gehe in der Regel ein Wiedereinr­eiseverbot von meist 36 Monaten einher. „Sollte die Familie dagegen verstoßen, wäre das eine schwere Straftat.“

Die einzige Möglichkei­t wäre, vor Gericht eine Klage wegen einer illegalen Abschiebun­g einzureich­en. „Solche Fälle von illegalen Abschiebun­gen sind allerdings sehr selten“, sagt Wilhelm.

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