Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Mehr Studierende haben finanzielle Nöte
Die Mieten sind hoch, die Alltagskosten steigen. Immer mehr Studenten in Augsburg haben zu wenig Geld – und flüchten sich deshalb auch in einen tückischen Kredit.
Etwa 50.000 Euro Schulden wird Tobias Thiele haben, wenn er sein Studium in Augsburg voraussichtlich 2026 beendet haben wird. Diese Summe sammelt sich über den KfW-Studienkredit an, den er aufgenommen hat, um seine Ausbildung an der Uni zum Ingenieurinformatiker zu finanzieren. Denn mit Arbeiten alleine gelingt das nicht, BAföG bekommt er keines. Thiele ist nicht der einzige Student in Augsburg, der in diesem Dilemma steckt. Immer mehr von ihnen geraten in finanzielle Nöte.
Für Tino Steudel, Sozialberater beim Studierendenwerk, ist die Situation unbefriedigend – vor allem die Lösung über den staatlichen KfW-Kredit, hinter dem variable Zinsen stehen, die zuletzt deutlich angestiegen sind. Er sagt auch: Rund ein Drittel der Studentinnen und Studenten in Augsburg seien offiziellen Definitionen nach arm und müssten mit weniger als 800 Euro im Monat auskommen. Bei gestiegenen Miet- und Lebenshaltungskosten werde es für immer mehr Studierende schwierig, sich finanziell über Wasser zu halten.
Rund 900 Euro stehen Tobias Thiele im Monat zur Verfügung, um seine Wohnung, Lebensmittel, Strom, Internet und was eben sonst noch so anfällt, zu bezahlen. Er hat auch ein Auto, das ihn weiter zum Tanztraining außerhalb Augsburgs bringt, das er seit vielen Jahren betreibt. „Mit dem Geld komme ich meist gerade so hin“, erzählt er. Dabei hat Thiele das Glück, in einer günstigen Wohnung zu leben. 390 Euro warm bezahlt er für 32 Quadratmeter in Haunstetten.
Bafög bekommt Thiele nicht. „Mein erster Antrag wurde abgelehnt. Nach mehreren Semestern habe ich einen zweiten gestellt, der bislang nicht bearbeitet wurde. Aber so langsam bin ich es auch leid, darauf zu hoffen“, sagt der 24-Jährige. Dass er neben dem Studium arbeiten müsse, sei für ihn klar gewesen. Dazu habe er schon zu Beginn einen Studienkredit bei der KfW aufgenommen, weil er seine Eltern nicht über Gebühr belasten wollte. Thiele hatte eine monatliche Auszahlungsrate von 600 Euro beantragt. Im KfW-Modell für Studenten werden die Zinsen direkt monatlich abgezogen – und zwar vom gesamten bereits angefallenen Auszahlungsbetrag. Da der flexible Zinssatz zuletzt von 4,09 auf 8,49 Prozent gestiegen ist, erhält Thiele eigenen Angaben zufolge nur noch 350 Euro pro Monat aufs Konto. Tendenz sinkend.
Vor einigen Monaten, sagt Thiele, sei er so weit gewesen zu überlegen, ob er das Studium aus finanziellen Gründen nicht besser abbrechen solle. Doch sowohl aus Sicht des nahenden Abschlusses, als auch mit Blick auf die dann anstehende Rückzahlung der bisher aufgelaufenen Schulden, habe er sich dagegen entschieden. „Von welchem Geld hätte ich die Raten denn zahlen sollen?“Er arbeite künftig nun mehr, 65 Stunden im Monat, um die Lücke wieder zu schließen. Um möglichst viel zu verdienen, hatte er schon zuletzt die Arbeitsstelle regelmäßig gewechselt – je nachdem, wo der Stundenlohn gerade höher war.
Mit seinem zur Verfügung stehenden Einkommen sei Tobias Thiele vergleichsweise noch gut dran, sagt Tino Steudel, Sozialberater am Studierendenwerk. Es betreut an Uni und Hochschule insgesamt etwa 27.000 Studentinnen und Studenten. Viele, sagt Steudel, hätten deutlich weniger pro Monat zur Verfügung. Das größte Problem seien die Mieten. „Es ist schwer, eine bezahlbare Wohnung zu finden.“Für die besonders günstigen, öffentlich geförderten Wohnanlagen des Studierendenwerks
stünden daher zu Beginn des Wintersemesters bis zu 1000 junge Menschen auf der Warteliste.“Auf dem freien Wohnungsmarkt müsse man mit bis zu 1000 Euro Miete für eine eigene Wohnung und mit bis zu 700 Euro für ein WG-Zimmer rechnen. „Wir haben es schon erlebt, dass Studenten vorübergehend gezeltet oder in der Jugendherberge oder sogar im Hotel gewohnt haben“, ergänzt Sozialberater Steudel.
Selbst wer BAföG und die dort vorgesehene Summe von 360 Euro für die Unterkunft erhalte, könne mit dem Geld nicht klarkommen, sagt Steudel. Mittlerweile spüre man den finanziellen Engpass bei Studierenden auch an der Frequenz in der Uni-Mensa. „Die Besuche werden seltener, es wird eigenes Essen mitgebracht und nur ein Getränk gekauft. Essen ist das Erste, woran gespart wird und noch gespart werden kann“, so Steudel. Bei Tobias Thiele könne man anmerken, er solle auf das Auto verzichten. „Der Sport bedeutet aber wichtige Sozialkontakte,
die auch immer mehr Studierende aus Kostengründen zurückfahren“, so Steudel.
Was ein KfW-Kredit bedeutet, bedenken nach Steudels Erfahrung viele junge Menschen kaum. Der Druck, das Studium abzuschließen, sei oft höher. „Es laufen oft hohe Summen auf, die von einem Einstiegsgehalt in den Job nicht sofort in großen Raten abbezahlt werden können.“Steudel appelliert daher, vor Abschluss eine Beratung beim Studierendenwerk zu besuchen, um Alternativen zu finden. Auch einen BAföG-Antrag sollte man im Zweifel stellen – der langen Bearbeitungszeiten wegen am besten sofort nach erfolgreicher Immatrikulation.
Tobias Thiele schaut unterdessen seinem Studien-Ende entgegen. Dass er einen Berg Schulden anhäufen werde, sei im bewusst gewesen. Allerdings habe er keine Alternativen gesehen. Er hofft, als Informatiker schnell eine gut bezahlte Stelle zu bekommen, um den Schuldenberg rasch abtragen zu können. Rückblickend sagt er: „Würde ich heute nochmal vor der Entscheidung stehen zu studieren und wüsste um den Stress und die finanzielle Belastung, würde ich mich vielleicht für eine Ausbildung entscheiden.“
Auch beim BAföG reicht das Geld für die Unterkunft nicht.