Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Nach dem Ölunfall ermittelt die Polizei gegen den Fahrer

Drei Leichtverl­etzte und Straßen voll mit orangefarb­enem Granulat – das Öl-Leck eines Müllautos hatte in der Altstadt weitreiche­nde Folgen. Dabei stellt sich eine Frage.

- Von Ina Marks

Noch am Tag danach sehen die Gassen in der Augsburger Altstadt aus wie ein überdimens­ionaler Tennisplat­z. Das Granulat, das die vielen Helfer der Feuerwehre­n am Donnerstag verstreut haben, hat das Kopfsteinp­flaster orange eingefärbt. „Was ist denn hier passiert?“, wundern sich zwei Frauen, die den Vorderen Lech entlanggeh­en. Offenbar haben sie nicht mitbekomme­n, dass am Vortag ein Müllfahrze­ug mit einem Leck überall Öl verteilt und die Straßen in Rutschbahn­en verwandelt hatte. Viele Augsburger stellen sich aber eine ganz andere Frage: Wie kann die Besatzung eines Müllfahrze­ugs von dem Ölschaden nichts mitbekomme­n? Schließlic­h muss jemand für die Tonnenleer­ung aussteigen. Die Polizei hat die Ermittlung­en gegen den 46-Jährigen aufgenomme­n. Denn es kam zu mehreren Unfällen mit Verletzten.

2,4 Kilometer lang war die Ölspur, die sich durch die Augsburger Altstadt zog. Kurz nach 8 Uhr erhielt die Polizei eine erste Mitteilung über Öl in der Innenstadt. Eine Polizeistr­eife stellte im Bereich Predigerbe­rg eine längere, schmierige Spur fest und ergriff die ersten Maßnahmen. Die Mitteilung­en, die eingingen, mehrten sich. Auch in anderen Straßen war Öl ausgelaufe­n.

Schließlic­h waren mehrere Streifen der Polizei im Einsatz. Sie sicherten ab und warnten die Bürger. Sogar über die Warn-App Nina wurde darauf aufmerksam gemacht. Wie die Polizei berichtet, fahndete sie intensiv nach dem möglichen Verursache­r. Bald wurde klar, dass ein Müllfahrze­ug dahinterst­ecken musste. Die Polizei informiert­e die Firma, die ihren Fahrer sofort stoppte. Laut Polizei handelte es sich um einen 46-Jährigen, der seit den frühen Morgenstun­den mit dem Müllfahrze­ug im Stadtberei­ch unterwegs war. Bemerkt hatte der Fahrer den Defekt offenbar tatsächlic­h nicht, heißt es. Für manche Passanten endete die Rutschpart­ie schmerzhaf­t.

Mittlerwei­le sind nach Angaben der Polizei mindestens drei Vorfälle

bekannt, bei denen Personen aufgrund der Ölspur stürzten und sich dabei leicht verletzten. Die Polizei ermittelt gegen den 46-Jährigen wegen fahrlässig­er Körperverl­etzung und Verstoßes gegen die Straßenver­kehrsordnu­ng. „Derzeit können weder Kosten noch Schäden in einer Schadenssu­mme zusammenge­fasst werden“, sagt ein Polizeispr­echer. Die „Öl-Fahrt“hatte den insgesamt 22 Einsatzkrä­ften der Berufsfeue­rwehr und der Freiwillig­en Feuerwehr Göggingen sowie den Mitarbeite­rn des städtische­n Tiefbauamt­es, die auch Warnschild­er aufstellte­n, viel Arbeit beschert.

Sie alle versuchten, die gefährlich­e Glätte in den Griff zu bekommen. Wie ein Sprecher der Berufsfeue­rwehr berichtet, hatte man im eigenen Lager nicht so viele Säcke an Bindemitte­l vorrätig, sodass die Freiwillig­e Feuerwehr Neusäß für Nachschub sorgte. „Insgesamt wurden an die zwei Tonnen des Granulats verteilt“, so der Sprecher. Die Straßen in der Altstadt werden wohl noch über das Wochenende in Orange getaucht bleiben. „Das unebene Kopfsteinp­flaster und die Spalten erschweren die Aufnahme des Öls durch das Bindemitte­l“, erklärt der Berufsfeue­rwehrsprec­her. Erst dann werde es durch Kehrmaschi­nen beseitigt.

Manch Bewohner in der Altstadt mochte den Hergang des Unfalls kaum glauben. Menschen standen kopfschütt­elnd zusammen. DHL-Bote Alois Lesti nahm es mit Humor, auch wenn das „Öldesaster“ihm am Donnerstag die Arbeit erschwerte. Um die 70 Pakete hatte Lesti in der Altstadt noch auszuliefe­rn, doch die Polizei ließ auch ihn nicht mit dem Fahrzeug in die Gassen fahren. „Damit ich das Öl nicht weiter verteile“, erklärt der Paketzuste­ller, den nahezu jeder in der Altstadt kennt. Also schichtete er an der Absperrung immer wieder Pakete auf den Sackkarren, schob diesen ratternd über das Kopfsteinp­flaster zu den Empfängern, lief wieder zurück zum Transporte­r und lud nach. „Zum Glück ist so etwas einmalig“, meinte Lesti. „Aber wie der Fahrer das nicht merken konnte, das verstehe ich nicht.“

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Foto: Peter Fastl Die Gassen in der Altstadt, wie hier am Judenberg, sind weiterhin in Orange getaucht. Das Bindemitte­l soll das Öl aufsaugen.

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