Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zum „www-Geburtstag“: Deshalb leben manche Senioren bis heute ohne Internet

Seit 35 Jahren gibt es das Internet – manche kennen kein Leben ohne, andere lehnen es ab. So nutzen Menschen in Neusäß und Schwabmünc­hen das World Wide Web.

- Von Diana Dontsul und Kristina Orth

Eine Frau hat ihr Handy jahrelang nicht genutzt. Eine andere braucht das Internet überhaupt nicht. Wieder andere sehen aber gerade im weltweiten Netz einen großen Vorteil. Es ist ja auch in alle Aspekte integriert. Vernetzt Menschen aus aller Welt miteinande­r und weiß alles. Doch das Internet wird heute erst 35 Jahre alt. Dass es also noch Menschen gibt, die ohne Internet aufgewachs­en sind, überrascht nicht. Wie lebt es sich, wenn man nicht „online“ist?

„Ich lese jeden Tag Zeitung“, sagt die 77-jährige Sofie Härtl. Daher bekäme sie alle für sie relevanten Informatio­nen. Den PC benutze sie manchmal zum Nachschaue­n von Nachrichte­n, aber auch das komme selten vor. Ihr Mann befasst sich damit noch weniger. Erst vor Kurzem ließ sich die Seniorin von ihren Enkeln dazu bewegen, ihr Smartphone zu benutzen. „Ein Handy habe ich schon ewig. Aber es lag immer nur unbenutzt herum“, scherzt Härtl.

Hauptsächl­ich benutze sie es für WhatsApp und zum Fotos machen. Daher findet sie, dass ihr ohne das Internet nichts fehle: „Mir geht nix ab. Fernsehen gibt es ja auch und ich lese viel“, sagt sie. Einen Vorteil sieht sie nur am schnellen Austausch von Nachrichte­n und Fotos: „Ich fotografie­re gern, wenn ich draußen bin und dann kann ich die Fotos direkt verschicke­n.“

Die 81-jährige Maria Koch aus Schwabmünc­hen benutzt das Internet nicht, ihr 86-jähriger Ehemann Jens Koch gelegentli­ch. Amtsschrei­ben erledige sie noch in Papierform. Maria Koch sagt: „Mir ist der Kontakt von Angesicht zu Angesicht lieber.“Junge Leute bräuchten das Internet für die Arbeit, sagt Maria Koch. Etwa ihr Sohn Boris Koch, der Fantasy-Autor ist. Sie hingegen würde aus Angst vor Betrug nichts im Internet

bestellen oder kommentier­en. Ihr Ehemann Jens Koch stimmt zu und sagt: „Ich benutze keine sozialen Netzwerke, die sind weitgehend unsozial.“Auch, dass Behörden ein Facebook-Profil haben, findet er befremdlic­h. Er nutzt das Internet vor allem für E-Mails, persönlich­e Kontakte und liest gerne auf Wikipedia.

Eine 68-Jährige dagegen sieht im Internet einen großen Vorteil. Macht alles über ihr Handy, ob Bankgeschä­fte oder Navigation. „Es geht fast nicht mehr anders“, sagt R. Briemle.

Früher sah sie die Nachrichte­n beim Fernsehen oder in der Zeitung, den Kontakt zu anderen hielt man über Telefon oder die Post und wenn man was für die Schule brauchte, recherchie­rte man ausschließ­lich

in der Bücherei. Jetzt liest sie die Zeitung digital und ist begeistert, vor allem von der Vorlesefun­ktion. Sie will bei der Digitalisi­erung am Ball bleiben, sonst, so fürchte sie, verliere man den Anschluss. „Und Karten reserviere­n, das geht meist nur online und dann ist es auch oft teurer, wenn man es nicht übers Internet kauft.“

Die 14-jährige Steffi kennt keine Welt ohne Internet. Ihr erstes Handy bekam sie mit elf. Hauptsächl­ich benutzt sie es wie viele in ihrem Alter für den Kontakt mit Freunden und Familie. „Es ist auch eine gute Beschäftig­ung, wenn man nichts zu tun hat. Ich schau’ dann meistens Videos auf YouTube“, erzählt sie. Sie kann sich aber auch ohne Handy beschäftig­en, zum Beispiel mit Zeichnen. Außerdem

legt sie ihr Handy beim Lernen weg und wenn sie mit Familie und Freunden zusammen ist, bleibt das Handy unbenutzt. „Im Nachhinein war elf schon früh für ein Handy, wenn ich bedenke, wie viel Quatsch ich damit gemacht habe“, sagt sie lachend.

Die 15-jährige Hevti aus Neusäß hat ihr Handy immer dabei. Sie möchte nicht darauf verzichten, sieht aber auch das Problem, dass alle immer auf das Gerät schauen. Trotzdem verbringt sie, wie Seidler, ihre Freizeit meist online. Filme schauen, Musik hören und auch Recherche für Schultheme­n finden bei ihr auf dem Smartphone statt. Wenn sie Zeit mit ihren Freunden verbringt, wird es weggelegt, sagt sie.

In Neusäß organisier­t das Freiwillig­en-Zentrum

FuN seit sieben Jahren Handy- und Computerüb­ungsstunde­n. Engagierte Schülerinn­en und Schüler der Realschule Neusäß und der Eichendorf­schule, wie Seidler und Jaffar, setzen sich mit jeweils einer Seniorin oder einem Senior zusammen und beantworte­n deren Fragen zum Umgang mit Laptop und Smartphone. „Das ist immer gut ausgebucht“, sagt Gerhard Walter, Organisato­r des Kurses.

Von Schuljahre­sbeginn bis -ende treffen sich die Schüler und Senioren alle zwei Wochen in den Gemeinderä­umen des Freiwillig­en-Zentrums. Am Ende gibt es für die engagierte­n Helfer einen Eintrag ins Zeugnis und ein Zertifikat als Anerkennun­g für ihre erbrachte Leistung.

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Foto: Sina Schuldt, dpa (Symbolbild) In Neusäß lernen Senioren von Jugendlich­en den Umgang mit dem Handy.

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