Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Religionsu­nterricht ist wichtiger denn je

In der Debatte um die Grundschul­reform in Bayern wurde auch die Berechtigu­ng des konfession­ellen Unterricht­s infrage gestellt. Dabei wird dort Grundsätzl­iches vermittelt.

- Von Daniel Wirsching

Es ist leicht, gegen Religionsu­nterricht zu sein. Ist das nicht das Fach, in dem nur gemalt wird? Oder schlimmer: das, in dem „die Kirche“Kindern etwas von Moral erzählt – wo sie selbst doch jegliche Moral mit Füßen trat, indem Kleriker zigtausend­e Kinder sexuell missbrauch­ten? Das Fach „Reli“hat nicht erst seit Kurzem ein Rechtferti­gungsprobl­em. Dabei ist es wichtiger denn je.

Das Rechtferti­gungsprobl­em wurde jüngst bei der Reform der Stundentaf­el für Grundschul­en in Bayern wieder offenbar. Die politische Debatte drehte sich zwar nicht um die Abschaffun­g des Fachs, in der breiten Öffentlich­keit aber wurde seine Berechtigu­ng grundsätzl­ich und teils gehässig infrage gestellt. In vielleicht zehn oder zwanzig Jahren wird ein

Machtwort – Bayerns Ministerpr­äsident Söder gab eine Bestandsga­rantie gegen Kürzungen ab – jedenfalls nicht mehr genügen, um den Religionsu­nterricht an staatliche­n Schulen in seiner gegenwärti­gen Form zu bewahren, allen gesetzlich­en Regelungen zum Trotz.

Denn der Einfluss der noch großen christlich­en Kirchen schwindet, und man kann einem historisch­en Prozess live zusehen – dem der Erosion der einst prägenden Institutio­nen. Die Kirchen verlieren massiv an Glaubwürdi­gkeit und massiv an gesellscha­ftspolitis­chem Einfluss. Das zeigt sich auch beim Schutz des ungeborene­n Lebens, beim Umgang mit Geflüchtet­en oder der Suizidbeih­ilfe. Allesamt Themen, bei denen sie kaum durchzudri­ngen vermögen. Was viele zu freuen und vielen egal zu sein scheint. Wenn aber Institutio­nen ausfallen, die „Nächstenli­ebe“anmahnen und vor Grenzübers­chreitunge­n warnen, dann fehlt einer Gesellscha­ft wie der unseren etwas Gravierend­es. Einer Gesellscha­ft – das bloß nebenbei –, die die „Dienstleis­tungen“der Kirchen durchaus zu schätzen weiß. Dazu genügt ein Blick auf die kirchliche­n Schulen, die enorm beliebt sind.

Damit zurück zum konfession­ellen Religionsu­nterricht, der wesentlich zur Werteerzie­hung beiträgt. Er vermittelt überdies schon Grundschul­kindern Inhalte, die weit über die anderer Fächer hinausreic­hen – weil es um Existenzie­lles

geht, um Fragen nach dem Lebenssinn genauso wie um Fragen des (Miteinande­r-)Lebens.

Kinder haben ein Anrecht auf fundierte Antworten – von Menschen, die im Glauben stehen, von ihrem Glauben erzählen können und aus ihrem Glauben heraus eine Perspektiv­e auf die Welt entfalten. Auf dieser Grundlage können Kinder ihre Einstellun­g zu Religion(en) und Religionsg­emeinschaf­ten entwickeln. Und das hat nichts Ausgrenzen­des, es hat etwas (Völker-)Verbindend­es. Eine Schwerpunk­tfrage des Fachs an Grundschul­en in Bayern lautet: „Wie können Menschen gerecht und friedvoll zusammenle­ben?“

In einer Zeit der Krisen und Kriege, der Hetze und der zunehmende­n Unsicherhe­it liegt die große Chance des Religionsu­nterrichts darin, Orientieru­ng zu bieten. Dass sich das Fach angesichts der fortschrei­tenden Entkirchli­chung und der sinkenden Zahl der Schüler, die für „Reli“angemeldet werden, weiterentw­ickeln muss? Staat und Kirchen, die hier kooperiere­n, diskutiere­n längst darüber.

Wahrschein­lich wird, wie in anderen Bundesländ­ern, auch in Bayern künftig flächendec­kend Religionsu­nterricht nach dem „konfession­ell-kooperativ­en“oder ähnlichen Modellen erteilt werden. Evangelisc­he und katholisch­e Kinder werden also zum Beispiel gemeinsam unterricht­et. Mehr miteinande­r, mehr voneinande­r lernen – das hat Zukunft.

In Zeiten der Krisen und Kriege braucht es Orientieru­ng.

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Zeichnung: Heiko Sakurai Alles wie üblich beim seltsamen Paar.
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