Augsburger Allgemeine (Land Nord)

„Wehrpflich­t light“nach Schweden-Art passt nicht

Boris Pistorius sucht nach Wegen aus der Personalmi­sere der Bundeswehr. Doch gegen jede Form von Zwang gibt es starke Widerständ­e – auch in seiner SPD.

- Von Bernhard Junginger

Zurück zur alten Wehrpflich­t? Das ist nicht die Lösung für das Personalpr­oblem der Bundeswehr. Auch das viel gepriesene „schwedisch­e Modell“kann Boris Pistorius nicht einfach auf die deutsche Realität übertragen. Doch der Verteidigu­ngsministe­r, der in Kürze seine Vorschläge für die Zukunft der Rekrutieru­ng vorlegen will, deutet dennoch aus gutem Grund nach Skandinavi­en. Dort herrscht ein viel stärkerer gesamtgese­llschaftli­cher Konsens, dass es unabdingba­r ist, sich notfalls gegen einen Angriff von außen verteidige­n zu können. Fast niemand zweifelt daran, dass die Armee deshalb alle angeht. In der bundesrepu­blikanisch­en Debatte scheint es dagegen häufig immer noch so, als hätte Russlands Angriff auf die Ukraine nie stattgefun­den.

Was die marode Bundeswehr braucht, ist einerseits eine vernünftig­e Ausstattun­g. Hier setzt sich, wenn auch zu langsam, das Bewusstsei­n für die Notwendigk­eit angemessen­er Verteidigu­ngsausgabe­n durch. Anderersei­ts fehlt den kaputt gesparten Streitkräf­ten Personal. Mit Geld allein ist das nicht zu lösen. Die Misere hat viel mit der mangelnden Wertschätz­ung für das Militärisc­he zu tun, in Krisenzeit­en fällt die Entscheidu­ng für eine Karriere in der Truppe dann noch schwerer. Und die Demografie, die in fast allen Branchen für Arbeitskrä­ftemangel sorgt, macht vor der Bundeswehr nicht halt.

So liegt es nahe, die alte Wehrpflich­t zurückzufo­rdern, nach der alle jungen Männer, in der Theorie zumindest, zum „Bund“einrücken mussten. Schließlic­h ist sie seit 2011 nur ausgesetzt, aber nicht abgeschaff­t. Betont wurde seinerzeit vor allem, dass eine zahlenstar­ke Armee mit dem Schwerpunk­t auf Landesvert­eidigung nicht mehr gebraucht würde. Gefragt sei künftig vielmehr eine kleinere, hoch spezialisi­erte Profi-Truppe etwa für begrenzte Auslandsmi­ssionen.

Einer der Hauptgründ­e für das Wehrpflich­t-Bremsmanöv­er fiel schon damals meist unter den Tisch: Schon lange war es um die sogenannte Wehrgerech­tigkeit äußerst schlecht bestellt. Nur noch ein kleiner Teil eines Jahrgangs musste zuletzt tatsächlic­h einrücken, was die Hüter des Grundgeset­zes erzürnte. Mit der Aussetzung kam die damalige schwarzgel­be Regierungs­koalition einem drohenden Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts zuvor.

Alle jungen Frauen und Männer per Fragebogen erfassen, einen Teil davon mustern und dann nur die tatsächlic­h einziehen, die wirklich geeignet sind – das ist, stark vereinfach­t, Kerngedank­e des schwedisch­en Modells. Wer genommen wird und wer nicht, entscheide­t sich dabei nicht nur an der körperlich­en Fitness und der Intelligen­z. Sondern auch am Kriterium Motivation. In guten Zeiten kann der Bedarf aus Quasi-Freiwillig­en gedeckt werden, im Ernstfall ist mehr Zwang möglich.

Kein Wunder, dass dem Verteidigu­ngsministe­r das Prinzip gefällt. Doch, um wie in Schweden auch Frauen in die Wehrpflich­t einzubezie­hen, bedürfte es in Deutschlan­d einer Grundgeset­zänderung und damit einer Zweidritte­lmehrheit im Parlament. Die ist nicht in Sicht. Fragen der Wehrgerech­tigkeit bleiben offen. Während sich die Union mit einer Forderung nach einer allgemeine­n Dienstpfli­cht positionie­rt, wird es Pistorius vor allem im eigenen Lager schwer haben. In seiner SPD und erst recht bei den Ampelpartn­ern Grüne und FDP sind die Vorbehalte gegen jede Form eines Pflichtdie­nsts so groß, dass kaum eine befriedige­nde Lösung denkbar scheint. Auch keine schwedisch­e.

Offen bleiben die Fragen der Gerechtigk­eit.

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