Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Zementiertes Mittelmaß: Die Ampel und die Rente
Mit ihrem Rentenpaket kauft die Koalition sich Zeit. Um die entscheidende Frage aber macht sie einen großen Bogen: Eine alternde Gesellschaft muss auch länger arbeiten.
Mag die Rente auch sicher sein: Ein Rentnerparadies wird Deutschland nicht mehr. Während sich die Schweizer per Volksabstimmung gerade eine 13. Rente im Jahr genehmigt haben und Österreich seinen Rentnern sogar Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe einer vollen Rente überweist, feiert sich der deutsche Sozialminister schon dafür, dass die Erhöhung der Altersgelder leicht über der Inflationsrate liegt. Wer da nicht selbst vorgesorgt hat, steht im Alter ziemlich schnell ziemlich klamm da.
Die Ampelparteien versuchen gar nicht erst, daran jetzt groß etwas zu ändern. Mit ihrem Rentenpaket verwalten Hubertus Heil und Christian Lindner lediglich den Mangel, um die strukturellen Probleme des Systems machen beide einen großen Bogen. Obwohl
Deutschland weiter altert, will die Koalition das Rentenalter von 67 Jahren nicht heraufsetzen. Obwohl Fachkräfte immer knapper werden, dürfen langjährig Beschäftigte weiter nach 45 Versicherungsjahren ohne Abschläge in den Ruhestand gehen. Und obwohl die Beamtenpensionen Bund, Länder und Gemeinden langsam, aber sicher auffressen, ist die Zahl der im Alter deutlich privilegierten Beamten gerade auf den höchsten Stand seit 30 Jahren gestiegen.
Für all diese Probleme ist die Ampel nicht alleine verantwortlich, ihre Entstehungsgeschichte reicht teilweise Jahrzehnte zurück. Die Reform, die Sozialdemokraten, Grüne und Liberale jetzt vorgelegt hat, aber ist mit unambitioniert noch freundlich umschrieben und wird zu weiten Teilen von den Versicherten und den Rentnern selbst finanziert – sei es über steigende Beiträge, sei es über ihre Steuern.
Natürlich ist es vernünftig, einen Kapitalstock aufzubauen, um mit dessen Erträgen den Anstieg der Beiträge zu dämpfen. Der errechnete Effekt aber fällt mit 0,3 Prozentpunkten eher mager aus und hat auch noch den Haken, dass die Koalition zunächst zweistellige Milliardenbeträge an Krediten aufnehmen muss, um den Fonds anzufüttern. Überdies sind die mittelfristig erwarteten zehn Milliarden Euro an jährlichem Ertrag bei Ausgaben von mehr als 400 Milliarden nicht mehr als der berühmte
Tropfen auf den heißen Stein.
Auch die Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent eines Durchschnittseinkommens ist nichts, wofür sich eine Koalition feiern lassen sollte, sondern in einem wohlhabenden Land wie der Bundesrepublik eine sozialpolitische Selbstverständlichkeit. In vielen Fällen reichen solche Renten dennoch nicht aus, den gewohnten Lebensstandard im Alter auch nur halbwegs zu halten. Das neue Rentenpaket wird daran nichts ändern. Es verschafft der Politik vielleicht ein paar Jahre Zeit, wird die schleichende Verarmung einer ganzen Rentnergeneration aber nicht bremsen. Dazu wären ganz andere Maßnahmen nötig, zum Beispiel die kontinuierliche Anpassung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung, der Ersatz der unrentablen, bürokratischer Riester-Rente durch ein effizienteres Modell nach schwedischem Vorbild und der sofortige Verzicht auf die als „Rente mit 63“bekannt gewordene abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren.
An all das wagt sich die Koalition nicht oder wie bei der RiesterRente nur zögerlich heran. Natürlich sind die höheren Renten anderer Länder teilweise auch durch höhere Beiträge erkauft. Das heißt aber nicht, dass es nicht noch andere Stellschrauben gäbe. Die potenteste Volkswirtschaft Europas darf sich nicht damit zufriedengeben, im Rentenvergleich allenfalls europäisches Mittelmaß zu sein.
Eine Reform der Riester-Rente ist überfällig.