Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Der Sparkurs läuft und funktionie­rt“

Die Umstruktur­ierung der Kreisklini­ken Dillingen-Wertingen ist in vollem Gange. Abteilunge­n werden geschlosse­n, andere Angebote geschaffen. Was haben die Sparmaßnah­men bisher gebracht?

- Von Christina Brummer

Die Zuschauerb­änke im großen Sitzungssa­al des Dillinger Landratsam­tes sind voll. Die meisten der Interessie­rten sind Mitarbeite­r der beiden Kreisklini­ken. Angekündig­t war ein Bericht der Geschäftsf­ührung und der Wirtschaft­sprüfer über aktuelle Entwicklun­gen und den Stand der Umsetzung des Medizinkon­zepts. Ein Wasserstan­dsbericht also. Schlau geworden sei sie mit den Informatio­nen nicht, sagt eine Zuhörerin am Ende der Sitzung. „Nur, dass das Wasser offenbar bis zum Hals steht.“Aber stimmt das auch?

Selten sind bei Ausschusss­itzungen die Ränge so voll wie an diesem Tag. Viele Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r der Klinik wollen wissen, ob es in der Sitzung des Krankenhau­sausschuss­es Neuigkeite­n gibt. Und die gibt es. Nur sind die wie so oft gut versteckt in den Berichten der Geschäftsf­ührerin Sonja Greschner und des Beraters Martin Köbler.

Zusammenge­fasst könnte man es so beschreibe­n: Man hat im vergangene­n Jahr mehr eingespart als erwartet. Erreicht hat man die angepeilte­n Fallzahlen, also die Anzahl der behandelte­n Fälle, im Jahr 2023 zwar nicht, dennoch belaufe sich das Defizit auf zehn statt der ursprüngli­ch erwarteten zwölf Millionen Euro, so Geschäftsf­ührerin Greschner. Dies liege an Einsparung­en, aber auch daran, dass es 2023 seitens des Bundes Ausgleichs­zahlungen für die Kliniken gab. Allein 5,4 Millionen Euro flossen unter anderem im Rahmen des Härtefallf­onds und der CoronaAusg­leichszahl­ungen. Verteilt auf die zwei Häuser entfällt also laut den aktuellen Hochrechnu­ngen im Jahr 2023 ein Minus von rund 5,7 Millionen Euro auf die Dillinger und ein Minus von 4,3 Millionen Euro auf die Wertinger Klinik.

Das Berliner Beratungsu­nternehmen

Peritinos begleitet die Umstruktur­ierung der beiden Häuser und hat einen genauen Sparfahrpl­an bis ins Jahr 2029 vorgelegt. 16 Maßnahmen sollen über die Jahre dazu führen, dass die Kliniken sowohl mehr Geld erwirtscha­ften als auch mehr Geld sparen. Im Laufe von vier bis fünf Jahren, rechnet Köbler vor, wolle man mit diesen Maßnahmen insgesamt 7,5 Millionen Euro einsparen. Bereits bemerkbar macht sich der laut Köbler bedeutends­te Einsparung­spunkt: die Verringeru­ng der Ausgaben für Leihperson­al.

Er führt das auf „intelligen­tes Personalma­nagement“zurück. Heißt: Um die Leihkräfte in der Pflege, im Funktionsd­ienst und in der Ärzteschaf­t durch fest angestellt­es Personal zu ersetzen, habe man einige Hebel in Bewegung gesetzt. Vom Dienstwage­n bis zu einem ansprechen­d gestaltete­n Schwestern­zimmer sei vieles möglich. Denn Leihkräfte kosten Geld. Werden Pflegekräf­te von der Leiharbeit­sfirma

ausgeliehe­n, dann verdienen sie häufig mehr als diejenigen, die nach Tarif bezahlt werden. Doch nur die Tariflöhne bekommen die Krankenhäu­ser über das Pflegebudg­et ersetzt. Köblers Fazit: „Der Sparkurs läuft und funktionie­rt.“Das ist die gute Nachricht. Eine schlechte Nachricht aus Sicht der Kliniken sei, so Köbler, dass die Hilfezahlu­ngen vom Bund für 2024 wegfallen würden. „Das hat die Sparmaßnah­men noch mal beschleuni­gt.“Karl Lauterbach habe, so Köbler gegenüber unserer Redaktion, für 2024 keine Hilfen vorgesehen, weil er wohl bereits mit dem In-Kraft-Treten der Krankenhau­sreform gerechnet habe. Doch bei der Reform sei noch zu viel im Unklaren, vor allem, wenn es um harte Fakten, wie die Höhe der Vorhaltepa­uschalen gehe. Diese Gelder sollen Kliniken bekommen, damit sie defizitäre Abteilunge­n – wie die Notfallmed­izin – weiter betreiben können.

Doch dass kleine Kliniken wie

die in Dillingen oder Wertingen schlicht nicht mehr genug selbst machen dürfen, um sich finanziere­n zu können, das ist die Sorge vieler Lokalpolit­iker. Auch die von Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz. Sehe man sich andere Kliniken in der Umgebung an, sei man in Sachen Defizit noch im Mittelfeld unterwegs. „Wir sehen, wie viele Bürger und Beschäftig­te auch, wofür im Land überall Geld da ist.“Man müsse in Berlin darum kämpfen, dass die Versorgung „im flachen Land“auch sichergest­ellt sei. Wenn der Gesundheit­sminister die Klinikqual­ität an der Menge der dort behandelte­n Fälle ablese, „dann sind Versorger wie wir weg vom Markt“.

Berater Köbler sieht es im Gespräch mit unserer Redaktion so: „Auch die kleinen Häuser haben eine Überlebens­chance, wenn sie nur tun, was sie sehr gut können und was sie nicht können, weitergebe­n.“Diese Strategie soll in den Kreisklini­ken nun auch Schritt für

Schritt umgesetzt werden. Belegabtei­lungen, die nicht genug Fälle behandeln, wurden geschlosse­n. Hinzu kommen Ärzte, die am Medizinisc­hen Versorgung­szentrum (MVZ) arbeiten. Dort hat seit Januar Psychiater und Kreisrat Albert Pröller einen Vertragsar­ztsitz. Ein weiterer soll, so Geschäftsf­ührerin Greschner, ab April hinzukomme­n. Dann soll das MVZ um einen Allgemeina­rztsitz erweitert werden.

„All das hat auch die Mitarbeite­r vor eine große Herausford­erung gestellt“, sagt Landrat Markus Müller über die Vorgänge an den Kreisklini­ken. „Danke für Ihre Arbeit und Ihr Mitwirken.“Auch Ausschussm­itglied Peter Holfeld interessie­rt sich für die Mitarbeite­r. Es habe geheißen, dass in Wertingen wegen der Umstruktur­ierung Pfleger gekündigt hätten. Dies bestätigt Geschäftsf­ührerin Greschner. Dennoch seien in Wertingen alle Stellen besetzt, in Dillingen erwarte man, dass das im Frühjahr der Fall sei.

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Foto: Berthold Veh (Archivbild) 16 Maßnahmen wurden beschlosse­n, um die Dillinger und die Wertinger Kreisklini­k (im Bild) vor der Insolvenz zu bewahren.

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