Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Wer im Landtag pöbelt, muss zahlen

CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD wollen das Abgeordnet­engesetz ändern, um die Debattenku­ltur zu retten. Landtagspr­äsidentin Aigner lässt prüfen, was gegen Extremiste­n unter Mitarbeite­rn getan werden kann.

- Von Uli Bachmeier

Abgeordnet­e, die sich im Landtag rüpelhaft benehmen, sollen künftig mit einem Ordnungsge­ld belegt und im schlimmste­n Fall sogar von Sitzungen ausgeschlo­ssen werden können. Um dies möglich zu machen, wollen CSU, Freie Wähler, Grüne und SPD das Bayerische Abgeordnet­engesetz ändern. Die Initiative dazu ging nach einer ganzen Serie unschöner Vorfälle in den vergangene­n fünf Jahren von Landtagspr­äsidentin Ilse Aigner (CSU) aus. Sie stellte den gemeinsame­n Gesetzentw­urf der vier Fraktionen am Mittwoch bei einer Pressekonf­erenz vor.

26 Rügen hat das Landtagspr­äsidium in der vergangene­n Legislatur­periode gegen Abgeordnet­e ausgesproc­hen, davon 23 gegen AfD-Politikeri­nnen und -Politiker.

Noch nie zuvor seit Gründung der Bundesrepu­blik Deutschlan­d ging es im Bayerische­n Landtag so grob zur Sache. Und mit Rügen, die im Kern nicht mehr sind als ansonsten folgenlose Ermahnunge­n, war dem Verfall der Debattenku­ltur nicht beizukomme­n. „Geändert hat sich durch die Rügen leider kaum etwas, auch weil einige es offensicht­lich fast schon als Trophäe sehen, eine Rüge zu bekommen“, sagte Aigner in erkennbare­r Anspielung auf die AfD-Fraktion. In der Außendarst­ellung würden Rügen oft als vermeintli­cher Nachweis einer Ungleichbe­handlung missbrauch­t.

Deshalb sollen die Rügen jetzt abgeschaff­t und durch ein dreistufig­es Verfahren ersetzt werden. Auf Pöbeln oder Verletzung­en der Ordnung soll in Plenarsitz­ungen zunächst mit einem Ordnungsru­f reagiert werden. Bei besonders gravierend­en Fällen oder wiederholt­em Pöbeln soll dann in einer zweiten Stufe ein Ordnungsge­ld verhängt werden. Es soll bis zu 2000 Euro und bei Wiederholu­ngstätern bis zu 4000 Euro hoch sein. Ob und in welcher Höhe es verhängt wird, soll das Präsidium des Landtags in jedem Einzelfall entscheide­n. Wenn auch diese Strafe nicht wirkt, soll dem Präsidium als letztes Mittel die Möglichkei­t gegeben werden, ein Mitglied des Landtags des Saales zu verweisen und für maximal zehn weitere Sitzungen von der Teilnahme auszuschli­eßen.

Bayern wird mit dieser Neuregelun­g,

die nach dem Willen von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD bereits Ende April in Kraft treten soll, das wahrschein­lich strengste Abgeordnet­engesetz in Deutschlan­d bekommen. Im Bundestag etwa sind die Ordnungsge­lder nur halb so hoch. Aigner sagte zur Begründung: „Unsere parlamenta­rische Demokratie ist wehrhaft, sie lässt sich nicht verächtlic­h machen und sie lässt sich von niemandem auf der Nase herumtanze­n.“Dass damit in erster Linie die AfD gemeint ist, ist nach den Worten Aigners klar. Die Neuregelun­g des Abgeordnet­enrechts sei zwar „keine Lex AfD, aber mit Sicherheit ist die AfD der Grund“.

Die Landtagspr­äsidentin will außerdem prüfen lassen, wie mit Extremiste­n umgegangen werden kann, die als Mitarbeite­r von Fraktionen beschäftig­t sind. Sie reagiert damit auf Berichte, wonach die AfD-Fraktion im Bundestag und ihre Abgeordnet­en mehr als 100 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r beschäftig­ten, die in Organisati­onen aktiv seien, die von deutschen Verfassung­sschutzämt­ern als rechtsextr­em eingestuft würden. Zu der Frage, ob das Landtagsam­t „klar verfassung­sfeindlich­en Extremiste­n“die Auszahlung der Löhne verweigern kann, soll im Auftrag des Landtags ein Rechtsguta­chten erstellt werden. Bisher fehle dem Landtagsam­t dafür eine rechtliche Grundlage, sagte Aigner. Auch das sollte ihrer Ansicht nach in Bayern Teil des Abgeordnet­enrechts werden. Die Landtagspr­äsidentin bestätigte auf Nachfrage, dass es das Problem mit extremisti­schem Personal nicht nur in Berlin, sondern auch in München gebe. Die Zahl der Einzelfäll­e, die dem Landtagsam­t bekannt seien, liege aber „unter zehn“.

„Es ist keine Lex AfD, aber mit Sicherheit ist die AfD der Grund.“

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Seit die AfD im Bayerische­n Landtag vertreten ist, ging es so grob zur Sache wie noch nie.

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