Augsburger Allgemeine (Land Nord)
Klimakleber mit Bobbycars
Am Samstag starten die Klimaaktivisten der Letzten Generation ihren „Widerstandsfrühling“. Auf die Straße kleben will sich die Gruppe jedoch nicht mehr.
Sie blockieren wieder. Die Klimaaktivisten der Letzten Generation planen am Samstag deutschlandweit zehn sogenannte „ungehorsame Versammlungen“– eine davon in München, eine in Regensburg. Ziel der Gruppe, die in der Vergangenheit vor allem dadurch auffiel, dass sich einzelne Aktivistinnen und Aktivisten auf Straßen festklebten, ist eine breitere Anschlussfähigkeit in der Bevölkerung. Dabei schreckt sie weiterhin nicht vor Auseinandersetzungen mit der Polizei zurück, wie die Bayern-Sprecherin der Letzten Generation unserer Redaktion gegenüber bestätigt.
„Wir werden konfrontieren“, sagt Svenja Schraut von der Letzten Generation Bayern. Nachdem rund um den Bundestagswahlkampf 2021 mehrere Mitglieder der Gruppe in den Hungerstreik getreten waren, etablierten sich im Folgejahr die Klebe-Aktionen als vorrangige Protestform der Letzten Generation.
Schon damals gerieten die Demonstranten häufig mit der Polizei aneinander. Auch aus der Zivilbevölkerung kam es zu gewaltsamen Übergriffen. Nun wolle die Gruppe ihren Protest breiter aufstellen, sagt Schraut: „Wir haben gemerkt, dass unsere Klebe-Aktionen funktioniert haben. Jetzt sind wir genug, um in einer kritischen Masse laut zu sein.“Dafür soll es bei den ungehorsamen Versammlungen verschiedene Möglichkeiten der Demonstration geben.
Am Samstag um 11 Uhr werden sich Radfahrerinnen und Radfahrer am Münchner Odeonsplatz versammeln, berichtet Schraut. Um 12 Uhr werden dann am Gärtnerplatz Fußgängerinnen und Fußgänger
zu einer unangemeldeten Demonstration dazustoßen. Wer dabei auf Nummer sicher gehen will, bleibt auf den Gehwegen. Alle anderen gehen laut der Gruppe auf die Straße, um den fließenden Verkehr zu stören.
Im Vorfeld hatte es bereits Andeutungen gegeben, einige der Demonstranten würden mit Bobbycars aufkreuzen. „Das kann ich weder bestätigen noch dementieren. Ich werde nicht auf dem Bobbycar kommen, aber die konkrete Form des Protestes bleibt allen Teilnehmenden
selbst überlassen“, sagt Schraut. Nähere Angaben wollte sie nicht machen. Nur so viel: „Festkleben wird sich niemand.“
In letzter Zeit war es ruhiger geworden um die Letzte Generation. Die Zustimmungswerte für eine engagiertere Klimapolitik sind in der Bevölkerung zurückgegangen. Einige Beobachter führten das auch auf den Protest der Aktivistinnen und Aktivisten zurück.
Protestforscherin Johanna Wahl ist von dieser Einordnung nur teilweise überzeugt: „Einerseits gab es Menschen, die genervt waren, andererseits kam das Klima-Thema durch die Letzte Generation aber immer wieder auf die politische Tagesordnung.“Wahl promoviert an der TU Berlin zur Letzten Generation. Ein großes Problem sei gewesen, dass häufiger die Protestform als die Themen im Fokus gestanden hätte.
Erklärtes Ziel der Gruppe ist es jetzt, durch die neue Form der Proteste für andere Bevölkerungsgruppen, unter anderem auch für Familien, anschlussfähig zu werden. „Ich halte es für fraglich, dass das funktioniert. Durch die Selbststilisierung und bestimmte Bilder im digitalen Raum könnte ein Imagewechsel schwierig werden“, sagt Wahl. „Ich könnte mir vorstellen, dass die Chance auf eine Massenmobilisierung
durch Zusammenarbeiten größer wird, so wie es Fridays for Future mit Verdi probiert.“Neben der Protestform hat sich auch die Zielsetzung der Letzten Generation verändert. Während die Gruppe bislang konkrete Forderungen wie ein Tempolimit auf Autobahnen und die Wiedereinführung des 9-Euro-Tickets formulierte, halten sich die Aktivistinnen und Aktivisten seit Neuestem vager – und richten sich vor allem an den Bundespräsidenten.
„Mit dem Tempolimit haben wir einfachste Maßnahmen gefordert, um erste Schritte zu machen. Dazu war die Bundesregierung nicht in der Lage.
Jetzt fordern wir von FrankWalter Steinmeier, ehrlich zu sein und das Ausmaß der Klimakatastrophe anzuerkennen.“Konkret setzt sich die Letzte Generation für den Rückbau der Auto- und Chemieindustrie, die Einführung einer Vermögenssteuer und eine gerechtere Verteilung von Ressourcen ein.
Gekränkt zeigt sich die Gruppe vom Umgang der Politik mit den Bauernprotesten, die bei ähnlichen Protestmitteln von der Politik deutlich wohlwollender behandelt werden würden. Es wird sich zeigen, ob sich daran etwas nach den Protesten am Samstag ändert.
Gruppe fordert Tempolimit auf Autobahnen und das 9-Euro-Ticket.