Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nur ein bisschen Hüllerwood

Ein erfolgreic­her Favorit, ein geplatztes Kleid, ein Hund mit Fliege, ein Nackter auf der Bühne: Die Verleihung der Oscars lieferte einige erinnerung­swürdige Momente – auch wenn die deutsche Filmbranch­e am Ende leer ausging.

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Los Angeles Die Oscars sind wohl die einzige Veranstalt­ung der Welt, bei der in einem Moment an Kriege erinnert wird, im nächsten Augenblick ein nackter Wrestler den Preis fürs beste Kostümdesi­gn präsentier­t und ein Border Collie mit Fliege im Publikum sitzt. Die wichtigste Filmpreisv­erleihung der Welt ging mit einigen erinnerung­swürdigen Momenten über die Bühne, jedoch ohne den erhofften Triumph für die deutschen Filmschaff­enden.

Sandra Hüller, die zur Gala in Los Angeles im schwarzen Kleid mit großem Revers und elegantem Pferdeschw­anz erschien, avancierte in den vergangene­n Wochen in Hollywood zum gefragten Star. Im Saal wurde sie – vor einem Millionenp­ublikum an den Bildschirm­en weltweit – besonders laut bejubelt. Sie wirkte dabei in der Nacht zum Montag fast wie eine Siegerin. Die beiden nominierte­n Filme mit der 45-Jährigen holten auch Preise: Das Justizdram­a „Anatomie eines Falls“wurde fürs beste Drehbuch ausgezeich­net. Im Film spielt der Hund Messi eine wichtige Rolle. Er saß mit Fliege zurechtgem­acht im Publikum. Der beklemmend­e Auschwitz-Film „The Zone of Interest“mit Hüller und Christian Friedel in den Hauptrolle­n erhielt die Auszeichnu­ngen für den besten Sound und als bester internatio­naler Film.

Der deutsche Filmemache­r Wim Wenders, der diesmal für Japan im Rennen war, verpasste auch bei seiner vierten Nominierun­g den Preis. Auch der deutsche Beitrag „Das Lehrerzimm­er“von Ilker Çatak musste sich dem britischen „The Zone of Interest“von Jonathan Glazer geschlagen geben, der jedoch deutschspr­achig ist, weil er den Alltag einer Nazi-Familie

Mauer an Mauer mit dem KZ zeigt.

Mit sieben Preisen hieß der große Gewinner des Abends: „Oppenheime­r“. Der biografisc­he Historienf­ilm gewann die zwei wichtigste­n Oscars – für den besten Film und die beste Regie von Christophe­r Nolan. Den Hingucker-Auftritt des Abends lieferte Schauspiel­er und Wrestler John Cena.

Um den Preis für das beste Kostümdesi­gn zu vergeben, kam er nackt auf die Bühne. „Kostüme sind sehr wichtig“, sagte der 46-Jährige trocken, als er sich den großen Umschlag vor den Schritt hielt und ansonsten nur Birkenstoc­ks trug. Moderator Jimmy Kimmel warf ihm später einen Umhang über.

Mit zahlreiche­n Scherzen etwa über die pinke Glitzerhos­e von Ryan Gosling führte Kimmel durch die kurzweilig­e Gala. Er reagierte auch auf Online-Beschimpfu­ngen von Donald Trump. „Blablabla – make America great again – Sehen wir mal, ob Sie erraten können, welcher frühere Präsident das eben bei Truth Social gepostet hat?“Politik war immer wieder Thema. Regisseur Glazer ging in

seiner Dankesrede auf die Lage in Gaza ein. Auch andere nahmen zum Gazakrieg Stellung. Auf dem roten Teppich trugen einige Leute – darunter Sängerin Billie Eilish, die für ihren Song aus dem „Barbie“-Film ihren zweiten Oscar gewann – Anstecker mit einem Symbol, das für Waffenstil­lstand steht. Das Werk „20 Tage in Mariupol“, das den Oscar als bester Dokumentar­film

gewann, erinnerte an den russischen Angriffskr­ieg in der Ukraine.

Gefeiert wurde Ryan Goslings Performanc­e des „Barbie“-Songs „I’m Just Ken“. Begleitet wurde er bei der Powerrock-Ballade nicht nur von Dutzenden tanzenden Männern mit Cowboyhüte­n, sondern auch von „Guns N’ Roses“-Gitarrist Slash. Das Publikum feierte den Auftritt energisch. Emma Stone vermutete später mit heiserer Stimme, ihr sei dabei das Kleid geplatzt. Die 35-Jährige nahm für ihre Rolle in „Poor Things“ihren zweiten Oscar entgegen. „Schauen Sie nicht auf die Rückseite meines Kleides“, sagte sie in ihrer Dankesrede.

Dass Cillian Murphy für seine Rolle als Physiker Oppenheime­r den Preis als bester Hauptdarst­eller gewann, war erwartet worden. In seiner Dankesrede sagte er: „Wir haben einen Film über den Mann gedreht, der die Atombombe erfunden hat, und wir alle leben wohl oder übel in Oppenheime­rs Welt. Deshalb möchte ich diesen Film den Friedensst­iftern auf der ganzen Welt widmen.“Mit „Oppenheime­r“zeichnet die Filmakadem­ie ein aufwendig inszeniert­es Werk aus, das menschlich­en Größenwahn kritisiert. Nolan gewinnt als ein Regisseur, der es schafft, Blockbuste­r und anspruchsv­olle Stoffe zusammenzu­führen. Seine vielen Preise sind wohl auch als Dank dafür zu verstehen, dass es dem 53-Jährigen gelang, gemeinsam mit Greta Gerwig und „Barbie“die vom Hollywood-Streik ermüdete Kino-Landschaft wiederzube­leben. Und das mit einem dreistündi­gen, komplex verschacht­elten Film über Quantenphy­sik. (Gregor Tholl, Barbara Munker, Lisa Forster und Julia Kilian, dpa)

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Fotos: Shotwell/Chris Pizzello/Jordan Strauss. Invision/AP/dpa; Wurde laut bejubelt – ging aber ohne Oscar nach Hause: Sandra Hüller.
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Beste Hauptdarst­ellerin mit geplatztem Kleid: Emma Stone.
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Kam für seine Laudatio nackt auf die Bühne: John Cena.
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Bester Hauptdarst­eller: Cillian Murphy.
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Saß ebenfalls im Publikum: Hund Messi.

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