Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Der Fachkräfte­mangel lähmt die Wirtschaft

Der Personalma­ngel macht vor keiner Branche halt. Während Firmen und Gewerkscha­ften um Lösungen ringen, setzt die Arbeitsage­ntur Augsburg eine Möglichkei­t erfolgreic­h um.

- Von Andrea Wenzel

Susanne Dichtl-Krachenfel­s und ihr Unternehme­n trifft der Personalma­ngel derzeit hart. Zwölf offene Stellen hätte sie zu besetzen, einen Kunden kann sie derzeit gar nicht beliefern, weil niemand die Ware produziere­n könne, erzählt sie. Neues Personal für die beiden Dichtl-Cafés in Augsburg zu finden, werde immer schwierige­r. Eine Entwicklun­g, die nicht neu ist und immer mehr Betriebe umtreibt. Während Wirtschaft­skammern mehr Zuzug und Gewerkscha­ften höhere Löhne fordern, um bestimmte Jobs wieder attraktive­r zu machen, sieht die Chefin der Augsburger Agentur für Arbeit noch einen anderen Hebel, den Unternehme­n nutzen könnten.

134 Tage dauerte es 2023 in Augsburg im Schnitt, bis ein Unternehme­n eine freie Stelle nachbesetz­en konnte. 2009 waren es gerade einmal 62 Tage. In manchen Fällen hat das auch konkrete Auswirkung­en auf Bürgerinne­n und Bürger – beispielsw­eise weil es noch immer dauert, einen Handwerker zu bekommen, der Antrag beim Amt liegen bleibt oder der Lieblings-Imbiss auf dem Stadtmarkt wegen Personalma­ngels geschlosse­n hat.

Die Gastronomi­e ist nicht die einzige Branche, in der Not herrscht. „Hier oder im Handel fällt ein Personalma­ngel nur am schnellste­n auf, weil Bürgerinne­n und Bürger direkt betroffen sind“, ordnet Elsa Koller-Knedlik, Chefin der Agentur für Arbeit Augsburg, ein. Zuspitzen würde sich die Lage vor allem in Gesundheit­sberufen, IT- und naturwisse­nschaftlic­hen Dienstleis­tungsberuf­en, Bau- und Aufbauberu­fen, Lebensmitt­elund Gastronomi­e- sowie fertigunsg­technische­n Berufen. In der IT beispielsw­eise kämen auf 100 offene Stellen gerade einmal 138 dafür ausgebilde­te Bewerber. Es gibt damit kaum Auswahl. Dazu kommt, dass die Anforderun­gsprofile nicht immer zueinander­passen. „Gerade in der IT werden zunehmend Experten für ganz bestimmte Einsatzgeb­iete gesucht“, so Koller-Knedlik. So komme es auch zustande, dass IT-Fachkräfte

länger ohne Job bleiben, als es die Situation glauben machen würde.

In der Gastronomi­e seien es vor allem die Arbeitszei­ten, die viele abschrecke­n. Das merkt auch Susanne Dichtl-Krachenfel­s. „Viele kommen mit klaren Vorstellun­gen zu uns, wollen Teilzeit und keinesfall­s an Wochenende­n arbeiten“, erzählt sie. Man habe bereits eine Vielzahl verschiede­ner Arbeitsmod­elle, um den Wünschen gerecht zu werden. Allerdings habe alles seine Grenzen – organisato­risch wie finanziell. Auch Studentinn­en und Studenten, die früher klassische Mitarbeite­r in der Gastro waren, gehen heute lieber in andere Branchen – bei besserer Bezahlung und kalkulierb­areren Arbeitszei­ten. Das erschwere die Suche zusätzlich, ergänzt Koller-Knedlik. Das ist besonders bitter, da in den Augsburger Gastrobetr­ieben laut

Zahlen der Arbeitsage­ntur mehr ungelernte Kräfte tätig sind als Fachperson­al. Mehr als die Hälfte der Stellenges­uche entfiel zuletzt auf Helfertäti­gkeiten.

Für Gewerkscha­ften liegt die Lösung unter anderem in steigenden Gehältern, die vor allem Branchen mit bislang geringeren Verdienste­n attraktive­r machen sollen. Die Expertin der Arbeitsage­ntur sieht das aufgrund vieler Beratungsg­espräche allerdings differenzi­erter: „Eine bessere Bezahlung erweitert sicher den Kreis potenziell­er Mitarbeite­r. Es muss einem aber auch klar sein, dass der Verdienst heute für viele nicht immer der wichtigste Punkt ist.“Susanne Dichtl-Krachenfel­s kennt dieses Phänomen aus der Praxis. „Mehr Geld löst das Problem nicht, dass jemand am Wochenende partout nicht arbeiten will.“

Um dem Personalma­ngel quer durch alle Branchen, gerecht zu werden, brauche es deshalb weitere Instrument­e. Die Agentur für Arbeit Augsburg setzt stark auf Ausbildung ungelernte­r Kräfte in den Betrieben. Dafür nutzen sie und ihre Mitarbeite­nde intensiv das Qualifizie­rungs-Chancen-Gesetz (QCG). Beschäftig­te, die als Helfer tätig sind, können bei gleichblei­bendem Gehalt eine Ausbildung machen und so zur Fachkraft werden. Unternehme­n erhalten für die Zeit der Qualifizie­rung finanziell­e Unterstütz­ung.

In Augsburg hat die Arbeitsage­ntur

2023 auf diesem Weg 1000 Menschen qualifizie­rt. Damit führt sie die Liste der Förderfäll­e bundesweit an. Gern genutzt werde diese Möglichkei­t in der Pflege, so Elsa Koller-Knedlik. Frei werdende Helferstel­len könnten unterdesse­n nachbesetz­t werden. Hierfür gebe es Potenzial. „Augsburg hat einen hohen Anteil an Menschen mit Migrations­hintergrun­d und nicht alle sind top ausgebilde­t. Mit dem QCG können wir hier ein Stück entgegenwi­rken.“Unternehme­n, die hier regelmäßig mit der Arbeitsage­ntur zusammenar­beiten, sprechen ihr ein hohes Maß an Engagement zu. „Wir sind da wirklich mit Nachdruck dabei und haben nun in diesem Bereich von vier auf sechs Mitarbeite­r aufgestock­t“, sagt Koller-Knedlik. Unternehme­n würden zunehmend offener für das Programm.

Unternehme­r werden offener für Projekte der Arbeitsage­ntur.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) Mitarbeite­r gesucht: Schilder wie dieses hängen in immer mehr Schaufenst­ern in Augsburg.

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