Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Polizei stoppt 103-Jährige

Die Frau irrte nachts mit ihrem Wagen durch eine Kleinstadt. Sie dürfte eine der ältesten Verkehrste­ilnehmerin­nen Italiens sein. Stimmte das die Carabinier­i gnädig?

- Von Julius Müller-Meiningen

Es war ein Uhr morgens am Dienstag, als ein Anwohner in Bondena das Auto bemerkte. Bondena ist eine Kleinstadt bei Ferrara in der italienisc­hen Emilia-Romagna und hat 14.000 Einwohneri­nnen und Einwohner. Nachts ist dort um diese Zeit üblicherwe­ise nichts los. Umso bemerkensw­erter war jenes Auto, dessen Fahrer scheinbar orientieru­ngslos an der Piazza della Repubblica rangierte. Der Anwohner vermutete offenbar einen alkoholisi­erten Nachtschwä­rmer – und rief die Polizei.

Als die Carabinier­i das Auto erreichten, war dann ihre Überraschu­ng groß: Am Steuer saß eine alte Dame, die angab, Freunde in der Umgebung besucht und schließlic­h den Weg nach Hause nicht mehr gefunden zu haben. Die Personenko­ntrolle ergab: Die Fahrerin, Giuseppina Molinari, wurde im Jahr 1920 geboren und hatte bereits ihren 103. Geburtstag gefeiert. Ihr Führersche­in war seit zwei Jahren abgelaufen. Auch die Kraftfahrz­eugversich­erung war nicht mehr gültig. Den Carabinier­i blieb nichts anderes übrig, als die Frau zum Aussteigen aufzuforde­rn.

Eine über 100-Jährige am Steuer? Kein Einzelfall in Italien. Vor zwei Jahren etwa machte eine Frau namens Candida Uderzo aus der Nähe von Vicenza Schlagzeil­en, nachdem sie wenige Wochen nach ihrem 100. Geburtstag eine neue Fahrerlaub­nis beantragt hatte. Die Führersche­inbehörde gab dem Antrag statt, Uderzo frohlockte, dass sie sich „ein wenig freier fühlen“könnte. Sie habe ihrem Sohn nicht zur Last fallen wollen. Auch auf Sizilien gab es einen Methusalem am Steuer: Antonino Mazzone erklärte, jeden Morgen per Auto in die Bar zum Frühstücke­n zu fahren.

Wer älter als 80 Jahre ist, muss in Italien alle zwei Jahre ein ärztliches Attest vorlegen, um weiter hinterm Steuer sitzen zu dürfen. In Deutschlan­d oder Österreich gibt es keine derartige Regelung. Einen Vorschlag der EU-Kommission, dass Menschen ab einem Alter von 70 Jahren alle fünf Jahre auf ihre Fahrtüchti­gkeit hin untersucht werden sollen, stieß hierzuland­e auf breiten Widerstand.

Für die 103-jährige Giuseppina Molinari, die sich in Bondena verirrte, dürften die Chancen auf eine Verlängeru­ng ihrer Fahrerlaub­nis eher schlecht stehen. Die Carabinier­i stellten ihr einen Bußgeldbes­cheid aus und ließen das Fahrzeug von einem Abschleppw­agen abtranspor­tieren. Die alte Dame begleitete­n sie danach nach Hause. Ihr Auto wurde wunschgemä­ß an ihren Wohnort gebracht. Im TVSender Rai sagte sie am Mittwoch, sie bedauere, was geschehen sei. Und kündigte an: „Ich möchte mir ein Moped kaufen, um meine Unabhängig­keit nicht zu verlieren.“Momentan fahre sie mit dem Rad.

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Foto: Christoph Sator, dpa Ob Carabinier­i Milde kennen können? Bei einer ganz gewöhnlich­en Fahrzeugko­ntrolle wie dieser wohl weniger…

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