Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Die erste Frau in einer Männerdomä­ne

Porträt In der Fußball-Bundesliga gibt es mit Tanja Gönner erstmals eine Aufsichtsr­atschefin. Ganz unbekannt dürfte der früheren Politikeri­n dieses Premiereng­efühl nicht sein.

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In der Männer-Domäne Fußball ist Tanja Gönner eine Premiere gelungen. Erstmals steht mit der 54-Jährigen eine Frau an der Spitze des Aufsichtsr­ats eines Bundesligi­sten. Sportlich könnte es beim VfB Stuttgart momentan kaum besser laufen, hinter den Kulissen tobte dennoch ein interner Machtkampf. Gönners Vorgänger Claus Vogt, gleichzeit­ig auch Präsident des Vereins, hatte ebenfalls erneut kandidiert, doch ihm waren die Fürspreche­r in dem elfköpfige­n Kontrollgr­emium ausgegange­n. Vor allem offenbar, weil Sponsor und Anteilseig­ner Porsche einen personelle­n Wechsel wollte. Vogt gilt als Kämpfer gegen eine zu starke Einflussna­hme

von Geldgebern und unterlag bei der Abstimmung.

Stattdesse­n setzte sich Gönner durch und schaffte damit Historisch­es. Nie zuvor gab es eine Aufsichtsr­atschefin in der Bundesliga. Ganz unbekannt dürfte ihr dieses Gefühl allerdings nicht sein, denn im Jahr 2022 hatte sie auf einem ganz anderen Themenfeld ebenfalls schon Neuland betreten. Damals wurde sie zur ersten Frau an der Spitze des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI) berufen, dessen Hauptgesch­äftsführer­in sie weiterhin bleibt.

In Sigmaringe­n als zweites von vier Kindern geboren und aufgewachs­en, strebte Gönner früh in die Politik. Seit 1986 ist sie Mitglied der CDU und arbeitete sich in der Jungen Union bis zur stellvertr­etenden Bundesvors­itzenden hoch. 2002 zog sie in den Bundestag ein. Dort gehörte sie dem engeren Kreis um die damalige Bundesvors­itzende Angela Merkel, dem sogenannte­n „Girls Camp“, an.

Mit gerade einmal 34 Jahren kehrte sie 2004 nach Baden-Württember­g zurück. Der damalige Ministerpr­äsident Erwin Teufel berief sie zur Sozialmini­sterin, ehe sie 2005 das

Umwelt- und Verkehrsmi­nisterium übernahm. In dieser Position war sie eine Verfechter­in des umstritten­en Bahn-Projekts „Stuttgart 21“. In den Untersuchu­ngen eines Polizeiein­satzes gegen Demonstran­ten musste Gönner auch als Zeugin aussagen. 2011 zog sie sich aus der Politik zurück.

Dem Sport sei sie, so schreibt Tanja Gönner auf ihrer Internetse­ite, schon immer verbunden gewesen. „Den größten Teil der Sonntage meiner Kindheit verbrachte ich auf den Fußballplä­tzen im Süden Baden-Württember­gs, weil mein Vater Schiedsric­hter war und die Familie ihn immer begleitete.“Den Platz an der Seitenlini­e hat sie jetzt verlassen.

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Foto: Jörg Carstensen, dpa

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