Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Der Fachkräftemangel lähmt die Wirtschaft
Der Personalmangel macht vor keiner Branche halt. Während Firmen und Gewerkschaften um Lösungen ringen, setzt die Arbeitsagentur Augsburg eine Möglichkeit erfolgreich um.
Susanne Dichtl-Krachenfels und ihr Unternehmen trifft der Personalmangel derzeit hart. Zwölf offene Stellen hätte sie zu besetzen, einen Kunden kann sie derzeit gar nicht beliefern, weil niemand die Ware produzieren könne, erzählt sie. Neues Personal für die beiden Dichtl-Cafés in Augsburg zu finden, werde immer schwieriger. Eine Entwicklung, die nicht neu ist und immer mehr Betriebe umtreibt. Während Wirtschaftskammern mehr Zuzug und Gewerkschaften höhere Löhne fordern, um bestimmte Jobs wieder attraktiver zu machen, sieht die Chefin der Augsburger Agentur für Arbeit noch einen anderen Hebel, den Unternehmen nutzen könnten.
134 Tage dauerte es 2023 in Augsburg im Schnitt, bis ein Unternehmen eine freie Stelle nachbesetzen konnte. 2009 waren es gerade einmal 62 Tage. In manchen Fällen hat das auch konkrete Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger – beispielsweise weil es noch immer dauert, einen Handwerker zu bekommen, der Antrag beim Amt liegen bleibt oder der Lieblings-Imbiss auf dem Stadtmarkt wegen Personalmangels geschlossen hat.
Die Gastronomie ist nicht die einzige Branche, in der Not herrscht. „Hier oder im Handel fällt ein Personalmangel nur am schnellsten auf, weil Bürgerinnen und Bürger direkt betroffen sind“, ordnet Elsa Koller-Knedlik, Chefin der Agentur für Arbeit Augsburg, ein. Zuspitzen würde sich die Lage vor allem in Gesundheitsberufen, IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen, Bau- und Aufbauberufen, Lebensmittelund Gastronomie- sowie fertigunsgtechnischen Berufen. In der IT beispielsweise kämen auf 100 offene Stellen gerade einmal 138 dafür ausgebildete Bewerber. Es gibt damit kaum Auswahl. Dazu kommt, dass die Anforderungsprofile nicht immer zueinanderpassen. „Gerade in der IT werden zunehmend Experten für ganz bestimmte Einsatzgebiete gesucht“, so Koller-Knedlik. So komme es auch zustande, dass IT-Fachkräfte
länger ohne Job bleiben, als es die Situation glauben machen würde.
In der Gastronomie seien es vor allem die Arbeitszeiten, die viele abschrecken. Das merkt auch Susanne Dichtl-Krachenfels. „Viele kommen mit klaren Vorstellungen zu uns, wollen Teilzeit und keinesfalls an Wochenenden arbeiten“, erzählt sie. Man habe bereits eine Vielzahl verschiedener Arbeitsmodelle, um den Wünschen gerecht zu werden. Allerdings habe alles seine Grenzen – organisatorisch wie finanziell. Auch Studentinnen und Studenten, die früher klassische Mitarbeiter in der Gastro waren, gehen heute lieber in andere Branchen – bei besserer Bezahlung und kalkulierbareren Arbeitszeiten. Das erschwere die Suche zusätzlich, ergänzt Koller-Knedlik. Das ist besonders bitter, da in den Augsburger Gastrobetrieben laut
Zahlen der Arbeitsagentur mehr ungelernte Kräfte tätig sind als Fachpersonal. Mehr als die Hälfte der Stellengesuche entfiel zuletzt auf Helfertätigkeiten.
Für Gewerkschaften liegt die Lösung unter anderem in steigenden Gehältern, die vor allem Branchen mit bislang geringeren Verdiensten attraktiver machen sollen. Die Expertin der Arbeitsagentur sieht das aufgrund vieler Beratungsgespräche allerdings differenzierter: „Eine bessere Bezahlung erweitert sicher den Kreis potenzieller Mitarbeiter. Es muss einem aber auch klar sein, dass der Verdienst heute für viele nicht immer der wichtigste Punkt ist.“Susanne Dichtl-Krachenfels kennt dieses Phänomen aus der Praxis. „Mehr Geld löst das Problem nicht, dass jemand am Wochenende partout nicht arbeiten will.“
Um dem Personalmangel quer durch alle Branchen, gerecht zu werden, brauche es deshalb weitere Instrumente. Die Agentur für Arbeit Augsburg setzt stark auf Ausbildung ungelernter Kräfte in den Betrieben. Dafür nutzen sie und ihre Mitarbeitende intensiv das Qualifizierungs-Chancen-Gesetz (QCG). Beschäftigte, die als Helfer tätig sind, können bei gleichbleibendem Gehalt eine Ausbildung machen und so zur Fachkraft werden. Unternehmen erhalten für die Zeit der Qualifizierung finanzielle Unterstützung.
In Augsburg hat die Arbeitsagentur
2023 auf diesem Weg 1000 Menschen qualifiziert. Damit führt sie die Liste der Förderfälle bundesweit an. Gern genutzt werde diese Möglichkeit in der Pflege, so Elsa Koller-Knedlik. Frei werdende Helferstellen könnten unterdessen nachbesetzt werden. Hierfür gebe es Potenzial. „Augsburg hat einen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und nicht alle sind top ausgebildet. Mit dem QCG können wir hier ein Stück entgegenwirken.“Unternehmen, die hier regelmäßig mit der Arbeitsagentur zusammenarbeiten, sprechen ihr ein hohes Maß an Engagement zu. „Wir sind da wirklich mit Nachdruck dabei und haben nun in diesem Bereich von vier auf sechs Mitarbeiter aufgestockt“, sagt Koller-Knedlik. Unternehmen würden zunehmend offener für das Programm.
Unternehmer werden offener für Projekte der Arbeitsagentur.