Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Wer will Landwirt werden?
Die Zahl der Bauernhöfe sinkt. Dennoch lassen sich in Neusäß junge Leute zu Landwirten ausbilden. Wir haben mit ihnen über ihre Ziele gesprochen.
Wie groß der Frust vieler Landwirte ist, zeigt sich aktuell bei den Demonstrationen im ganzen Land. Wie groß ist da das Interesse, noch einen Hof zu übernehmen? Und was ist erst in zehn Jahren? Darüber haben wir mit jungen Menschen gesprochen, die in Neusäß an der Berufsschule zu Landwirten ausgebildet werden. „Es gibt einfach nichts Besseres“, sagt Paul Ferber aus Reinhartshausen. „Du bist draußen, Du siehst, was Du tust – und mit der Ausbildung zum Landwirt hast Du so viele Möglichkeiten“, sagt der junge Mann. Er stammt nicht aus der Landwirtschaft und hat viele verschiedene Praktika gemacht. Doch nichts hat ihn so sehr überzeugt. Im Sommer hat der Zwölftklässler seinen Titel Landwirt in der Tasche.
Vielen seiner Mitschüler an der Neusässer Berufsschule geht es ähnlich. Nico Karl aus Kühbach hat nach der Realschule eine Ausbildung in der Industrie begonnen. „Da dachte ich noch, ich will auch mit den anderen zum Baggersee fahren anstatt auf dem Hof meiner Eltern in den Stall.“Es stand auch nie zur Debatte, dass er den Hof übernimmt. „Aber jetzt mache ich doch die Ausbildung zum Landwirt. Ich will raus, ich will sehen, was ich tue. Aber auf keinen Fall will ich den ganzen Tag in einer Firmenhalle unter künstlichem Licht stehen.“Die Arbeit auf dem Hof, die mache ihm Spaß. Da stimmt auch Banknachbar Jonas Helfer aus Ecknach zu. Als Kind hat er daheim Kartoffeln geklaubt, später fuhr er auf dem Bulldog mit, durfte den Stapler lenken. Den Hof seiner Eltern möchte der junge Mann weiterführen und den Bestand von 70 Milchkühen vielleicht um Bullenkälber erweitern.
Die jungen Leute diskutieren engagiert. Die meisten aus dieser
Klasse stammen aus der Landwirtschaft. Eine Jugendliche aus Eichstätt dagegen nicht. Dennoch büffelt sie den schweren Stoff, lernt, wie die Verdauung eines Wiederkäuers funktioniert; wie das Futter zusammengesetzt sein muss, damit ein Tier gut versorgt ist und die erhoffte Leistung bringt. Ein Jahr hat sie zuerst bei einer Schäferei gearbeitet. Und festgestellt: Immer mehr Kindern fehlt der Bezug zur Landwirtschaft völlig. Das will Anne ändern und mehr Schülerinnen und Schüler über Bauernhöfe führen. Nach der erfolgreichen Ausbildung zur Landwirtin will sie deswegen noch etwas Pädagogisches dazu lernen.
Konkrete Pläne hat auch Isabell Lobinger. In Göggingen betreiben ihre Eltern einen Pferdehof, samt Hühnern, Ackerbau, Direktvermarktung und mehr. „Als Landwirtin muss man offen sein, und gerade auch mit der Direktvermarktung mehr auf die Kunden zugehen.“Sie ist froh, dass der Betrieb so vielseitig aufgestellt ist, denn „Pferdenarren sind speziell“, sagt sie und lacht. Die viele andere Arbeit betrachtet sie als gute Ablenkung. Die Zukunft sei gesichert. „Wir haben erst eine neue Reithalle gebaut; Pensionspferde sind gefragt. Das rentiert sich.“
Lukas Gabriel erzählt, manche seiner Freunde seien vom Hof so begeistert, dass sie jedes Wochenende bei ihm mit anpacken. Andere würden das alles gar nicht verstehen. 250 Stiere hält seine Familie in Schwabmünchen. Als die Maschinen zu groß für die Fahrt durch die Stadt wurden, wurde außerhalb eine neue Halle samt Stall gebaut. Dem angehenden Landwirt war früh klar, dass er den Hof seines Onkels übernimmt. Der Betrieb
biete viele neue Möglichkeiten. So kann sich der Schwabmünchner eine Biogasanlage vorstellen oder einen Kälberstall.
Doch lohnt sich eine Biogasanlage überhaupt noch? Die Subvention für die Anlage von Laurenz Keßler aus Ehingen läuft bald aus. Er verbrennt darin ausschließlich Biomaterial, versorgt 40 Anschlüsse mit Wärme und verkauft den Strom. Die Wärme könne er gut im Dorf halten und vielleicht künftig ein Neubauprojekt oder eine Firma zusätzlich damit versorgen. „Mehr am Hof ausbauen, das geht mitten im Ort nicht“, sagt er. Stattdessen denke seine Familie über eine Freiflächenfotovoltaik nach. Ein Grundstück, das oft unter Wasser stünde, böte sich dafür an.
Ein Bekannter habe gerade 30 Hektar Pachtfläche verloren, die der Eigentümer jetzt für viel Geld an einen Energieversorger verpachtet, der eine Fotovoltaik-Anlage dorthin baut. „Der zahlt viel mehr Pacht“, sagt Keßler. Jonas Helfer kann die ganze Debatte nicht verstehen. „Wir haben doch so viele freie Dächer, warum müssen wir unsere guten Flächen dafür hernehmen?“Nico Karl ergänzt, ein Acker böte mit Fruchtfolgen viel mehr Möglichkeiten. Mit einer Fotovoltaik dagegen sei man auf Jahre gebunden. „Und da weiß auch keiner, wie sich die Preise in den nächsten Jahren entwickeln.“
Dass viele ihrer Freunde mehr Freizeit haben, stört in dieser Klasse die wenigsten. „Mei, die anderen saufen, und ich hock’ zufrieden auf meinem Bulldog“, sagt einer. Ein anderer feiert durchaus mal eine Nacht durch und steht direkt danach wieder im Stall. „Wenn ich jetzt auf eine Party möchte, springt mein Vater für mich ein“, erzählt Nico Karl. „Aber in zehn Jahren, da sieht das anders aus.“
Subvention für die Biogasanlage läuft bald aus.