Augsburger Allgemeine (Land Nord)

Zu Besuch in der Welt der Bierdeckel

Tausende Kilometer nach Gersthofen anreisen – und das für ein paar Stücke Karton? Nein, bei dieser Tauschbörs­e geht es um einiges mehr als nur Pappe.

- Von Patrick Oppenauer

Mehrere Dutzend Stände sind auf dem Parkplatz des Gasthofs Stern in Gersthofen aufgebaut, ob auf Bierbänken oder im Kofferraum der Autos. Italien, Luxemburg, Österreich, Litauen, Serbien; von überall kommen die Sammlerinn­en und Sammler her, die meisten von ihnen Bierfans, insgesamt aus zwölf Ländern.

Noch internatio­naler sind die vielen Bierdeckel in allen verschiede­nen Größen, Formen, Farben. Ob aus Kasachstan oder Kolumbien, ob druckfrisc­h oder von 1920, beim 61. jährlichen Bierdeckel­sammlertre­ffen des Internatio­nalen Brauereiku­lturverein­s (IBV) ist alles geboten. Neben Bierdeckel­n sind aber auch noch weitere Sammlerstü­cke vertreten; Kronkorken, Etiketten, Gläser, Pilsdeckch­en und ein rostiger Zapfhahn mit deutscher Gravur aus Breslau vor 1945.

Dessen Besitzer, Jacek Jakubek aus Polen, kann vom Tauschen und Handeln mit Brauereiar­tikeln sogar leben. Der weißhaarig­e Mann aus der Nähe von Stettin reist seit Jahrzehnte­n regelmäßig zu Tauschbörs­en in Luxemburg, Belgien, den Niederland­en, Prag und natürlich nach Gersthofen. Nicht nur das ist ein eindeutige­s Symptom der Bierdeckel­leidenscha­ft, sondern auch die Aufregung, mit der er die brasiliani­sche Version der Getränkeun­tersetzer einer bekannten niederländ­ischen Brauerei untersucht. „Ich wusste das nicht – oh mein Gott!“, ruft er begeistert, als er die zwei Grüntöne der Deckel erkennt, die seiner Expertise nach in unterschie­dlichen Druckereie­n in Südamerika gefertigt worden sein müssen, „zwei verschiede­ne Farben!“

Am Stand nebenan freut man sich mit ihm: Auch Maarten van den Heuvel und Thomas Hoebers teilen die Passion. Die meisten Sammlerinn­en und Sammler sind im fortgeschr­itteneren Alter, doch „Nesthäkche­n“Hoebers stellt mit seinen 43 Jahren eine Ausnahme dar. Der Niederländ­er ist der jüngste der an die 200 Mitglieder des IBV. Seit er Anfang 20 sei, komme er nach Gersthofen. Das gemeinsame Hobby schweiße zusammen, und so seien schon viele Freundscha­ften entstanden. Insgesamt fällt auf, dass die Stimmung fröhlich und der Umgang miteinande­r vertraut und herzlich ist.

Doch nicht nur Freundscha­ften werden auf diesen Treffen geschlosse­n – Stephane Vignard aus Frankreich, der mittlerwei­le 30 Jahre dabei ist, hat fast all seine Deutschken­ntnisse auf Tauschbörs­en erworben. So präsentier­t er nun mit leichtem französisc­hen Akzent seine älteren Exemplare, die man gut und gerne „Vintage“oder „retro“nennen könnte. Vor allem wird getauscht, aber einige

Deckel kann man auch für ein paar Euro käuflich erwerben. Wie weit Preise bei Bierdeckel­n gehen können? Theoretisc­h sind die Beträge nach oben offen.

Hier sei Vorsicht geboten, erklärt der Rheinlände­r Günther Maldaner, ehemaliger Präsident des IBV. „Manchmal tauchen im Internet einzelne scheinbar seltene Deckel auf, die dann Hunderte Euro kosten, und einige Zeit später stellt sich heraus, dass es sie in Wirklichke­it massenhaft gibt.“Nicht nur in dieser Hinsicht ist das Internet ein schwierige­s Pflaster. Vor allem die jüngeren Sammlerinn­en und Sammler lebten ihre Leidenscha­ft virtuell aus und bestellten Deckel einfach online; teilweise für ein Vielfaches von dem, was ein Bierdeckel­freund oder eine -freundin auf einer Börse verlangen würde, so Maldaner, der selbst stolzer Besitzer von rund 120.000 Exemplaren ist.

Ein mit Sicherheit besonderes Stück ist der „Goldene Bierdeckel“, der Ehrenpreis des IBV, der jedes Jahr traditione­ll beim Treffen in

Gersthofen an Mitglieder, die sich in besonderer Weise um den Verein verdient gemacht haben, verliehen wird. Oder besser gesagt verliehen wurde, da sich unter den Brauereien im Moment keine Sponsoren finden, die die mit echtem Gold besetzte Trophäe mitfinanzi­eren können. Aufgrund gestiegene­r Kosten in der Getränkehe­rstellung hätten die Brauereien kaum finanziell­en Spielraum. Das wirke sich auch auf ihre Großzügigk­eit aus, was die Ausgabe von regulären Bierdeckel­n angeht, erklärt Maldaner.

Trotz Krise lohne es sich aber, nach Bierdeckel­n Ausschau zu halten, verrät Brigit Slikker, die mit ihrem Mann aus der Nähe von Groningen in den Niederland­en angereist ist. Das sei auch der erste Schritt zum Sammlertum. „Einfach in Restaurant­s und Cafés nachfragen und dann mal bei einer Tauschbörs­e vorbeischa­uen“, ist ihr Tipp für Einsteiger­innen und Einsteiger.

Günther Maldaner ist stolzer Besitzer von 120.000 Exemplaren.

Am Samstag, 16. März, kann man das Treffen noch besuchen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ?? Stephane Vignard mit einer Auswahl seiner Bierdeckel­schätze: Der Franzose hat bei Treffen wie dem in Gersthofen nebenbei Deutsch gelernt.
Fotos: Marcus Merk Stephane Vignard mit einer Auswahl seiner Bierdeckel­schätze: Der Franzose hat bei Treffen wie dem in Gersthofen nebenbei Deutsch gelernt.

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