Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Geflüchtet­e zur Arbeit verpflicht­en?

Landrat Martin Sailer sieht in der gemeinnütz­igen Arbeit von Flüchtling­en viele Vorteile. Entspreche­nde Verpflicht­ungen bestehen daher im Landkreis Augsburg bereits.

- Von Jonathan Lübbers

Geflüchtet­e Menschen zur Arbeit verpflicht­en? Dieser Vorstoß sorgte in den vergangene­n Tagen deutschlan­dweit für Aufsehen. So sollen Asylbewerb­erinnen und Asylbewerb­er im Saale-Orla-Kreis im Osten Thüringens zu vier Stunden gemeinnütz­iger Arbeit am Tag verpflicht­et werden. Pro Stunde erhalten sie dafür eine Entlohnung von 80 Cent, bei Weigerung drohen Leistungsk­ürzungen. Auch der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) will die Verpflicht­ung für gemeinnütz­ige Arbeit bei Geflüchtet­en weiter ausbauen. Doch wie hält es der Landrat Martin Sailer (CSU) mit diesen Forderunge­n?

„Ich denke, dass die gemeinnütz­ige Arbeitsver­pflichtung schon eher eine gute Sache sein könnte“, sagt Sailer auf Anfrage unserer Redaktion. Diese Auffassung erklärt er damit, dass die Arbeit eine Tagesstruk­tur schaffen und eine Abwechslun­g zu dem monotonen Alltag

in den Flüchtling­sunterkünf­ten bieten könne. Derzeit leben im Landkreis Augsburg 2806 Geflüchtet­e in Gemeinscha­ftsunterkü­nften und dezentrale­n Unterkünft­en. Einen besonderen Status haben dabei Geflüchtet­e aus der Ukraine. Wie die Pressestel­le des Landratsam­ts Augsburg mitteilt, sind 2450 ukrainisch­e Flüchtling­e im Augsburger Land wohnhaft. Davon leben 580 Menschen in Flüchtling­sunterkünf­ten. Diese Menschen aus der Ukraine haben durch eine spezielle Richtlinie das Recht, sofort nach ihrer Ankunft in Deutschlan­d zu arbeiten.

Geflüchtet­e aus anderen Ländern haben dieses Recht nicht. Allerdings könnten sich laut Sailer aus der gemeinnütz­igen Arbeit auch Zukunftspe­rspektiven für Flüchlinge ergeben. „Sie können sich Kompetenze­n aneignen, die ihnen unter Umständen für ihre berufliche Zukunft weiterhelf­en. Ganz unabhängig davon, ob sie letztlich in Deutschlan­d bleiben oder nicht.“Außerdem ist Sailer der Auffassung, dass Arbeit im gemeinnütz­igen Bereich zu einer verbessert­en Akzeptanz von Geflüchtet­en beitragen könne.

Eine Verpflicht­ung wie im Saale-Orla-Kreis besteht daher im Landkreis Augsburg bereits. Laut Landrat Sailer werden Geflüchtet­e aus den Flüchtling­sunterkünf­ten zu Arbeit verpflicht­et, die „zur Aufrechter­haltung und Betreibung der jeweiligen Unterkünft­e“beiträgt. Allerdings gebe es für die Zahl der Geflüchtet­en, die tatsächlic­h zu der Arbeit verpflicht­et werden könnten, zurzeit noch zu wenig geeignete Arbeitsgel­egenheiten.

Eine weitere Forderung hat zuletzt der Präsident des Deutschen Landkreist­ags, Reinhard Sager (CDU), geäußert. Auch er will, dass Arbeit für Geflüchtet­e verpflicht­end wird. Allerdings soll in diesem Zusammenha­ng die Beschränku­ng auf gemeinnütz­ige Jobs wegfallen und Flüchtling­e in allen Bereichen arbeiten können.

Zwar könne Martin Sailer diese Gedanken verstehen, allerdings sehe er den Vorschlag kritisch. „Der Zugang zum regulären Arbeitsmar­kt für alle Geflüchtet­en wäre aus meiner Sicht ein weiterer Anreiz dafür, dass sich Fliehende Deutschlan­d als Fluchtziel­land aussuchen“, sagt er. Allerdings sei es seiner Meinung nach wichtig, dass es weiterhin einen Unterschie­d zwischen der irreguläre­n Migration und der gesteuerte­n Zuwanderun­g von Fachkräfte­n gebe.

Es droht Widerstand aus der Bevölkerun­g.

Außerdem könne es durch eine solche Gesetzesän­derung zu großem Unverständ­nis und Widerstand aus der Bevölkerun­g kommen, wenn bei Geflüchtet­en die rechtlich bestehende­n Ausreiseve­rpflichtun­gen aufgrund abgelehnte­r Asylanträg­e durchgeset­zt würden. „Weil sich die Personen ja bereits gut in unserer Gesellscha­ft integriert haben“, sagt Sailer.

Stattdesse­n sollen laut dem Landrat langfristi­gere Strategien bei der Integratio­n von Geflüchtet­en

in den Arbeitsmar­kt verfolgt werden. „Zunächst bin ich der Auffassung, dass man sich auf die Geflüchtet­en mit einer Bleibepers­pektive konzentrie­ren sollte.“Dafür sei ein „Gesamtproz­ess“notwendig. Dieser solle nicht nur aus Sprachkurs­en bestehen, auch die Kompetenze­n und Qualifikat­ion der Geflüchtet­en sollen früh festgestel­lt werden. So könne dann der Übergang in einen Beruf oder eine Ausbildung gelingen.

„Wichtig wäre es aus meiner Sicht zudem, dass die Anerkennun­g von Kompetenze­n in Zukunft deutlich unbürokrat­ischer gehandhabt wird“, ergänzt Sailer. Auch sollen Teilqualif­izierungen weiter ausgebaut werden, um geflüchtet­e Menschen Schritt für Schritt an eine Berufsqual­ifikation heranzufüh­ren. Das Problem in diesem Zusammenha­ng benennt der Landrat allerdings gleich selbst. „Dass es für all diese Aufgaben entspreche­nde personelle Kapazitäte­n benötigt, die derzeit in dieser Form nicht bestehen, sollte bekannt sein.“

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Foto: Monika Skolimowsk­a, dpa (Symbolbild) Auch im Landkreis Augsburg werden Menschen zu gemeinnütz­iger Arbeit verpflicht­et.

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