Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Geflüchtete zur Arbeit verpflichten?
Landrat Martin Sailer sieht in der gemeinnützigen Arbeit von Flüchtlingen viele Vorteile. Entsprechende Verpflichtungen bestehen daher im Landkreis Augsburg bereits.
Geflüchtete Menschen zur Arbeit verpflichten? Dieser Vorstoß sorgte in den vergangenen Tagen deutschlandweit für Aufsehen. So sollen Asylbewerberinnen und Asylbewerber im Saale-Orla-Kreis im Osten Thüringens zu vier Stunden gemeinnütziger Arbeit am Tag verpflichtet werden. Pro Stunde erhalten sie dafür eine Entlohnung von 80 Cent, bei Weigerung drohen Leistungskürzungen. Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will die Verpflichtung für gemeinnützige Arbeit bei Geflüchteten weiter ausbauen. Doch wie hält es der Landrat Martin Sailer (CSU) mit diesen Forderungen?
„Ich denke, dass die gemeinnützige Arbeitsverpflichtung schon eher eine gute Sache sein könnte“, sagt Sailer auf Anfrage unserer Redaktion. Diese Auffassung erklärt er damit, dass die Arbeit eine Tagesstruktur schaffen und eine Abwechslung zu dem monotonen Alltag
in den Flüchtlingsunterkünften bieten könne. Derzeit leben im Landkreis Augsburg 2806 Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften und dezentralen Unterkünften. Einen besonderen Status haben dabei Geflüchtete aus der Ukraine. Wie die Pressestelle des Landratsamts Augsburg mitteilt, sind 2450 ukrainische Flüchtlinge im Augsburger Land wohnhaft. Davon leben 580 Menschen in Flüchtlingsunterkünften. Diese Menschen aus der Ukraine haben durch eine spezielle Richtlinie das Recht, sofort nach ihrer Ankunft in Deutschland zu arbeiten.
Geflüchtete aus anderen Ländern haben dieses Recht nicht. Allerdings könnten sich laut Sailer aus der gemeinnützigen Arbeit auch Zukunftsperspektiven für Flüchlinge ergeben. „Sie können sich Kompetenzen aneignen, die ihnen unter Umständen für ihre berufliche Zukunft weiterhelfen. Ganz unabhängig davon, ob sie letztlich in Deutschland bleiben oder nicht.“Außerdem ist Sailer der Auffassung, dass Arbeit im gemeinnützigen Bereich zu einer verbesserten Akzeptanz von Geflüchteten beitragen könne.
Eine Verpflichtung wie im Saale-Orla-Kreis besteht daher im Landkreis Augsburg bereits. Laut Landrat Sailer werden Geflüchtete aus den Flüchtlingsunterkünften zu Arbeit verpflichtet, die „zur Aufrechterhaltung und Betreibung der jeweiligen Unterkünfte“beiträgt. Allerdings gebe es für die Zahl der Geflüchteten, die tatsächlich zu der Arbeit verpflichtet werden könnten, zurzeit noch zu wenig geeignete Arbeitsgelegenheiten.
Eine weitere Forderung hat zuletzt der Präsident des Deutschen Landkreistags, Reinhard Sager (CDU), geäußert. Auch er will, dass Arbeit für Geflüchtete verpflichtend wird. Allerdings soll in diesem Zusammenhang die Beschränkung auf gemeinnützige Jobs wegfallen und Flüchtlinge in allen Bereichen arbeiten können.
Zwar könne Martin Sailer diese Gedanken verstehen, allerdings sehe er den Vorschlag kritisch. „Der Zugang zum regulären Arbeitsmarkt für alle Geflüchteten wäre aus meiner Sicht ein weiterer Anreiz dafür, dass sich Fliehende Deutschland als Fluchtzielland aussuchen“, sagt er. Allerdings sei es seiner Meinung nach wichtig, dass es weiterhin einen Unterschied zwischen der irregulären Migration und der gesteuerten Zuwanderung von Fachkräften gebe.
Es droht Widerstand aus der Bevölkerung.
Außerdem könne es durch eine solche Gesetzesänderung zu großem Unverständnis und Widerstand aus der Bevölkerung kommen, wenn bei Geflüchteten die rechtlich bestehenden Ausreiseverpflichtungen aufgrund abgelehnter Asylanträge durchgesetzt würden. „Weil sich die Personen ja bereits gut in unserer Gesellschaft integriert haben“, sagt Sailer.
Stattdessen sollen laut dem Landrat langfristigere Strategien bei der Integration von Geflüchteten
in den Arbeitsmarkt verfolgt werden. „Zunächst bin ich der Auffassung, dass man sich auf die Geflüchteten mit einer Bleibeperspektive konzentrieren sollte.“Dafür sei ein „Gesamtprozess“notwendig. Dieser solle nicht nur aus Sprachkursen bestehen, auch die Kompetenzen und Qualifikation der Geflüchteten sollen früh festgestellt werden. So könne dann der Übergang in einen Beruf oder eine Ausbildung gelingen.
„Wichtig wäre es aus meiner Sicht zudem, dass die Anerkennung von Kompetenzen in Zukunft deutlich unbürokratischer gehandhabt wird“, ergänzt Sailer. Auch sollen Teilqualifizierungen weiter ausgebaut werden, um geflüchtete Menschen Schritt für Schritt an eine Berufsqualifikation heranzuführen. Das Problem in diesem Zusammenhang benennt der Landrat allerdings gleich selbst. „Dass es für all diese Aufgaben entsprechende personelle Kapazitäten benötigt, die derzeit in dieser Form nicht bestehen, sollte bekannt sein.“