Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wie geht es weiter auf dem Bau?
Kunden suchen dringend Wohnraum – trotz gestiegener Zinsen. Wenn ein Bauprojekt dann lange nicht klappt, weil Genehmigungen fehlen, ist das besonders ärgerlich.
Stefan Kramer kann es nicht mehr hören. Die Bauwirtschaft in der Krise? Seiner Erfahrung entspricht diese Einschätzung zumindest nicht. Gemeinsam mit Helmuth Dollinger führt Kramer seit 2017 die Wohnbau Langweid GmbH, ein Bauträger und Baugeschäft. In kaum einer anderen Kommune im Landkreis Augsburg ist in den vergangenen Jahren so viel Wohnraum entstanden wie in Langweid, der Gemeinde nördlich von Gersthofen. Kramer will sich nicht beschweren, doch auch er sagt: So gut wie noch vor einigen Jahren laufen die Geschäfte nicht mehr. Das hat seiner Ansicht nach hauptsächlich einen Grund.
Momentan vermarktet die Wohnbau Langweid vorwiegend Wohnungen, die im Baugebiet Oberfeld Süd entstehen. Und das läuft gut. „In den ersten drei Häusern mit jeweils elf Wohnungen sind nur noch zwei Einheiten frei. Wir vermarkten inzwischen schon das vierte Haus.“Mit dessen Bau soll demnächst begonnen werden, eine Handvoll Wohnungen sind auch dort schon weg. „Unsere Käufer sind junge Familien genauso wie alte Menschen, die aus dem eigenen Haus ausziehen möchten, Eigennutzer ebenso wie Kapitalanleger“,
beschreibt er. Zurückhaltung wegen einer gestiegenen Zinsbelastung oder einer allgemeinen Verunsicherung, die kann Kramer kaum ausmachen. „Zwei oder drei Prozent Zinsen über die Finanzierungsdauer eines Wohneigentums gerechnet, die hat es vor einigen Jahren auch schon gegeben“, gibt er zu Bedenken.
Doch auch er gibt zu: Während sich vor ein paar Jahren noch 50 Interessenten pro Woche beim Bauträger für eine Wohnung oder ein Haus interessierten, sind es jetzt deutlich weniger geworden. „Wir hätten mit dem Oberfeld Süd ein Jahr früher dran sein müssen“, sagt er. Was er damit meint: Vor allem bürokratische Vorgaben sorgen dafür, dass Bauprojekte nicht so schnell umgesetzt werden können, wie gewünscht. Drei Jahre hatte es bis zu den Genehmigungen für das Oberfeld Süd gedauert, die ersten Pläne für das Baugebiet sind aber schon sieben Jahre alt. Vor ein oder zwei Jahren noch wäre die konjunkturelle Lage zur Vermarktung des dringend benötigten Wohnraums besser gewesen, glaubt Kramer.
Dass Wohnraum weiterhin dringend gesucht ist, bestätigt auch die Sparkasse Schwaben-Bodensee. „In Gesprächen mit unseren Kunden stellen wir fest, dass der Wunsch nach einer eigenen Immobilie
ungebrochen ist. Der Bedarf nach Wohnraum ist unverändert“, sagt Andreas Radmüller, Leiter des Vorstandssekretariats der Sparkasse. Die gestiegenen Zinsen hätten aber dazu geführt, dass Bauoder Kaufwillige entweder eine Nummer kleiner planen würden oder ihr Vorhaben erst mal verschieben. Radmüller sieht jedoch auch positive Aspekte: So seien die Zinsen schon wieder um 0,5 Prozentpunkte unter den Höchststand Ende 2023 gesunken und würden vermutlich erst mal so bleiben. Auch die Preise für Baumaterialien hätten sich „teilweise normalisiert“. Er sagt aber auch: Neben hohen Grundstückspreisen seien die Baukosten auch deshalb so hoch, weil „aufwendige baurechtliche und energetische Anforderungen“eingehalten werden müssen. Deren Einhaltung wiederum muss in Bauämtern der Rathäuser und im Landratsamt überprüft werden. Und auch dort gibt es einen Fachkräftemangel, wie aus den vielen Stellenanzeigen der Kommunen hervorgeht. Sicher auch ein Grund, warum Genehmigungen manchmal lange auf sich warten lassen.
Mehr als nur ärgerlich sind genehmigungsrechtliche Vorgaben für eine andere Baufirma, M. Dumberger aus Königsbrunn. Die Firma will an dem Oberfeld Süd benachbarten „Langweid Village“ weiterbauen, 50 Wohnungen und 30 Reihenhäuser sollen eigentlich seit dem vergangenen Jahr im Bau sein. Doch bislang ruht die Baustelle. Bürgermeister Jürgen Gilg und der Gemeinderat wollten den Weg für das Bauvorhaben über ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren frei machen.
Doch im letzten Moment wurde klar, dass dieses Vorgehen beim
Langweid Village nicht zulässig ist. Das Baugebiet musste verfahrensrechtliche Extrarunden drehen, das hat rund ein Jahr Zeit gekostet und ist bis jetzt nicht abgeschlossen, so Gilg.
Geschäftsführer Michael Dumberger hatte fest mit der Baustelle gerechnet. Seit dem Herbst sind Teile seiner Stammbelegschaft deshalb in Kurzarbeit. Wenn es in einigen Wochen oder spätestens im Sommer endlich in Langweid weitergeht, könne er dort wieder zwei Baukolonnen komplett beschäftigen. „Ich bin immer noch optimistisch, aber ein Auftragsmangel bleibt“, sagt er. Das merken auf der einen Seite die Gemeinden. Wo normalerweise im Bauausschuss
in vielen Tagesordnungspunkten nicht genehmigungsfreie Bauvorhaben behandelt werden, reicht jetzt eine Ausschusssitzung alle zwei Monate, so Bürgermeister Gilg. Aber: Was jetzt nicht genehmigt wird, kann im Frühjahr nicht gebaut werden.
Den Eindruck bestätigt andererseits auch die Handwerkskammer für Schwaben. In ihrer jüngsten Konjunkturumfrage unter den Mitgliedsbetrieben aus dem Baubereich sprachen zwar 79 Prozent der Betriebe noch von einer guten oder befriedigenden Wirtschaftslage, bei Maurer- und Zimmereibetrieben seien die Auftragsbücher noch etwa zwölf Wochen im Voraus gefüllt. Doch es fehlten neue Aufträge. „Hohe Zinsen und steigende Baukosten führen zu einem deutlichen Einbruch vor allem im Wohnungsbau. Viele handwerkliche Baufirmen haben sich auf das Segment der Ein- und Zweifamilienhäuser spezialisiert und spüren den Wegfall oder Aufschub von Projekten besonders deutlich“, so die Einschätzung der Kammer. Über die Hälfte der Bauhauptbetriebe verzeichnete einen Rückgang der Auftragseingänge. „Wenn die bestehenden Vorhaben in den nächsten Monaten zunehmend abgearbeitet sind, droht eine massive Krise“, so die Kammer weiter.
Die meisten Betriebe haben volle Auftragsbücher.