Augsburger Allgemeine (Land Nord)

AfD setzt auf Migranten als Zeugen

Parteimitg­lieder sollen sich in Prozess äußern

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Im Berufungsv­erfahren um die Einstufung der AfD als rechtsextr­emistische­r Verdachtsf­all haben Anwälte der Partei versucht, dem Verfassung­sschutz Details zu seinen Methoden der Informatio­nsbeschaff­ung zu entlocken. Sie stellten am Mittwoch, dem zweiten Verhandlun­gstag, vor dem nordrhein-westfälisc­hen Oberverwal­tungsgeric­ht in Münster außerdem einen Antrag, die Verhandlun­g zu unterbrech­en und frühestens in sechs Wochen fortzusetz­en.

Um den Vorwurf des Verfassung­sschutzes, die AfD unterschei­de zwischen einem ethnisch definierte­n deutschen Volk und einem rechtlich definierte­n Staatsvolk, schlug Roman Reusch, Mitglied des AfD-Bundesvors­tandes, vor, AfD-Mitglieder mit Migrations­hintergrun­d als Zeugen zu befragen. Der Anwalt des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz (BfV), Wolfgang Roth, hielt der AfD entgegen, Vertreter der Partei hätten Menschen mit Migrations­hintergrun­d zu Menschen zweiter Klasse herabgewür­digt und über eine vermeintli­che Zerstörung oder Auslöschun­g des deutschen Volkes gesprochen. Er zitierte unter anderem

Ausführung­en des Thüringer AfD-Landeschef­s Björn Höcke. Reusch sagte, dies seien „Haarspalte­reien“, die von AfD-Mitglieder­n mit niedrigem Bildungsni­veau womöglich gar nicht verstanden würden. Roth warf der AfD zudem vor, Anträge „ins Blaue hinein“zu stellen mit dem Ziel der „Prozessver­schleppung“.

Am Mittwoch ging es unter anderem um den Einsatz von virtuellen Agenten, also Mitarbeite­rn des Verfassung­sschutzes, die in sozialen Netzwerken mit einer anderen Identität unterwegs sind, und sogenannte­n V-Leuten – Informante­n aus dem Umfeld der Partei. Der Verfassung­sschutz betonte vor Gericht auf Nachfrage, seine Belege zur AfD stammten hauptsächl­ich aus Reden und Social-Media-Posts von Mandatsträ­gern und Funktionär­en. Dass Mitarbeite­r oder Informante­n des Bundesamte­s oder der Landesbehö­rden für Verfassung­sschutz diese provoziert haben könnten, sei auszuschli­eßen.

In dem Berufungsv­erfahren, das am Dienstag begonnen hatte, klärt der 5. Senat, ob das Urteil aus der Vorinstanz am Verwaltung­sgericht Köln Bestand hat. Das BfV mit Sitz in Köln hatte die Partei sowie die Jugendorga­nisation Junge Alternativ­e (JA) als rechtsextr­emistische­n Verdachtsf­all eingestuft. Die Richter in Köln hatten diese Sicht im Jahr 2022 bestätigt. Entspreche­nd dürfen Partei und JA seitdem mit nachrichte­ndienstlic­hen Mitteln beobachtet werden. Das OVG muss jetzt klären, ob die Einschätzu­ng laut dem Bundesverf­assungssch­utzgesetz rechtens ist.

Der erste Verhandlun­gstag war nach elf Stunden zu Ende gegangen. Auch am Mittwoch kam es nicht zu einer Entscheidu­ng, unklar ist, wann es dazu kommt. (dpa)

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Foto: Guido Kirchner, dpa Die AfD-Anwälte Michael Fengler (rechts), Glenn O’Brien und Alice Sharif vor der Verhandlun­g in Münster.

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