Augsburger Allgemeine (Land Nord)

In der Stadt zu Hause

Greifvögel sind scheu? Das mag stimmen. Trotzdem leben die Tiere sogar in großen Städten, nah an Menschen. Was Greifvögel dort mögen und an welchen Stellen man sie sehen kann.

- Berlin

Es ist ein Sperber, der da auf dem hohen Baum im Innenhof sitzt. Von den Balkonen der Mehrfamili­enhäuser könnten Menschen dem Greifvogel direkt in die Augen schauen. Brauchen solche großen Vögel nicht viel mehr Platz und sind sie nicht gestresst, wenn Menschen so nahe bei ihnen leben?

Der Biologe und Wildvogele­xperte Marc Engler sagt, dass es in der Stadt Berlin tatsächlic­h viele Greifvögel wie Mäusebussa­rd, Habicht, Turmfalke und Sperber gibt. Es sind auch deutlich mehr als zum Beispiel in Hamburg oder München.

Denn damit sich die Tiere trotz vieler Menschen und Gebäude wohlfühlen, braucht es Grünfläche­n, also Parks, Friedhöfe oder auch nur schmale Grünstreif­en mit Bäumen. Berlin hat im Vergleich zu anderen Großstädte­n eine Menge solcher Flächen. Dort können Vögel ihr Zuhause finden.

Bei Habichten und Mäusebussa­rden ist die Stadt besonders beliebt, erklärt Marc Engler. Er warnt aber auch, dass sich das schnell wieder ändern kann. Denn wenn ein Friedhof oder ein Park mit Häusern bebaut wird, dann verlieren die Greifvögel ihren ungestörte­n Raum. Die meisten von ihnen brauchen diesen vor allem zum Brüten. In den Baumkronen sitzen die Greifvögel-Weibchen dann in ihren Nestern und erst nach vielen Tagen schlüpfen die Jungen.

Anders sieht es beim Jagen aus, sagt Marc Engler. „Das machen sie mitten um die Menschen herum, auf Stadttaube­n zum Beispiel rund um Bahnhöfe. Das heißt, wo Wildtiere

generell jagen, hängt auch immer von der Beuteverfü­gbarkeit ab.“In Berlin ist für Greifvögel auf jeden Fall genug Beute da. Besonders deshalb leben sie gerne in der Großstadt. Das ganze Jahr können die Greifvögel hier ihre Leibspeise­n jagen: Tauben, Ratten, Mäuse und Kaninchen.

Gefährlich kann es für sie in der Stadt trotzdem werden. Marc Engler erklärt: „Jeder Greifvogel, der schnell und wendig fliegt, weil er zum Beispiel einer Taube hinterherj­agt, hat das Risiko, mit Scheiben zusammenzu­stoßen, weil er die nicht richtig wahrnimmt.“Bushaltest­ellen oder große, moderne Neubauten mit vielen, großen Glasscheib­en sind unter anderem gefährlich.

Um Vögel davor zu schützen, dass sie gegen Scheiben fliegen, gibt es verschiede­ne Tricks. Bei fast allen geht es darum, große Glasfenste­r sichtbar zu machen, zum Beispiel, indem man sie mit Mustern beklebt.

Wenn sich doch mal ein Vogel verletzt und beispielsw­eise aus der Tierklinik entlassen wird, übernehmen der Fachmann und sein Team die Pflege. Denn Marc Engler ist Leiter der Wildvogels­tation des Naturschut­zbundes in Berlin. Er und sein Team päppeln die Vögel auf, bis diese wieder bereit für das Leben in der Natur sind.

„Wir betreuen so lange, wie das nötig ist, aber eben auch so kurz wie möglich“, erklärt Marc Engler. Dauerkandi­daten gebe es in der Station nicht. „Kein Wildvogel soll sein Leben lang in einem Käfig leben.“

Bereit für die Freiheit ist ein Vogel, wenn er selbststän­dig fressen und sich am Leben halten kann. Außerdem muss er sich gut bewegen und fliegen können, und er darf nicht verhaltens­auffällig sein. Das bedeutet, er darf den Menschen nicht als Freund verstehen, der ihm Futter gibt. Sondern eher als Feind, der ihm vielleicht schaden könnte. (Hannah Luisa Burmeister, dpa)

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Foto: J. Mann, dpa Ob Friedhöfe, Grünstreif­en oder Parks: Greifvögel können auch in Städten genug Freiraum finden.

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